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Im Plenarsaal wird erstmals über die Impfpflicht debattiert

© Geisler-Fotopress

„Sie reiten ein totes Pferd“: Debatte um Impfpflicht im Bundestag gestartet

Seit Monaten wird über die Impfpflicht für alle gestritten. Auf einen Nenner kommen die Parlamentarier:innen auch in der ersten Lesung nicht, im Gegenteil.

Zurück zur Tagesordnung. Der Vize-Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckart fällt es am Donnerstagmorgen sichtlich schwer, nach der eindringlichen Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an die Abgeordneten des Bundestags das übliche Programm abzuspulen.

Zum ersten Mal wird im Bundestag über die Impfpflicht debattiert. Nicht wenige Abgeordnete empfinden dies in Anbetracht der vorangegangenen Worte Selenskyis, in denen er auch scharfe Kritik an der Bundesrepublik übt, als Affront.

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Die Impfpflicht, vergleichsweise eine Lapalie? Allein, dass dies noch vor kurzem allerorts kontrovers diskutierte Thema völlig in den Hintergrund gerückt ist, zeigt, in welch schwierigen Zeiten wir uns gerade befinden.

Seit Monaten streitet die Politik über die Impfpflicht für alle, fünf parteiübergreifende Anträge und Gesetzentwürfe für oder gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht führen nun im Parlament zu hitzigen Diskussionen.

Eröffnet wird die Debatte von der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion Heike Baehrens. Sie hält ein Plädoyer für eine Impfpflicht ab 18 Jahren, dieser Gesetzentwurf wird von mehr als 200 Abgeordneten des Bundestags unterstützt.

Deutschland habe die europaweit höchste Inzidenz und das Virus sei nicht berechenbar, mahnt sie. „Ich wende mich hier an alle, die ernsthaft vorsorgen wollen, weil sie das Gemeinwohl im Blick haben.“

Hätte Deutschland bereits heute eine Impfquote von 90 Prozent, wären die Infektionszahlen nicht so hoch, erklärt die SPD-Politikerin. Begleitet wird ihr Redebeitrag von Gejohle und Buh-Rufen aus den Reihen der AfD, die Maske hängt dabei nicht selten auf halb acht.

Baehrens fordert insbesondere die Union auf, sich den Befürworter:innen anzuschließen, diese Option weist Unions-Politiker Sepp Müller jedoch direkt im Anschluss weit von sich.

„Sie reiten ein totes Pferd“

„Wie in vielen Punkten hat die Ampel hier keine Mehrheit. Zu diesem Zeitpunkt ist die Impfpflicht tot.“ Als tot bezeichnet auch AfD-Chefin Alice Weidel, die es von Beginn der Debatte an kaum auf ihrem Stuhl hält, die Impfpflicht.

„Sie reiten ein totes Pferd“, appelliert sie. „Bitte steigen sie ab.“ Die Impfpflicht würde anderen Zwangsmaßnahmen Tür und Tor öffnen, ist sie sich sicher. „Dann könnte man den Menschen doch alles aufzwängen, auch Zwangsdiäten für Übergewichtige.“

CDU-Politiker Tino Sorge argumentiert gegen eine Impfpflicht, weil es keine Gewähr dafür gebe, dass sie helfe, eine möglicherweise neue Coronavirus-Variante und die dagegen wirksamen Impfstoffe seien noch nicht bekannt.

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Neben diesen zwei Initiativen findet vor allem der Entwurf einer Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann für eine Beratungspflicht und dann eine mögliche Impfpflicht ab 50 Gehör.

Der Entwurf baue Brücken, verspricht er und wird dabei von dem SPD-Abgeordneten und Mediziner Herbert Wollmann unterstützt. „So eine Belastung des Gesundheitssystems wie zu Beginn der Pandemie darf es nie mehr geben, dagegen ist die Impfung das beste Mittel.

Aber vor allem Menschen über 50 leiden unter schweren Verläufen“, erklärt Wollmann in seiner ersten Rede im Bundestag und beruft sich auf die Unterstützung des Deutschen Ethikrats.

„Ich fordere meine Freiheit zurück“

Die Grünen-Abgeordnete Emilia Fester, die ebenfalls erstmals im Bundestag spricht, wird emotional. Seit zwei Jahren habe die 23-Jährige auf Vieles verzichtet: Uni, Clubbesuche, Auslandsreisen.

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„Das ist in Ordnung. Aber jetzt fordere ich den Payback. Ich fordere meine Freiheit zurück.“ Echte Freiheit gebe es nur mit einer Impfpflicht. „Kosmetische Eingriffe reichen nicht mehr.“

Karl Lauterbach spricht sich in der ersten Debatte im Bundestag für eine Impfpflicht aus.

© IMAGO/Christian Thiel

Zum Ende der Debatte hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Impfpflicht-Verfechter der ersten Stunde, das Wort. „Wir können die Pandemie zum ersten Mal für Deutschland beenden mit der Impfpflicht. Lassen Sie uns doch diese Gelegenheit ergreifen“, ruft er seine Zuhörer:innen auf. „Es geht nicht, das ganze Land wieder in Geiselhaft zu nehmen wegen Menschen, die wissenschaftliche Evidenz ablehnen.“

Nach der ersten Beratung im Parlament soll am kommenden Montag eine Experten-Anhörung stattfinden. Das Parlament will ohne die sonst üblichen Fraktionsvorgaben Anfang April eine Entscheidung treffen, bis dahin soll nach einem Kompromiss gesucht werden.

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