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Zingster Strom am Hafen Zingst, Fischland-Darß, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland

© picture alliance / Zoonar/Wafue

Route über Wieck oder Wiek?: Ein weiterer Widerspruch in der Nord-Stream-Theorie

Die Route des Schiffs, von dem aus die Pipelines in der Ostsee angeblich gesprengt wurden, wirft Fragen auf. Ermittler und Journalisten könnten Orte vertauscht haben.

Zwei Tage nach den Berichten von deutschen und US-Medien über die möglichen Verantwortlichen für die Pipeline-Sprengungen in der Ostsee nehmen die offenen Fragen eher zu als ab.

Laut den Medienberichten soll eine pro-ukrainische Gruppe, bestehend aus fünf Männern und einer Frau, am 6. September 2022 von Rostock aus mit gefälschten Pässen eine Jacht gechartert und sich mit rund 500 Kilogramm Sprengstoff auf den Weg gemacht haben. Am 26. September wurden drei der vier Pipelines unter Wasser gesprengt und schwer beschädigt.

Neben vielen anderen Fragen werfen auch die mögliche Route und die in den Berichten genannten Orte Fragen auf.

So ist zum Beispiel unklar, an welchem Rostocker Hafen das Schiff festgemacht hat. Der Seehafen dürfte ausscheiden, wie Insider gegenüber der „Ostsee-Zeitung“ sagten. Er werde abgeriegelt und streng kontrolliert. Infrage kämen demnach Liegeplätze in Schmarl, Gehlsdorf oder im Fischereihafen. Dort sei es möglich, mit einem Lastwagen dicht an das Schiff heranzufahren, um es mit schwerer Ausrüstung zu beladen.

© Danish Defence Command/dpa

Nach Recherchen von ARD, SWR und „Zeit“ wurde das genutzte Boot von einer Firma zweier Ukrainer mit Sitz in Polen angemietet. Der „Spiegel“ wiederum schreibt, dass eine in Mecklenburg-Vorpommern ansässige Firma das Boot vermietet hat. Mit einem Lieferwagen soll die Ausrüstung und der Sprengstoff in den Rostocker Hafen transportiert worden sein.

Die gemietete Jacht sei am Ende ungereinigt zurückgegeben worden, hieß es in den Berichten von ARD, SWR und „Zeit“. Ermittler hätten in der Kabine später Sprengstoffspuren gefunden. Auch die Bundesanwaltschaft gab bekannt, möglicherweise das Schiff aufgespürt zu haben, mit dem die Täter den Sprengstoff transportierten.

Nach den Recherchen des dänischen Datenanalysten Oliver Alexander könnte es sich um die Segeljacht Bavaria Cruiser 50 handeln, die 15,57 Meter lang und für elf Passagiere ausgelegt ist. Sie zu mieten, kostet rund 3000 Euro pro Woche, wie er auf Twitter schreibt. Das deckt sich mit den Informationen in den Berichten am Dienstag. Die Jacht wird von einem Unternehmen in Rostock vermietet.

Doch auch hier wird es widersprüchlich: Den Medienberichten zufolge wurde die Jacht am Tag nach dem Auslaufen in Rostock in Wieck am Darß lokalisiert. Alexander zufolge ist es dort aber nicht tief genug für einen Bavaria Cruiser. Es müsse sich um eine Verwechslung mit Wiek bei Rügen handeln, „das tief genug ist und nicht so weit vom Weg abweicht“.

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Von einer Verwechslung geht auch der Wiecker Hafenmeister Martin Rurik aus. „Wiek auf Rügen würde mehr Sinn machen, wenn die gen Bornholm wollten“, sagte er gegenüber der „Ostsee-Zeitung“. Die Explosionen hatten sich im September 2022 nahe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm ereignet.

Tatsächlich müsste das Boot, um nach Wieck am Darß zu kommen, in den dortigen Bodden gefahren sein. Ein beträchtlicher Umweg, wenn man nach Bornholm will. Zudem ist der Bodden um Wieck insgesamt sehr flach mit vielen Sandbänken, auf denen das Wasser teilweise nur hüfttief ist. Wer unbemerkt unterwegs sein will, wird kaum in Kauf nehmen, auf einer Sandbank zu stranden.

Außerdem: Auch für den Kauf von Verpflegung ist Wieck wenig geeignet, weil es dort keine Geschäfte für Güter des täglichen Bedarfs gibt. Die sind mehrere Kilometer entfernt.

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An eine sechsköpfige Gruppe oder einen ungewöhnlichen Anlauf kann sich auch Hafenmeister Rurik nicht erinnern. Allerdings führe er keine Kontrollen der Gäste durch, sondern kassiere nur die Liegegebühren, wie er gegenüber der „Ostsee-Zeitung“ sagte.

Auch den offiziellen Stellen in Rostock ist nichts bekannt. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister will erst durch die Medienberichte erfahren haben, dass eine neue Spur der Nord-Stream-Sabotage nach Rostock führt, wie er der Zeitung erklärte.

Datenanalyst Alexander hat seine Zweifel an der Theorie, eine pro-ukrainische Gruppe habe die Explosionen verursacht. Denn dann würde man annehmen, dass nicht nur drei, sondern alle vier Röhren der Pipeline Ziel gewesen wären, schreibt er auf Twitter. Und: „Warum fuhren sie den Sprengstoff von Polen nach Deutschland und legten von dort ab, wo es in Polen einfacher und näher ist, ein Boot zu mieten?“

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