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Polizei und Demonstranten geraten aneinander.

© AFP/INA FASSBENDER

Aufgeheizte Stimmung: Polizei setzt Schlagstöcke und Pfefferspray bei Lützerath-Demo ein

Die Beamten haben nach eigenen Angaben Demonstranten gewaltsam zurückgedrängt. Sie hätten versucht, bis zur Kante des Braunkohletagebaus vorzudringen.

| Update:

Am Rande der Demonstration am abgeriegelten Braunkohleort Lützerath hat die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt. Sogenannte Mehrzweckstöcke seien gegen Vermummte eingesetzt worden, die versucht hätten, eine Polizeikette zu durchbrechen, sagte ein Sprecher am Samstag. Auch Pfefferspray sei versprüht worden.

Die Polizei hatte zuvor in Erkelenz Klima-Demonstranten gewaltsam zurückgedrängt, die versuchten, bis zur Kante des Braunkohletagebaus vorzudringen. Das bestätigte ein Polizeisprecher. Bis zur Tagebaukante zu laufen, sei lebensgefährlich, weil der Boden durch Dauerregen aufgeweicht sei und Erdrutsche drohten.

Der Polizeisprecher sagte, dass gewaltbereite Demonstranten auch Streifenwagen der Polizei attackiert und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen hätten. Auch versuchten Demonstranten, in das abgeriegelte Lützerath vorzudringen, was ihnen bisher aber nicht gelungen sei.

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Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf 8000 bis 10.000, die Veranstalter sprachen von 35.000. Die Teilnehmer protestieren dagegen, dass Lützerath - ein Ortsteil von Erkelenz - abgerissen wird, damit der Energiekonzern RWE die darunter liegende Kohle abbaggern kann.

Zuvor waren einige Menschen nach Polizeiangaben in den Tagebau eingedrungen. „Entfernen Sie sich sofort aus dem Gefahrenbereich!“, schrieben die Einsatzkräfte bei Twitter. Die Personen seien größtenteils vermummt gewesen, erklärten die Einsatzkräfte. Die Polizei forderte die Menschen auf, keine Polizeikräfte anzugehen und sich kooperativ zu verhalten.

„Ich bin absolut entsetzt, wie normale Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sich dazu hinreißen lassen, hier den absoluten Gefahrenbereich zu betreten“, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach der Deutschen Presse-Agentur.

Ein Demonstrant geht vor Polizisten bei der Demonstration von Klimaaktivisten am Rande des Braunkohletagebaus bei Lützerath mit ausgebreiteten Armen auf die Knie.
Ein Demonstrant geht vor Polizisten bei der Demonstration von Klimaaktivisten am Rande des Braunkohletagebaus bei Lützerath mit ausgebreiteten Armen auf die Knie.

© dpa/Oliver Berg

Ein Sprecher auf der Kundgebungsbühne hatte zuvor gesagt, er finde es legitim, wenn die Teilnehmer versuchten, in das abgesperrte Lützerath vorzudringen. „Lasst euch von der Polizei nicht aufhalten. Wir sind mächtig. Wir sind auf der Seite der Gerechtigkeit. Wir lassen uns von diesem repressiven System nicht aufhalten. Wir stoppen diesen Tagebau. Macht alles, was ihr für richtig haltet.“

Greta Thunberg kritisiert deutsche Grüne

Unter den Demonstranten sind auch die Klima-Aktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Die schwedische Aktivistin warf Deutschland vor, „einer der größten Klimasünder weltweit“ zu sein. Sie rief zum anhaltenden Widerstand auf. „Wir haben nicht vor, aufzugeben. So lange die Kohle im Boden ist, ist dieser Kampf nicht vorbei“, rief sie den Demonstranten zu.

Am Rande der Proteste hatte sie am Samstagmorgen bereits die deutschen Grünen wegen ihrer Unterstützung für den Abriss von Lützerath und das Abbaggern der unter dem Dorf liegenden Kohle kritisiert. Konzerne wie RWE müsse man eigentlich dafür zur Rechenschaft ziehen, wie sie mit Menschen umgingen.

„Dass die Grünen mit solchen Unternehmen Kompromisse schließen, zeigt, wo ihre Prioritäten liegen“, sagte die schwedische Klimaaktivistin in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in Erkelenz. Sie selbst sei nie mit einer grünen Partei verbunden gewesen.

