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Die Ampel will eine Strompreisbremse einführen.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa

Ampel will eine Preisbremse einführen: So soll der Strom wieder billiger werden

Die Koalition will Zufallsgewinne bei Erneuerbaren, Kohle und Atom abschöpfen. Energieexpertin Kemfert sieht die Preisbremse kritisch.

Es ist gleich der Punkt 1 in dem dreizehnseitigen Papier, in dem die Ampel-Koalitionäre am Sonntag ihre Einigung auf neue Entlastungen zusammengefasst haben. Er wird also von SPD, Grünen und FDP als besonders wichtig deklariert. „Maßnahmen auf dem Energiemarkt“ steht als Überschrift über der längeren Passage, die im Koalitionsausschuss seit Samstagmittag für einige Debatten gesorgt haben dürfte.

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Denn es geht darum, in den Strommarkt einzugreifen – mit Wirkung nicht zuletzt auch auf die Anbieter erneuerbarer Energien. Was nun als „umgekehrte EEG-Umlage“ eingeführt werden soll, ist nichts anderes als die Abschöpfung hoher Gewinne bei Stromanbietern, die nicht mit Gas produzieren.

Praktisch eine Art Übergewinnsteuer – aber weil die FDP eine solche strikt abgelehnt hat, wird der Schritt nun über einen Eingriff in die Marktordnung für Stromanbieter umgesetzt – Geld landet also nicht beim Staat, sondern wird zwischen Produzenten und Kunden neu verteilt.

Die Marktordnung beim Strom bezeichnete Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Sonntag als „paradox“. Im europäischen Strommarkt bestimmt immer die teuerste Variante der Stromerzeugung den Preis – derzeit also das Erdgas. Anbieter von Wind- und Solarenergie, die Kohleverstromer oder die Atomkraftwerksbetreiber nehmen damit viel Geld ein, obwohl sich ihre Produktionskosten gar nicht oder nur unwesentlich ändern. So entstehen hohe Profite bei ihnen.

Erlösobergrenze für Produzenten

Diese „Zufallsgewinne“ sollen nun beschränkt werden, indem die Produzenten billigeren Stroms eine „Erlösobergrenze“ gesetzt bekommen. Die Differenz zum höheren Großhandelspreis (der vom Preis für Gas bestimmt wird) soll dann über die Netzbetreiber verteilt werden, um die Stromkosten der Verbraucher zu deckeln. Die Ampel plant dafür eine „Strompreisbremse für den Basisverbrauch“.

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Eine bestimmte Menge Strom soll Privathaushalten sowie kleinen und mittleren Unternehmen „zu einem vergünstigten Preis gutgeschrieben werden“, wie es im Ampel-Papier heißt. „Die Haushalte werden so finanziell spürbar entlastet und gleichzeitig bleibt ein Anreiz zum Energiesparen erhalten.“

Lindner wollte am Sonntag keine konkrete Summe nennen, doch werde ein „zweistelliger Milliardenbetrag“ auf diesem Weg umverteilt. „Dieses Geld für einen solidarischen Beitrag für das Gemeinwohl zu nutzen und in die Senkung der Strompreise und die Dämpfung der Netzentgelte zu stecken, ist genau richtig“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

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Um die Bürger und Unternehmen nicht weiter zu belasten, wird zudem die eigentlich für den Jahreswechsel anstehende Erhöhung der CO2-Abgabe um fünf Euro pro Tonne im Brennstoffemissionshandel um ein Jahr auf den 1. Januar 2024 verschoben.

Umgekehrte EEG-Umlage

Zusätzlich gedämpft werden soll der Strompreis, indem aus den abgeschöpften Summen die ab Oktober drohende Steigerung der so genannten Netzentgelte für Sicherheitsmaßnahmen verringert wird. Für die Abwicklung sollen die etablierten Zahlungswege für die EEG-Umlage genutzt werden, die für Private zwar seit 1. Juli abgeschafft ist – aber nicht für Unternehmen.

Die 17 Milliarden Euro, die sich aufgrund steigender Strompreise auf dem EEG-Umlage-Konto angesammelt haben, sollen allerdings nicht in die Entlastung fließen.

Derzeit wird in Brüssel überlegt, wie man die paradoxe Situation am Strommarkt in den Griff bekommen kann. Laut Kanzler Olaf Scholz (SPD) will die Bundesregierung zwar zunächst darauf warten, was auf EU-Ebene beschlossen wird. Doch werde man auch „zügig“ national handeln, wenn es sein müsse.

Energieexpertin Kemfert: Strompreisdeckel setzt falsche Anreize

Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, sieht wesentliche Teile des von der Koalition geplanten Entlastungspakets kritisch. Die Strompreisbremse für den Grundverbrauch subventioniere indirekt den Stromverbrauch, „die Preise geben so nicht ausreichende Anreize zum Sparen“, sagte Kemfert dem Tagesspiegel. Das gelte noch mehr für Gas, daher sei sie froh, dass es wenigstens keine Gaspreisbremse gäbe.

Nicht die Preise müssten gedeckelt werden, sondern die Kosten. „Daher gehen die finanziellen Entlastungen prinzipiell in die richtige Richtung“, betonte Kemfert.

Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, plädiert für einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren und mahnt zum Energiesparen.
Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, plädiert für einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren und mahnt zum Energiesparen.

© imago images/Metodi Popow

Auch die Verschiebung der CO2-Bepreisung sei falsch und kontraproduktiv. „Wir sollten den Klimaschutz nicht nach hinten schieben, sondern er muss weiter fortgeführt werden“, sagte Kemfert. Deutschland müsse so schnell wie möglich von den fossilen Energien wegkommen hin zu einem verschärften Energiesparen, erneuerbaren Energien und der Verkehrswende.

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Kemfert plädiert für ein „Notfall Booster Programm“ für den schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien samt einem Booster Programm für Fachkräfte.

Dass sich die Ampel bei der Reform des Strommarkt-Designs und der damit verbundenen Gewinnabschöpfung für Energieunternehmen auf Europa konzentriert, hält Kemfert dagegen für richtig. Wichtig sei aber die richtige Ausgestaltung. „Erneuerbare Energien dürfen auf gar keinen Fall abgewürgt werden“, kritisierte die Energieexpertin.

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