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 Vertreter von Greenpeace, Nabu, der Deutschen Umwelthilfe und der Klimaschutzbewegung Fridays for Future demonstrieren vor dem Bundeskanzleramt gegen geplanten Bau eines LNG-Terminals auf der Insel Rügen.

© dpa/Monika Skolimowska

Kampf gegen LNG-Terminal vor Rügen: Anwohner und Umweltschützer wüten – die Regierung mauert

Vor Rügen soll ein Terminal für Flüssigerdgas entstehen. Dagegen formiert sich seit Wochen Protest. Nun wurde im Bundestag über eine erfolgreiche Petition gegen das Projekt beraten.

Eine lange Schlange hat sich am Montagmittag an der Pforte des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses gebildet. Menschen mit Warnwesten, Schildern, teils auch Seemannsmützen drängen sich vor dem Eingang zu dem Bundestagsgebäude. Ihre Protestschilder und Westen müssen sie zwar abgeben, trotzdem wollen alle in Sitzungssaal 3.101. Denn dort, mit Blick auf die Spree, wird an diesem Mittag über die Zukunft Rügens verhandelt.

Seit Monaten herrscht Aufregung auf der Urlaubsinsel, weil die Bundesregierung dort ein weiteres Terminal für Flüssigerdgas (LNG) plant. Zahlreiche Demonstrationen gab es, zuletzt waren auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu Besuch.

Doch die Bedenken gegen den Standort bleiben, Tourismus und Natur würden unter der Gas-Infrastruktur leiden. Rund 95.000 Unterschriften hat eine Petition gegen die Pläne gesammelt – so viele, dass sich am Montag der Petitionsausschuss des Bundestages mit dem Thema befasst.

Man werde keinen abschließenden Beschluss treffen, sagt die Ausschussvorsitzende zu Beginn. Der Termin diene vor allem dem Erkenntnisgewinn. Alle paar Monate kommt der Ausschuss zusammen und berät über Petitionen, die mehr als 50.000 Unterschriften gesammelt haben.

Juso-Vorsitzender gegen Projekt von Scholz und Schwesig

Mal geht es um Geburtshilfestationen, mal die Freiheitsbewegung im Iran, mal um die Anerkennung indischer Adoptionen in Deutschland. An diesem Montag also LNG vor der Ostseeinsel Rügen.

Zahlreiche Zuschauer verfolgen auf der Tribüne die Sitzung des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag zum umstrittenen LNG-Terminal auf Rügen.
Zahlreiche Zuschauer verfolgen auf der Tribüne die Sitzung des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag zum umstrittenen LNG-Terminal auf Rügen.

© dpa/Monika Skolimowska

Eingebracht wird der Antrag von Petent Marvin Müller. Er ist Gemeindevertreter in Binz und auch Juso-Vorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern – dennoch geht er mit dem Vorhaben seiner Parteifreunde Scholz und von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hart ins Gericht. Der Eingriff in den Naturraum sei immens und wahrscheinlich irreparabel.

Nach einem Winter ohne russisches Gas sieht er zudem keine Notwendigkeit für das Vorhaben: „Es ist nicht nachvollziehbar, in einer derart sensiblen Region so ein Projekt umzusetzen, obwohl es keine ausreichenden Belege für eine Gasmangellage gibt“, sagt Müller.

Allein mit Terminals im Bereich der Nordsee können wir die Versorgung im Osten nicht zwingend gewährleisten.

 Staatssekretär Stefan Wenzel

Er bittet vor allem um mehr Zeit, um die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. „Wir befürchten, dass wir, wenn wir den Wesenskern der Demokratie, die Mitbestimmung, die Akzeptanz und Transparenz, aushöhlen, noch mehr Menschen für die Demokratie verlieren werden“, sagt Müller. Der Bundestag solle Rügen nicht als Standort in das LNG-Beschleunigungsgesetz aufnehmen.

Aus Protest gegen Terminals für Flüssigerdgas (LNG) klettern Aktivisten auf Rügen auf Pipeline-Röhren, die für den Bau einer solchen Anlage gedacht sind.
Aus Protest gegen Terminals für Flüssigerdgas (LNG) klettern Aktivisten auf Rügen auf Pipeline-Röhren, die für den Bau einer solchen Anlage gedacht sind.

© dpa/Stefan Sauer

Doch daran scheint das Wirtschaftsministerium festzuhalten. „Allein mit Terminals im Bereich der Nordsee können wir die Versorgung im Osten nicht zwingend gewährleisten“, sagt Staatssekretär Stefan Wenzel.

Der Krieg in der Ukraine sei leider noch nicht vorbei und das vorhandene, private LNG-Terminal vor Lubmin sei nicht so leistungsfähig wie angenommen. „Wir haben natürlich auch einen Vorsorgepuffer drin“, sagt der Grünen-Politiker über die Pläne der Regierung.

Wer will denn auf Rügen noch Urlaub machen, wenn hier Anschläge drohen.

 Karsten Schneider, Bürgermeister von Binz

Wenzel verweist auf Explosionen, Feuer und Cyberangriffe, die man im vergangenen Jahr auf Gas-Infrastruktur erlebt habe.

Dem Bürgermeister von Binz, Karsten Schneider, der die Anhörung von der Besuchertribüne verfolgt, bereitet diese Argumentation Sorge. „Wer will denn auf Rügen noch Urlaub machen, wenn hier Anschläge drohen“, sagt Schneider.

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Auch die Ankündigung Wenzels, dass das Terminal im Hafen Mukran später für grünen Wasserstoff und Ammoniak genutzt werden könne, überzeugt ihn nicht. „Damit verfestigen wir einen Industriestandort mitten auf einer Urlaubsinsel.“

Bald könnten noch mehr Stahlkolosse vor Binz auf Rügen unterwegs sein.
Bald könnten noch mehr Stahlkolosse vor Binz auf Rügen unterwegs sein.

© dpa/Jens Büttner

Noch gibt es Hoffnung für die LNG-Gegner auf Rügen. Das Vorhaben scheint ins Stocken geraten zu sein. Der Energiekonzern RWE will das Terminal offenbar nicht langfristig betreiben und auch im Kabinett ist die Novellierung des LNG-Beschleunigungsgesetzes bislang nicht beschlossen.

„Wir prüfen momentan alle Alternativen“, betont Wenzel am Montag. Die Landesregierung in Schwerin hatte zuletzt Zweifel am Standort geäußert, doch andere – wie vor Sellin oder 18 Kilometer vor der Küste – sind laut dem Staatsekretär noch schlechter geeignet. Noch hofft er, dass schon im Winter Flüssigerdgas an der Ostseeküste ankommt. Doch er habe auch Zweifel: „Wir kommen jetzt in zeitliche Verdrückung.“

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