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Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Kampfjet Tornado bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus.

© dpa/Bundeswehr/Andrea Bienert

Rüstungskonzern-Chef contra Scholz: „Taurus könnte ohne deutsche Beteiligung in der Ukraine eingesetzt werden“

Sein Veto gegen die Lieferung von Marschflugkörpern begründet der Kanzler damit, dass Bundeswehrsoldaten benötigt würden. Dieses und ein weiteres Argument lässt der Airbus-Defence-Boss nicht gelten.

Im Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren bittet die Ukraine die westlichen Verbündeten seit Monaten händeringend auch um weitreichende Waffen. Damit könnten die eigenen Truppen unter anderem den Nachschub der Armee von Machthaber Wladimir Putin erheblich stören und Kommandozentralen ausschalten, argumentiert die Regierung in Kiew. Ganz oben auf der Wunschliste des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj steht dabei der deutsche Marschflugkörper Taurus.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt bisher eine Lieferung des hochmodernen Waffensystems aus Beständen der Bundeswehr kategorisch ab, wofür er aus den Reihen der Ampelkoalition wiederholt kritisiert wurde. Er befürchtet, dass Deutschland bei Bereitstellung der Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern in den Krieg hineingezogen werden könnte. „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland“, lautet Scholz’ Argumentation.

Gäbe es den Willen für eine Lieferung, würde man technologische Lösungen finden, um den Taurus ohne deutsche Beteiligung in der Ukraine einzusetzen.

Michael Schöllhorn, Chef des Rüstungsunternehmens Airbus Defence and Space

Der Chef des Rüstungsunternehmens Airbus Defence and Space, Michael Schöllhorn, widerspricht nun der Aussage, dass für einen Einsatz deutscher Marschflugkörper in der Ukraine Einheiten der Bundeswehr nötig seien. „Gäbe es den Willen für eine Lieferung, würde man technologische Lösungen finden, um den Taurus ohne deutsche Beteiligung in der Ukraine einzusetzen“, sagte Schöllhorn dem „Spiegel“.

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Die Entscheidung des Kanzlers sei nicht technisch, sondern politisch begründet. „Aber ich kann die politischen Argumente nachvollziehen“, so Schöllhorn. Derzeit gilt nur ein Viertel der rund 600 Taurus-Marschflugkörper der Bundeswehr als sofort einsatzbereit. Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht.

Selenskyj hatte am Freitag auch mit Blick auf den Taurus gesagt: „Es ist absurd, wenn Partner Angst vor ihrer Stärke haben“, so der Präsident. „Je mehr Langstreckenwaffen unsere Soldaten in der Hand haben, desto näher ist der Frieden.“

Industrieboss Schöllhorn wies in dem Gespräch zudem die Auffassung des Kanzleramts zurück, wonach nur der Tornado-Jet mit dem Taurus bestückt werden kann, nicht aber der Eurofighter. Der Marschflugkörper wird von Kampfflugzeugen aus gestartet.

Mit dieser Begründung hatte die Bundesregierung die Idee ablehnt, Taurus-Systeme an Großbritannien abzugeben, damit London im Rahmen eines Ringtauschs weitere Storm-Shadow-Marschflugkörper aus seinen Beständen an Kiew liefern könnte. Die britische Armee fliegt den Eurofighter. Schöllhorn kündigte an, dass künftig auch der Eurofighter in der Lage sein werde, das weitreichende Waffensystem zu tragen. „Der Eurofighter kann den Taurus tragen.“

Schöllhorn weiter: „Vor fast zehn Jahren hat Airbus der Bundeswehr erstmals vorgeschlagen, den Taurus auch mit Eurofightern in die Luft zu bringen. Damals war das nicht gewünscht. Nicht nötig, hieß es, solange der Tornado noch fliegt“, sagte der Chef von Airbus Defence and Space. „Ich gehe nun davon aus, dass der Eurofighter für den Einsatz des Taurus zertifiziert werden wird.“

Schöllhorn forderte von der Bundesregierung zudem die rasche Bestellung weiterer rund 50 Eurofighter-Kampfjets. „Wir brauchen vor der Bundestagswahl eine verlässliche Zusage der Bundesregierung, dass die fünfte Tranche kommt. Sonst brechen uns die Zulieferbetriebe weg“, sagte er.

Diese schauten sich bereits heute nach alternativen Geschäftsfeldern etwa in der zivilen Luftfahrt um. „Die Bundesregierung muss Planungssicherheit schaffen, in Form von Bestellungen oder, idealerweise, langfristigen Abnahmegarantien. Davon hängt unsere Kriegstüchtigkeit ab, über die Verteidigungsminister Pistorius spricht.“

Schöllhorn warf der Bundesregierung vor, dass sie noch immer nicht die nötigen Konsequenzen aus der Zeitenwende gezogen habe. „Das Symbol war gut, aber die Umsetzung ist bis heute unzureichend. Wir tun zu wenig, wir sind zu langsam. In den Köpfen vieler ist die Zeitenwende noch nicht angekommen“, sagte er.

„Wer es ernst meint mit der Zeitenwende, muss die Verteidigung zur Top-Priorität erklären und die Rüstungsausgaben wie auch die Produktion im eigenen Land oder in Europa nachhaltig erhöhen.“ (lem)

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