Führende grüne Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine NRW-Kollegin Mona Neubaur verteidigen den Abriss von Lützerath damit, dass die darunter liegende Kohle zur Aufrechterhaltung der Energiesicherheit in der derzeitigen Krise gebraucht werde.

Greta Thunberg demonstriert gegen die Räumung von Lützerath.
Greta Thunberg demonstriert gegen die Räumung von Lützerath.

© REUTERS / Reuters/Thilo Schmuelgen

Thunberg sagte dazu: „Die Kohle, die hier im Boden ist, wird die Preise nicht sofort senken. Wer so denkt, hat einfach keinen Bezug zur Realität.“

Die 20-Jährige ist nach Deutschland gekommen, um den Protest gegen die Räumung und den Abriss des Dorfes Lützerath zu unterstützen. „Ich bin hier schon früher gewesen, und da sah es noch völlig anders aus“, sagte sie. „Es ist sehr traurig, das zu sehen. Es ist jetzt ein ganz anderer Ort.“

Zu der Kraterlandschaft des rheinischen Braunkohlereviers sagte sie: „Es sieht wirklich aus wie Mordor. Es zeigt, wozu Menschen unter den falschen Bedingungen fähig sind. Es zeigt, wogegen wir kämpfen, was wir verhindern wollen.“ In Tolkiens Roman „Herr der Ringe“ ist Mordor das Reich und die Basis des bösen Sauron.

8000 Demo-Teilnehmende erwartet

Zu der Demonstration im Nachbarort Keyenberg, der wie Lützerath zu Erkelenz gehört, erwartet die Polizei 8000 Teilnehmer. Das Motto der Demonstration ist „Räumung verhindern! Für Klimagerechtigkeit“.

Programmbeginn mit Bands und Liveacts war nach Veranstalterangaben um 11 Uhr, die Demo startete um 12 Uhr. Aus 50 Städten und 14 Bundesländern würden Teilnehmer erwartet, teilte Fridays for Future mit.

Das Verwaltungsgericht Aachen hatte am Freitag entschieden, dass die Veranstalter die Demonstration nahezu wie geplant durchführen können, und Auflagen zu einem anderen Austragungsort der Polizei gekippt. Nur der Einsatz von Traktoren bei der Veranstaltung wurde auf Wunsch der Polizei untersagt.

Die Situation in Lützerath ist eine riesige internationale Blamage für die Bundesregierung.

Greta Thunberg

Thunberg hatte bereits am Freitag Lützerath besucht und dabei „Polizeigewalt“ angeprangert. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach hatte die Kritik vehement zurückgewiesen. Die Polizei sei im Gegenteil mit äußerster Vorsicht vorgegangen, sagte er.

Ein Klimaaktivist liegt in seiner Hängematte vor der weiteren Räumung durch die Polizei.
Ein Klimaaktivist liegt in seiner Hängematte vor der weiteren Räumung durch die Polizei.

© dpa/Federico Gambarini

Auf die Frage, ob sie ihre Kritik an der Polizei aufrechterhalte, sagte Thunberg der dpa: „Polizeigewalt bedeutet in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Dinge. Aber es gab mehrere Fälle, in denen die Polizei das Leben von Aktivisten gefährdet hat.“

Zudem kritisierte Thunberg die Bundespolitik: „Die Situation in Lützerath ist eine riesige internationale Blamage für die Bundesregierung“, sagte sie der dpa. „Seit Jahren verteidigen Menschen Lützerath, als Teil einer globalen Gerechtigkeitsbewegung. Die Tatsache, dass Menschen aktiv werden, ist ein Zeichen der Hoffnung.“

Auch die Grüne Jugend kritisierte das Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Dorfes. „Die Berichte, die wir aus dem Dorf bekommen, sind nicht zu rechtfertigen“, teilte die Landessprecherin der Grünen Jugend NRW, Nicola Dichant, am Samstag mit. „Bilder von Polizeieinsätzen, die Aktivist*innen massiv gefährden, Sanitäter*innen, die von der Polizei aus dem Dorf geschmissen werden, und Presse, die nicht beobachten darf. Das ist das Gegenteil von einem deeskalativen Einsatz.“ (AFP/dpa)

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