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Insgesamt 82 Demonstranten protestieren gegen den Besuch von Robert Habeck auf Rügen.

© IMAGO/Jens Koehler

Rügen wehrt sich gegen LNG-Pläne: „Wenn das Terminal kommt, ist das hier kein Urlaubsparadies mehr“

Die Ampel plant wegen der Gas-Krise ein Flüssigerdgas-Terminal auf Rügen. Doch der Widerstand ist groß. Am Freitag versuchte Habeck zu retten, was auf der Insel fast niemand will.

Robert Habeck kommt über die Nebenzufahrt in den Hafen von Mukran. So umgeht der grüne Wirtschaftsminister den lautstarken Protest. „Rügen gegen LNG“ haben ein paar Demonstranten auf ein großes Banner gedruckt, andere haben Plakate, auf denen „Kein LNG vor unserer Küste – öffnet Nord Stream 2“ oder „Kein Fracking-Gas vom Ami“ steht. Rund 100 Menschen sind gekommen, lärmen mit Trillerpfeifen, doch den Vizekanzler bekommen sie nicht zu Gesicht.

Seit Monaten ist Rügen in Aufruhr. Die Ampel plant wegen der Gas-Krise, das größte Flüssigerdgas-Terminal Europas auf der Urlaubsinsel zu bauen. Doch das Projekt, für das offiziell noch nicht einmal eine Standortwahl getroffen wurde, ist ins Stocken geraten.

Der Widerstand auf der Insel ist enorm, der Energiekonzern RWE hat sich zurückgezogen, Bundesregierung und die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern sind sich uneins. Am Freitag versucht Habeck zu retten, was auf der Insel fast niemand will.

Viel Aufwand für wenig Ertrag

Drei Stunden bevor der Minister mit dem Helikopter auf Rügen eintrifft, steht Daniel Hutter auf der Dachterrasse seines Hotels in Binz und zeigt mit dem Finger aufs Meer. Zwei große Schiffe liegen in der Binzer Bucht.

Vor dem Tagungsort demonstriert eine Bürgerinitiative gegen das geplante LNG-Terminal.

© dpa/Stefan Sauer

Ein Tanker aus den USA hat LNG an die Ostseeküste gebracht, in der Bucht wird es in kleine Schiffe verladen und nach Lubmin gebracht, wo es ins deutsche Gasnetz eingespeichert wird. Viel Aufwand für wenig Ertrag und so plant die Ampel ein leistungsfähigeres Terminal –voraussichtlich im Hafen von Mukran, vier Kilometer von Binz entfernt.

Wenn das Terminal kommt, ist das hier kein Urlaubsparadies mehr, sondern ein Industriestandort“

Daniel Hutter, Hotelier auf Rügen

„Wenn das Terminal kommt, ist das hier kein Urlaubsparadies mehr, sondern ein Industriestandort“, sagt Hutter. Mit seinen vier Hotels, 1250 Betten und rund 350 Mitarbeitern ist er der zweitgrößte Arbeitgeber der Insel – nach dem Krankenhaus in Bergen. „Wir sehen die wirtschaftlichen Grundlagen der ganzen Insel gefährdet“, sagt Hutter.

20 Prozent der Tourismus-Einnahmen von Mecklenburg-Vorpommern würden auf Rügen erwirtschaftet, davon ein Drittel in Binz. „Es wäre der Stoß ins Herz unserer Wirtschaft“, sagt Hutter.

Am Tourismus würden ja nicht nur seine Hotels hängen, auch die vielen Gastronomen, Zulieferer, Handwerker, die Tankstellen und der Einzelhandel würden von den Gästen profitieren. Schon jetzt beobachte er eine Zurückhaltung. Bei vielen Reservierungen gebe es Fragen und Sorgen wegen des LNG-Terminals.

Viele Inselbewohner bezweifeln den Gasmangel

Doch für die Sorgen von Hutter und der Inselbewohner scheint die Ampel wenig Verständnis zu haben. Ein Gespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz und Habeck vor drei Wochen in Binz konnte die Wogen nicht glätten. „Ich empfinde die Kommunikation als respektlos.“

Robert Habeck und Reinhard Meyer, Wirtschafts-, Tourismus- und Verkehrsminister von Mecklenburg-Vorpommern, geben nach einem Treffen auf der Insel Rügen eine Pressekonferenz.

© dpa/Stefan Sauer

Beim ersten Treffen sei es keine Sekunde um die Insel gegangen, stattdessen hätten Kanzler und Wirtschaftsminister von der Energieversorgung in Europa gesprochen, an die Solidarität appelliert und mögliche wirtschaftliche Folgen für die Wirtschaft in Ostdeutschland skizziert. Doch am angeblichen Gas-Mangel haben Hutter und viele Inselbewohner große Zweifel: „Es wird der Insel ein Projekt aufgezwungen, von dem wir wissen, dass wir es nicht brauchen.“

Drei Stunden später sitzen Hutter, Habeck, lokale Bürgermeister und Vertreter von Umweltverbänden im alten Fährterminal von Mukran zusammen. Der alte Industriehafen verkommt seit Jahren, ein paar wenige Fähren pendeln noch nach Trelleborg und Bornholm, ein Offshore-Windunternehmen gibt es, ansonsten herrscht Tristesse.

Bei Habecks Besuch demonstrierten Menschen gegen seine Pläne für Rügen.

© dpa/Stefan Sauer

Die Hafenbetreiber wittern ein lukratives Geschäft, sollte hier künftig Gas anlanden und mit einer Pipeline ins 50 Kilometer entfernte Lubmin gebracht werden. Die Rohre dafür hat der Bund bereits gekauft. Statt RWE soll die Deutsche Regas übernehmen, die bereits das erste Terminal in Lubmin privatwirtschaftlich betreibt.

Die Zeichen dafür verdichten sich am Freitag. „Wir brauchen weitere Kapazitäten“, sagt Habeck nach dem Treffen. Bislang sei nur ein Viertel des russischen Gases ersetzt worden.

„Die Versorgung von Ostdeutschland und der ostdeutschen Nachbarn ist damit noch lange nicht sichergestellt.“ Er hofft, dass es nun zu einer zeitnahen Entscheidung für Mukran kommt, bis zu zwölf Milliarden Kubikmeter Gas könnten dann jährlich anlanden.

Das geht jedoch nur, wenn Rügen im LNG-Beschleunigungsgesetz aufgenommen wird. Im Mai brauche es dafür einen Kabinettsbeschluss, noch vor dem Sommer müssten Bundestag und Bundesrat entscheiden. Nur dann gebe es eine Chance, dass noch im Winter Gas ankomme. „Garantiert werden kann das nicht“, sagt Habeck.

Das liegt auch am Zweifel der Landesregierung in Schwerin, die die Kommunalwahlen im Frühjahr 2024 fürchtet. „Der Bedarf muss nochmal exakt nachgewiesen werden“, sagt Umweltminister Till Backhaus. Es sei noch keine Entscheidung gefallen, betonte der SPD-Politiker.

Zudem gebe es naturschutzrechtliche Bedenken. „Wir werden sehr genau prüfen“, sagte Backhaus. Für Daniel Hutter und die Demonstranten ein Rest Hoffnung, für Habecks Pläne ein Restrisiko.

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