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Die Klimaaktivistin Greta Thunberg (r) steht zwischen Keyenberg und Lützerath unter Polizeibewachung am Rande des Tagebaus und tanzt.

© Foto: Federico Gambarini/dpa

Spontan-Demo in Lützerath: Greta Thunberg tanzt an der Tagebaukante – Polizisten tragen sie weg

Die schwedische Klimaaktivistin nahm an einer Spontan-Demo teil. Die Polizei hatte die Räumung des Braunkohledorfes Lützerath zuvor für abgeschlossen erklärt.

| Update:

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg (20) ist am Sonntagnachmittag noch einmal überraschend an der Kante des Braunkohletagebaus bei Lützerath aufgetaucht. Ein dpa-Reporter berichtete, sie habe an einer Spontan-Demo teilgenommen und mit anderen Klimaaktivisten gesungen und getanzt.

Sie war dick eingepackt mit Mütze und Kapuzenjacke. Ein Polizeisprecher sagte, Thunberg habe kurzzeitig auf einem Wall an der Tagebaukante gesessen. Polizisten hätten sie zu ihrer eigenen Sicherheit aufgefordert, den Wall zu verlassen.

Als sie dem nicht nachgekommen sei, hätten die Beamten sie einige Schritte weiter weg getragen. Selbiges sei harmonisch verlaufen. Anschließend sei die schwedische Klimaaktivistin ihrer Wege gegangen. 

Die Klimaaktivistin Greta Thunberg (2.v.l.) steht mit anderen Aktivisten zwischen Keyenberg und Lützerath unter Polizeibewachung am Tagebau und tanzt.

© dpa / Federico Gambarini

Räumung am Sonntag abgeschlossen

Zuvor hatte die Polizei nach eigenen Angaben in Lützerath alle noch verbliebenen Aktivisten aus Baumhäusern und von Bäumen heruntergeholt. „Es sind jetzt nur noch die beiden im Tunnel übrig“, sagte ein Polizeisprecher.

Die Räumung des Dorfes Lützerath hatte am Mittwoch begonnen. Klimaaktivisten hatten das verlassene Dorf besetzt, um einen Abriss und das anschließend geplante Abbaggern der darunter liegenden Kohle zu verhindern.

Aktivisten werfen der Polizei Gewalt-Exzesse vor

Die Veranstalter der Proteste haben der Polizei Gewalt-Exzesse vorgeworfen. Es sei eine „hohe zweistellige bis dreistellige Zahl“ von Teilnehmern verletzt worden, sagte am Sonntag eine Sprecherin des Sanitäterdienstes der Demonstranten.

Darunter seien viele schwerverletzte und einige lebensgefährlich verletzte Personen gewesen. Die Verletzungen seien teils durch Pfeffersprays, Schlagstock- und Faustangriffe der Polizisten zustande gekommen. Dabei habe es besonders viele Kopfverletzungen gegeben.

„Die Polizei hat also nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch auf den Kopf von Aktivistinnen und Aktivisten geschlagen“, sagte die Sprecherin. An der Demonstration gegen den Abriss des Dorfes Lützerath zur Kohle-Gewinnung hatten sich am Samstag viele Tausend Menschen beteiligt. Nach Schätzungen der Polizei waren es 15.000, nach Angaben der Veranstalter mindestens 35.000. 

Lützerath Lebt/Besetzer*innen veranstalten eine Pressekonferenz am Sonntag im Camp Keyenberg.

© Foto: Thomas Banneyer/dpa

Auch eine Sprecherin der Aktivistengruppe „Lützerath lebt“ erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Bei der Demo am Samstag habe es „ein unglaubliches Maß an Polizeigewalt“ gegeben, sagte sie.

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Eine Person aus den Reihen der Demonstranten sei in lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus gebracht worden. Das Vorgehen bei der Räumung von Lützerath selbst sei rabiat und rücksichtslos.

Der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, wies Kritik am Verhalten der Polizei zurück. „Die Polizei setzt das Recht durch“, sagte Mertens der Deutschen Presse-Agentur. „Und wenn die Kommunikation nicht mehr hilft, dann entstehen leider Situationen wie gestern. Das will keiner, aber ist dann einfach unabdingbar, um den Auftrag, den die Polizei hat, auch umzusetzen.“

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Leider seien bei den Zusammenstößen zwischen Polizisten und Demonstranten Menschen auf beiden Seiten verletzt worden. Die Aktivisten verbreiteten in diesem Zusammenhang nun allerdings „Legenden“. So sei von einem Rettungshubschrauber-Einsatz nichts bekannt. Die Polizistinnen und Polizisten hätten „unter schwierigen Rahmenbedingungen einen hervorragenden Job gemacht“, so Mertens.

