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Sie ist nun dran, eine Entscheidung über den Verbleib Griechenlands im Euro hängt sehr vom Votum der Kanzlerin ab. Sie weiß aber auch, ein Scheitern des Euro, wäre auch ihr Scheitern.

© AFP

Politik der Kanzlerin: Das Merkel-Prinzip

Gerhard Schröder hat noch Prinzipien gehabt. Das ist vorbei: Bei Angela Merkel wird reagiert statt regiert. Auf Kosten der anderen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Klima, Kohle, NSA, Europa – Niederlagen für den einen, Nichtigkeiten für die andere. Der eine ist Sigmar Gabriel. Der SPD-Chef hat da mitgespielt, sich gebeugt, weil sonst die große Koalition in sich zusammengefallen wäre.

Aber er fällt gerade einer Politik zum Opfer, die diese Namen nicht verdient. Ganz oben, an der Spitze, wird nicht geführt, nicht regiert, nur reagiert. Von wem da wohl die Rede ist?

Von wegen zwangloser Zwang des besseren Arguments. Die Zeiten, als Jürgen Habermas der „Bundesphilosoph“ war, sind auch lange vorbei. In dieser Bundesregierung gilt noch nicht einmal, dass von hinten geführt wird. In dieser Regierung von Angela Merkel wird erst einmal gewartet und gewartet und gewartet, bis eine Bewegung ihre Richtung findet, die sich manifestiert. Dann ist das Risiko ja auch geringer, in die Gefahr zu geraten, mit einem Standpunkt identifiziert zu werden. Oder mit einem, bei dem man selbst in Gefahr geraten kann.

Jeder wusste, wofür er steht und notfalls fällt

Sage noch mal einer, Gerhard Schröder habe keine Prinzipien als Kanzler gehabt. Bei allem Unsinn jetzt – als Kanzler hat er für ein Prinzip Wahl um Wahl und die eigene Macht verloren. Er hat das Land über die Partei gestellt, und die SPD ist daran fast zerschellt. Jeder wusste, wofür er steht und notfalls fällt.

Das ist jetzt alles anders.

Allein schon der „Kohlekompromiss“. Ein rechter Irrwitz ist der, weil er nicht der Umwelt dient, weil er kostbare Zeit und Milliarden kostet, vor allem die Stromkunden. Dass Gabriel das mitgemacht hat! Dass die „Klimakanzlerin“ das gemacht hat! Gabriel geht als Verlierer nach Hause, Merkel als Strahlefrau zum nächsten Gipfel.

Oder diese Geschichte mit der Ausforschung durch die USA, gleich ob NSA oder CIA. Klare Worte der Kanzlerin gab es – nach einiger Rückversicherung – nur am Anfang. Dann wurden sie immer schwächer, immer leiser, inzwischen hört man nichts mehr von ihr. Weil ja noch nicht ganz klar ist, wohin das alles führt? So wird sie es gerne sehen. Dabei ist eines klar: So kann es nicht weitergehen, nicht nach ständig neuen Enthüllungen über die Verletzung demokratischer Grundrechte. Aber nichts Rechtes kommt zustande. Alles wird verzögert (Aufklärung der Selektorenliste) oder verschleppt (Bestellung einer „Vertrauensperson“) oder hintertrieben (personelle Konsequenzen). Man, frau, könnte sich ja in Gefahr begeben.

Sie hält sich lieber raus, zurück, alles offen

Bei Europa ist es auch nicht die Kanzlerin, die den Takt vorgibt. Das macht der Finanzminister. Sie hält sich lieber raus, zurück, alles offen. Sagt einmal, dass das Schicksal Europas am Euro hängt, dann wieder nicht. Und die Sache mit den Griechen ist – ja, halt auch so eine Sache.

Nagle mal einen Pudding an die Wand, sagte der letzte Kanzlerkandidat der SPD im Wahlkampf. Und scheiterte. Das war 2013. In jeder Kanzlerschaft kommt aber das Ende aller Prinzipienfreiheit. Und kommt das nicht, kommt der Überdruss. Plötzlich ist er da. Dann kann sich alles ändern.

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