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Angela Merkel bei ihrem knappen Statement am Dienstag zur Wahl von Ralph Brinkhaus.

© Kay Nietfeld/dpa/AFP

Ralph Brinkhaus statt Volker Kauder: Fünf Nachwirkungen des politischen Bebens in der Union

Nach der Niederlage von Volker Kauder rückt die Zukunft Angela Merkels in den Blickpunkt. Auch die CSU-Spitze verliert an Autorität. Ein Überblick.

Dass Ralph Brinkhaus am Dienstag zum neuen Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion gewählt wurde, hat in der Führung der Unionsparteien die Alarmglocken schrillen lassen. Denn nur zwei Tage, nachdem die Parteichefs von CDU, CSU und SPD den Streit um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beigelegt hatten, ging es gleich weiter im Krisenmodus - nach der SPD und der CSU traf es diesmal die CDU. Und die Nachbeben der Abwahl des Merkel-Vertrauten Volker Kauder von der Fraktionsspitze könnte noch eine Reihe von heftigen politischen Nachbeben haben.

Vor Parteitag: Merkels geschwächte Autorität

Die meisten Kommentatoren urteilen, dass die Kauder-Niederlage vor allem für die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel ein schwerer Schlag war. Immerhin verliert Merkel einen Vertrauten, der seit Beginn ihrer Amtszeit als Kanzlerin an ihrer Seite stand - und dessen Wiederwahl sie ausdrücklich unterstützt hatte. Sie selbst sprach am Dienstag von einer "Niederlage". Schon das schlechte Bundestagswahlergebnis hatte eine Debatte über die Nach-Merkel-Zeit ausgelöst. Nun rückt diese Frage noch stärker ins Zentrum der Debatten. Denn die von ihren Kritikern geforderte personelle "Erneuerung" ist an der zweitwichtigsten Stelle im Machtgefüge der Union nun vollzogen.

Brinkhaus selbst betonte noch am Dienstagabend, dass er hinter der Kanzlerin stehe. "Zwischen der Kanzlerin und mir passt kein Blatt Papier", sagte er im ZDF. Und sogar offene Bekenner der Kauder-Abwahl betonen, dass die Erneuerung an der Fraktionsspitze Merkel nicht schwächen, sondern stärken soll.

Dennoch: Gerade weil die Entscheidung für Brinkhaus gegen Merkels ausdrücklichen Willen getroffen wurde, richten sich nun alle Blicke auf den CDU-Bundesparteitag im Dezember: Dann steht für Merkel nach 18 Jahren an der Spitze der CDU die Wiederwahl als Parteivorsitzende an. Und seit Dienstagnachmittag gilt als wenig vorhersehbar, wie das Ergebnis ausfallen wird.

Geschwächte Autorität von Seehofer und Dobrindt

Quasi als Kollateralschaden hat die Abwahl Kauders auch die CSU-Politiker Horst Seehofer und Alexander Dobrindt getroffen. Beide hatten sich kurz vor der Wahl ausdrücklich für die Wiederwahl Kauders ausgesprochen, der in der CSU-Landesgruppe jedoch schon wegen seiner Haltung in der Flüchtlingsfrage auf Skepsis stieß. Die CSU-Landesgruppe dürfte in der geheimen Wahl anders als in früheren Jahren nicht mehr als Block aufgetreten seien. Und schon beim Grenzstreit mit der CDU im Juli hatten sich Risse in dem einst monolithischen Block der Landesgruppe gezeigt.

Was ist mit den echten Rebellen gegen Merkel?

Seit Jahren kommt Kritik an Merkel gerade vom Wirtschaftsflügel der Union, vor allem dem Parlamentarischen Kreis Mittelstand (PKM). Dieser verbucht den Dienstag als Erfolg, denn es hatte vor der Fraktionssitzung Abstimmungen unter den Mitgliedern gegeben. Dabei hatte sich ein deutlicher Vorzug für den Finanzexperten und harten Haushälter Brinkhaus gezeigt. Nun gibt es die Hoffnung, dass die neue Unions-Fraktionsführung sich in der großen Koalition wirtschaftsfreundlicher aufstellt - und auch steuerliche Entlastungen energischer angeht.

Allerdings wurde in der Fraktion auch gerätselt, ob die jüngeren Kritiker etwa von Merkels Flüchtlingspolitik wie Gesundheitsminister Jens Spahn, Fraktionsvize Carsten Linnemann oder Junge-Unions-Chef Paul Ziemiak wirklich glücklich mit dem Aufstieg von Brinkhaus sind. Denn der 50-Jährige kommt wie das Trio aus Nordrhein-Westfalen und könnte die Forderung nach einem weiteren personellen Wachwechsel in der Union und vor allem der CDU erst einmal verstummen lassen - zumal Merkel mit Annegret Kramp-Karrenbauer auch eine neue Generalsekretärin hat.

Was heißt dies für die Europapolitik?

Sympathie genießt Brinkhaus bei den Konservativen auch wegen seiner Kritik an den Europa-Vorschlägen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Mit Brinkhaus dürfte der im Koalitionsvertrag versprochen "Aufbruch" in der Europapolitik vollends beendet werden, fürchtet man jetzt beim Koalitionspartner SPD. Allerdings: Brinkhaus hat die in Meseberg erzielten Kompromisse von Macron und Merkel mitgetragen und gilt nicht als echter Europa-Skeptiker - eher als harter Haushälter auch in EU-Fragen.

Geheim gewählt – gegenseitiges Misstrauen wächst

Eine atmosphärische Nachwirkung könnte nach Einschätzung aus Unionskreisen die geheime Wahl haben. Zum einen ermöglichte das Wahlverfahren wegen der fehlenden sozialen Kontrolle tatsächlich ein ehrlicheres Bild, wie die Unions-Parlamentarier wirklich über die Personalie Kauder dachten. Zum anderen weiß nun aber niemand, wer wie abgestimmt hat. Das gegenseitige Misstrauen ist in der Unions-Bundestagsfraktion seit dem CSU-CDU-Schwesterstreit vom Frühsommer ohnehin größer geworden. Es könnte nach Einschätzung von Unions-Parlamentariern jetzt weiter wachsen. Das macht die Fraktion unberechenbarer - sowohl für Merkel, Dobrindt, möglicherweise aber bald auch für den neuen Fraktionschef Brinkhaus. (Reuters)

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Andreas Rinke

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