Der Lützerath-Einsatz unter Leitung des Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach habe für ihn insgesamt „Vorbildcharakter“. Er habe zum Beispiel noch nie einen so transparenten Einsatz gesehen, bei dem alle Medienvertreter jederzeit überall Zugang gehabt hätten, sagte Mertens. Weinspach habe von Anfang auf ein Deeskalationskonzept gesetzt, das dem friedlichen Protest gegen den Braunkohleabbau viel Raum gelassen habe.

70 verletzte Polizisten – viele im schlammigen Boden umgeknickt

Die Polizei hatte ihrerseits insgesamt mehr als 70 verletzte Polizisten gemeldet. Die meisten davon seien am Samstag bei den Protestaktionen der Kohle-Gegner verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher.

Die Verletzungen gingen aber nur zum Teil auf Gewalt durch Demonstranten zurück. Teilweise seien die Beamten zum Beispiel auch im schlammigen Boden umgeknickt.

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„Es ist ein Wunder, dass es hier noch keine Toten gegeben hat“, sagte die Sprecherin. Die Polizei weist diesen Vorwurf zurück und versichert, mit äußerster Vorsicht vorzugehen.

Blick auf den Tagebau in Lüzerath.

© action press / Foto: CHARLES M. VELLA / SOPA

Das Dorf Lützerath, ein Ortsteil von Erkelenz westlich von Köln, ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die wenigen Gebäude der Siedlung werden abgerissen, um es dem Energiekonzern RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Braunkohle abzubaggern.

Nach Großdemonstration in Keyenberg sind weitere Aktionen geplant

Die Organisatoren und Aktivisten der Großkundgebung am Samstag bei Lützerath haben derweil weitere Proteste gegen die Abbaggerung des Weilers und die Braunkohleverstromung angekündigt. Auf einer Pressekonferenz würdigten die Vertreter von „Ende Gelände“, „Alle Dörfer bleiben“ und „Fridays for Future“ am Sonntag die Teilnahme von Zehntausenden Menschen an dem Protest rund um Lützerath als Zeichen der Hoffnung für den Klimaschatz in Deutschland und weltweit.

Polizisten führen einen Klimaaktivisten in Lützerath vom Gelände.

© dpa/Federico Gambarini

In der kommenden Woche sollen weitere friedliche Aktionen „mit der ganzen Bandbreite des zivilen Ungehorsams“ folgen, unter anderem ein Aktionstag am 17. Januar. Darya Sotoodeh von „Fridays for Future“, Christopher Laumanns von „Alle Dörfer bleiben“ und Charly Dietz von „Ende Gelände“ äußerten scharfe Kritik an der schwarz-grünen NRW-Landesregierung. Diese müsse die Räumung stoppen.

„Die Regierung steht alleine da“, sagte Laumanns. Die Mehrheit der Bevölkerung wolle keinen weiteren Braunkohleabbau. Die Zerstörung von Lützerath sei eine „Blamage für Deutschland“, vor allem für die Grünen.

Organisator fordert Entschuldigung der Grünen und Stopp der Räumung

Dietz forderte, die Grünen sollten die Räumung stoppen und sich bei den Menschen für das verursachte Leid entschuldigen. Laumanns verwies auf die Forderung von 500 Wissenschaftlern nach einem Moratorium, da die Erkenntnislage eindeutig sei: „Die Braunkohle wird nicht gebraucht.“

Die Organisatoren nannten die Großkundgebung und die Aktionen zuvor rund um Lützerath eine Zäsur. Es habe sich gezeigt, dass die Menschen die „alten Verträge“ mit der Politik nicht mehr wollten, den Ausstieg aus fossilen Energiegewinnung forderten und keine weiteren Räumungen oder Abbaggerungen akzeptieren.

Veranstalter betonen friedlichen Protest als Aktionskonsens

Egal, wie es mit dem geräumten und weitgehend abgerissenen Ort Lützerath selbst weitergehe, werde der Widerstand fortgesetzt, kündigten sie an. Iza Hoffmann vom Sanitäter-Team der Demonstrationsorganisatoren sprach mit Blick auf die Großkundgebung vom Samstag von einer hohen Zahl verletzter Demonstranten im „zwei- bis dreistelligen“ Bereich und kritisierte unnötige Gewalt durch die Polizei.

Die Veranstalter der Demo betonten, dass sie als Aktionskonsens einen friedlichen und vielfältigen Protest befürworten. Mit Blick auf die Menschen, die sich am Samstag eigenständig abseits der genehmigten Demonstration zur Abrisskante begeben hatten, sagte Laumanns von der Initiative „Alle Dörfer bleiben“, das sei „eine beeindruckende und notwendige Aktion“ gewesen.

Er habe dafür „vollstes Verständnis“. Die Sprecherin von „Ende Gelände“ sagt, es gebe eine sehr weite Bandbreite des zivilen Ungehorsams - der Konsens beinhalte Gewaltfreiheit. Einzelne würden „aus Wut“ aber zu anderen Mitteln greifen. An der Abbruchkante war es zu Konfrontationen mit der Polizei gekommen. (dpa)

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