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Der Alte, der Neue und der Chef. Jack Lew (M.) soll Timothy Geithner (r.) als Finanzminister nachfolgen. Präsident Barack Obama hat ihn ausgewählt.

© Reuters

USA: Obama und die weißen Männer

Im neuen US-Kabinett sind Frauen und Minderheiten bisher kaum vertreten – der Präsident setzt vor allem auf Vertraute. Lässt sich daraus eine veränderte Philosophie im Vergleich zur ersten Amtszeit ableiten?

Das Kabinett des amerikanischen Präsidenten Barack Obama für seine zweite Amtszeit nimmt Gestalt an. Am Donnerstag nominierte er seinen bisherigen Stabschef Jacob Lew als künftigen Finanzminister. Der bisherige Ressortchef Timothy Geithner wollte seit längerem aus privaten Gründen das Amt aufgeben und mit seiner Familie nach New York zurückkehren. Am Montag hatte Obama den Republikaner Chuck Hagel als Verteidigungsminister und John Brennan als CIA-Chef vorgeschlagen. Vor Weihnachten hatte er John Kerry als Außenminister nominiert. Mit weiteren Vorschlägen wird in den kommenden Tagen gerechnet, da auch Vize-Finanzminister Neal Wolin und Arbeitsministerin Hilda Solis ausscheiden. Zudem benötigt Obama einen neuen Stabschef als Ersatz für Lew sowie einen neuen Handelsminister und einen Leiter des Amts für Budgetplanung. Der Senat muss die Personalvorschläge des Präsidenten bestätigen.

Die Auswahl Lews zeigt die veränderten politischen Anforderungen an den Finanzminister. Geithner war 2009 auf dem Höhepunkt der internationalen Finanzkrise ins Amt gekommen. Zuvor hatte er die New Yorker Filiale der US-Notenbank Federal Reserve geleitet und Erfahrung im Umgang mit der Wall Street gesammelt. Nun ist die Finanzkrise weitgehend unter Kontrolle. Aber ihre Folgen rücken in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung: die hohe Verschuldung der USA und das Defizit in den laufenden Bundeshaushalten.

Lew ist ein Budgetexperte. Weniger Erfahrung hat er mit der Welt der Geschäftsbanken, der Privatwirtschaft und der internationalen Finanzpolitik. Nach dem Collegeabschluss arbeitete er Mitte der 1970er Jahre für den legendären Sprecher des Abgeordnetenhauses Tip O’Neill und beriet ihn bei Fragen der Wirtschaft und der Sozialversicherung. Nach einem weiteren Studium in Harvard und dem Jura-Abschluss an der Georgetown University 1983 praktizierte er einige Jahre als Anwalt. Bill Clinton holte ihn in seine Regierung, zunächst als Berater für die Gesundheitsreform, die aber im Kongress scheiterte, später in das Office of Management and Budget (OMB). Lew leitete diese Schlüsselstelle der Haushaltspolitik im Präsidialamt von 1998 bis 2000: in einer Zeit, in der es dank des Wirtschaftsbooms und der Zusammenarbeit von Republikanern und Demokraten einen Haushaltsüberschuss gab.

Obama berief Lew in der ersten Amtszeit nicht gleich als obersten Wirtschaftsberater, wie dieser gehofft hatte, sondern zog ihm Larry Summers vor. Das nutzte Hillary Clinton und machte Lew, der weithin für seine ruhige Art und seine zuverlässigen Organisationsfähigkeiten geschätzt wird, zum Vize-Außenminister. 2010 kehrte Lew als Leiter des OMB ins Weiße Haus zurück. Damals bestätigte ihn der Senat einvernehmlich. Seine Arbeit als Obamas Stabschef seit Januar 2012 hat er ohne größere Kontroversen erledigt. Doch diese Position gilt in Washington als parteipolitisch exponiert. Zudem gehört die Haushalts- und Steuerpolitik zu den erbittertsten Streitthemen zwischen den politischen Lagern. Deshalb dürfte die Anhörung Lews im Senat trotz der persönlichen Wertschätzung für ihn kontrovers verlaufen. Dies droht erst recht, wenn parallel der Streit um die Erhöhung der Schuldenobergrenze im Kongress eskaliert.

Die amerikanischen Medien beschäftigen sich auch mit einem kuriosen Aspekt der Nominierung. Falls der Senat ihn bestätigt, würde seine Unterschrift auf US-Banknoten erscheinen: eine Abfolge von acht nach rechts gedrehten Schleifen, die seinen Namen kaum erkennen lassen.

Als Favoriten für den Posten des Stabschefs gelten der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Denis McDonough, der mit Deutschland eng vertraut ist, und Ron Klain, der frühere Stabschef des Vizepräsidenten Joe Biden.

Nachdem Obama immer mehr Wunschkandidaten für seine Regierung in der zweiten Amtszeit benannt hat, diskutieren US-Medien, ob sich daraus eine veränderte Philosophie im Vergleich zur ersten Amtszeit ableiten lässt. 2009 hatten Kommentatoren von einem „Team of Rivals“ gesprochen. Obama umgebe sich mit starken Persönlichkeiten, die persönliche Meinungsunterschiede offen austragen. Das sei die beste Garantie, dass verschiedene politische Optionen vor einer Entscheidung diskutiert werden. Jetzt ist dagegen von einem „Team of Allies“ die Rede. Der Präsident setze auf einen kleinen Kreis erprobter Vertrauter und hole kaum neue Gesichter von außen.

Hinterfragt wird, ob Obama das Versprechen, Frauen und Minderheiten zu fördern, hintanstelle. Insgesamt liegt der Frauenanteil in der erweiterten Regierung bei annähernd der Hälfte; unter Bush war es angeblich ein Drittel. Doch auf der Ebene der Kabinettsmitglieder dominieren nun weiße Männer. Da auch Arbeitsministerin Hilda Solis geht, die erste weibliche Latina in einer US-Regierung, wird Obama bei den ausstehenden Nominierungen wohl mehr auf Quote achten.

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