zum Hauptinhalt
Ein Hammer auf dem Richtertisch – in Deutschland meist nur ein Schmuckstück.

© dpa/Uli Deck

Prozessprotokoll in Bild und Ton: Videos im Gericht schaffen mehr Qualität im Recht

Die Justiz ist dagegen, Strafprozesse per Video zu dokumentieren. Dabei sind solche Aufzeichnungen überfällig. Sie ermöglichen Kontrolle – und fundiertere Urteile.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Wenn irgendwo in Deutschland vor Gericht ein Angeklagter einen Mord gesteht und dann in allen Einzelheiten erzählt, wie er das plante, wer dabei mitmachte und wie und wo die Leiche beseitigt wurde, dann existiert dieses Geschehen von dem Moment an, in dem er aufhört zu reden, nur noch in der Erinnerung derjenigen, die dabei zuhören konnten. Das sind: Richterinnen, Anwälte, Staatsanwältinnen, Zuschauer und die, die das Protokoll führen.

Protokoll? Immerhin gibt es das im Strafprozess. Nur steht von dem, was jemand sagt, fast nichts drin. Gute deutsche Tradition seit Inkrafttreten der Strafprozessordnung (StPO) vor rund 140 Jahren. Alles nur mündlich. Man muss aufpassen, wer was sagt, wer wen be- und entlastet, sich wo widerspricht und wann lügt.

Der wichtigste Teil der Wahrheitsfindung, die Feststellung der Tatsachen, beruht auf Sinneseindrücken im Moment eines Sprechakts und der Fähigkeit von Richtern und Richterinnen, Wesentliches zu notieren. Am Ende entsteht so die Wirklichkeit, die zur Grundlage des Urteils wird.

Die Wahrheit ist zu wichtig, um sie dem Augenblick zu überlassen. Die Aufzeichnungen erlauben eine Analyse, die für ein gutes und gründliches Urteil wertvoll werden wird.

Jost Müller-Neuhof

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) arbeitet an einem Gesetzentwurf, der das ändern soll. Hauptverhandlungen sollen in Bild und Ton dokumentiert werden, ein Transkript des Gesagten wandert in die Akten.

Anwälte finden das gut, die Justiz wehrt sich. Sie liefert jede Menge Gründe: Aussagen würden verfälscht, die Gerichte stärker belastet, Revisionen unkalkulierbar. Alles keine, die tragen.

Das rechtspolitische Koalitionsprojekt ist überfällig. Die Wahrheit ist zu wichtig, um sie dem Augenblick zu überlassen.

Die Aufzeichnungen erlauben eine Analyse, die für ein gutes und gründliches Urteil wertvoll werden wird. Auch Richterinnen und Staatsanwälte müssten das als Hilfe zu schätzen wissen.

Ihre Empfindlichkeit ist schwer zu erklären. Aber klar, bisher ist es ihre Wahrnehmung, sind es ihre Notizen, die alles entscheiden. Eine Herrschaftsposition, die sie künftig teilen müssten. Mit der Dokumentation müssen sie sich auseinandersetzen, weil die Aussagen aus dem Prozess dauerhaft prüfbar bleiben.

Damit wird das Gericht gezwungen, sich stärker selbst zu kontrollieren. In der Justiz scheint das als Misstrauen anzukommen. Ein falscher Eindruck. Es ist ein Beitrag zur Qualität des Rechts.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false