zum Hauptinhalt
Verkehrsminister Andreas Scheuer sagt nicht, was die Maut-Pleite gekostet hat.

© Kay Nietfeld/dpa/AFP

Die Morgenlage aus der Hauptstadt: Scheuer reagiert auf Ultimatum – mit 32 Seiten voller Antworten

Die Grünen werden von der Leyen nicht wählen + Dritter Zitteranfall von Angela Merkel + Unser Nachrichtenüberblick am Morgen.

Die wichtigsten Nachrichten aus Politik und Wirtschaft ab 6 Uhr morgens in unserer Tagesspiegel Morgenlage. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen.

Worüber spricht die Hauptstadt? Die Chancen von Ursula von der Leyen. Stundenlang stand die Verteidigungsministerin gestern Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten in Brüssel Rede und Antwort, um für ihre Wahl zur Kommissionschefin zu werben. Von der Leyen lächelte viel, sprach in exzellentem Englisch, schien gut vorbereitet. Sie will den Handel mit CO2-Verschmutzungszertifikaten ausweiten, dem Parlament mehr Mitspracherechte geben und für einen Mindestlohn in jedem Land kämpfen. Sie bekannte sich auch zur Klimaneutralität bis 2050.

Doch bei den Grünen half das alles nichts: „Wir sehen nicht, wie der Wechsel mit dieser Kandidatin möglich ist“, sagt Fraktionschefin Keller. Auf die Unterstützung der Grünen kann von der Leyen also nicht zählen. Auch die SPD will ihr weiterhin die Stimme verweigern. Und die S&D-Fraktion, der die deutschen Sozialdemokraten angehören, hat sich noch nicht entschieden. Es könnte also knapp werden für von der Leyen in der kommenden Woche.

Worüber gibt es Sorge? Angela Merkel – und ihren dritten Zitteranfall binnen drei Wochen. Diesmal beim Empfang des finnischen Ministerpräsidenten Rinne. „Man muss sich keine Sorgen machen“, sagte die Kanzlerin hinterher. „Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass ich gut leistungsfähig bin.“ Diesmal lieferte sie auch eine Selbstdiagnose. Merkel begründet die letzten beiden Zitteranfälle mit der Erfahrung des ersten. Also mit einem psychologischen Effekt: Sie versucht krampfhaft die Wiederholung zu verhindern, dann passiert es gerade.

Merkel sagte außerdem, sie sei immer noch in der „Verarbeitungsphase“ des ersten Anfalls Mitte Juni. Heißt: Keine ernsthafte Erkrankung. Klar ist aber auch: Die Erfahrung dieses Kontrollverlusts ist an der Kanzlerin nicht spurlos vorüber gegangen. Und mit jedem Vorfall wird das Fragezeichen größer.

Wo brodelt es? Bei der AfD – dort tobt weiter der Machtkampf zwischen Radikalen und Gemäßigten. Mit seiner Attacke gegen den Bundesvorstand ist Björn Höcke offensichtlich zu weit gegangen. Nicht nur, dass mehr als 100 Funktionäre mit einem gemeinsamen Appell gegen ihn Front machten, auch sein alter Verbündeter Gauland geht auf Distanz. Der Parteichef sagt, er halte Höckes Rede vom vergangenen Wochenende für unangebracht, genauso wie den Fahneneinzug Höckes. Parteichef Meuthen äußerte Verständnis für den Unmut in der Partei, der „Personenkult“ um Höcke passe nicht zur AfD. Interessant wird es, wenn Höcke am Samstag beim Wahlkampfauftakt in Cottbus auftritt – angekündigt ist nämlich auch Meuthen. Hinter den Kulissen könnte es etwas ungemütlich werden.

Wer bekommt Gegenwind? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Er will unbedingt verhindern, dass in Bayern ein Atommüllendlager entsteht – und argumentiert dabei mit der Geologie. Bayern komme wegen seines Granitgesteins nicht in Frage, heißt es gern aus dem Freistaat. Wissenschaftler kritisieren jetzt, dass Söder sein Land vorzeitig aus dem Rennen nehmen will. Darunter ist Michael Sailer, der in der Endlagerkommission bis 2016 jene Arbeitsgruppe leitete, die für die technisch-wissenschaftlichen Entscheidungskriterien der Standortsuche zuständig war. Er sagte meinen Kollegen von Tagesspiegel Background: „Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage, Granitgestein aus dem Verfahren zu nehmen oder überhaupt eine Festlegung auf eine Gesteinsformation vorzunehmen.“ Auch andere Kollegen pflichten ihm bei: Für Deutschland gibt es bislang vergleichsweise wenig Forschung zu Granitgestein. Söder sollte sich also nicht zu früh freuen.

Was droht zu verjähren? Im Cum-Ex-Skandal, dem wohl größten Steuerraub in der deutschen Geschichte, bei dem Aktienbesitzer, Investoren und Banken durch das Hin- und Herschieben von Aktien vor Dividendenstichtagen den Staat massiv betrogen haben, könnten einige Straftaten folgenlos bleiben. Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre, die Geschäfte begannen 2008. Nach einer Vorlage des Bundesfinanzministeriums, die dem Tagesspiegel vorliegt, sind derzeit 499 Fälle anhängig mit einem Volumen an unzulässig erstatteter Kapitalertragssteuer von rund 5,5 Milliarden Euro. 81 Fälle mehr als noch im Vorjahr, doch für die Ermittler sind die komplexen Verfahren ein Wettlauf gegen die Zeit.

Die Drucksache des Tages? Die Antwort des Verkehrsministeriums auf die Maut-Anfrage der Grünen. Die hatten mit einem Untersuchungsausschuss gedroht, sollte Minister Scheuer nicht fristgerecht bis Mittwochnachmittag reagieren. Doch er hielt sich an das Ultimatum – 62 Fragen wurden auf 32 Seiten beantwortet. Fraglich ist nur, wie groß die Erkenntnis ist. Aus einer ersten Durchsicht der Antworten des BMVI, die Tagesspiegel Background vorliegen, ergeben sich nämlich keine neuen Anhaltspunkte für die voraussichtlichen Gesamtkosten der Maut-Pleite. Das Ministerium sieht auch keinen Fehler bei sich. Die Grünen wollen jetzt genau prüfen, ob Scheuer alle Fakten auf den Tisch gelegt hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false