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Logo der SPD beim Landesparteitag in Sachsen

© dpa/Jan Woitas

Sozialdemokraten: SPD stemmt sich gegen Untergang in Ostdeutschland

Vor den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stehen die Sozialdemokraten nicht gut da. Die SPD versucht, ein Debakel im Osten zu verhindern.

Vom Westen lässt sich die Ost-SPD schon länger nicht mehr alles sagen. Doch wenn es um den Stolz auf die eigene Herkunft und die massive Vertretung eigener Interessen geht, wollen sich die Sozialdemokraten in den neuen Ländern trotzdem ein Beispiel an einer Partei aus den alten Ländern nehmen, genauer gesagt: an einer aus Bayern. Bisher habe nur die CSU als Regionalpartei Anfang des Jahres Signale an die Bundespolitik gesandt, sagt Martin Dulig, der Ostbeauftragte der SPD, und prophezeit: „In Zukunft wird die Republik auch deutlich die Stimme der Ost-SPD hören.“

Wichtige Genossen aus den neuen Ländern, darunter Manuela Schwesig und Franziska Giffey, tagen am Freitag und Samstag in Schwante in Brandenburg, wo 1989 in der Endphase der DDR die Ost-SPD gegründet worden war. Das Jahresauftakttreffen soll zu einer Institution werden und „die Themen nach vorn stellen, die den Osten bewegen“ (Dulig). Der sächsische Wirtschaftsminister und SPD-Landesvorsitzende gibt große Ziele aus: „Mit neuem Selbstbewusstsein kann die ostdeutsche SPD viel bewegen.“

Das von Dulig beschworene Selbstbewusstsein hat die Ost-SPD dringend nötig. Denn im Herbst wählen die Sachsen, Thüringer und Brandenburger ihre Landtage. In allen drei Ländern ist die Lage für die SPD dramatisch, wenn man den Umfragen glaubt. Die sehen die Sozialdemokraten in Sachsen bei zehn Prozent, in Thüringen bei zwölf und in Brandenburg bei 21 bis 23 Prozent. Noch stellen sie in Potsdam den Ministerpräsidenten, doch die AfD hat gleichgezogen. In Sachsen sind die Rechtspopulisten rund eineinhalb mal so stark wie die SPD, in Thüringen doppelt so stark. „Im Osten droht die AfD die CDU als Volkspartei abzulösen, die SPD hat sie längst überholt“, sagt dazu Torsten Schneider-Haase vom Umfrageinstitut Emnid.

Trotz ihrer notorischen Strukturschwäche – nur 20.000 von 440.000 SPD-Mitgliedern kommen aus den Ländern, wenn man Berlin nicht mitzählt – regiert die SPD in allen ostdeutschen Ländern mit, in Potsdam und Schwerin stellt sie den Regierungschef. Mit starken Konkurrenten haben die Genossen zwischen Erzgebirge und Ostsee mehr Erfahrung als mancher Landesverband im Westen, der nun auch schlechte Wahlergebnisse einfährt. Aus der Tatsache, dass die Partei östlich der Elbe meist schlechter abschnitt als im Bund, ziehen manche nun Hoffnung. „Der Abstand zum Bundestrend wird kleiner“, sagt ein Ost-Genosse.

Brandenburg als Herzkammer in Ostdeutschland

Die Landesverbände, die den Wahlkampf stemmen müssen, stehen vor ähnlichen Problemen. Brandenburg galt lange Jahre als „Herzkammer“ der Sozialdemokratie in Ostdeutschland, seit 1990 von SPD-Ministerpräsidenten regiert. Doch inzwischen droht den Genossen auch hier der Einbruch. Seit der Landtagswahl 2014 reiht sich Niederlage an Niederlage, hat die SPD von damals 34 Prozent inzwischen in den Umfragen rund zehn Prozentpunkte eingebüßt. Die AfD unter Führung des Hardcore-Rechten Andreas Kalbitz liegt gleichauf. Der Landesverband von Ministerpräsident Dietmar Woidke, auch wegen der schwachen Regierungsbilanz angeschlagen, setzt bislang auf einen offensiven Anti-AfD-Wahlkampf. Am Dienstag schlug Woidke auf einem Empfang der Landtagsfraktion genau diese Töne an. „Wir dürfen das Land nicht denen überlassen, die Zwietracht und Hass säen, die spalten“, warnte er. Ein weiteres Erstarken der AfD werde dem Land massiv schaden. Die SPD stehe dagegen für Stabilität und für Zusammenhalt.

In Thüringen plagt die SPD ein besonderes Problem: Die Landes-AfD unter ihrem radikalisierten Sprecher Björn Höcke nimmt anders als viele westdeutsche Verbände soziale Themen sehr ernst, etwa die Rentenfrage. So macht nicht nur die Linkspartei, sondern auch die AfD der SPD auf dem Feld der Sozialpolitik Konkurrenz. Die kann immerhin darauf bauen, dass ihr Landeschef und Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee als wenig polarisierender Politiker beste Beliebtheitswerte aufweist.

Duligs Landesverband Sachsen erhält gerade Unterstützung von Spitzen-Genossen: Parteichefin Andrea Nahles, Generalsekretär Lars Klingbeil und Arbeitsminister Hubertus Heil absolvieren im Freistaat dieser Tage viele Termine – auf einer Bobbahn im Erzgebirge oder im VW-Werk in Zwickau. Das wirkt wie Vorwahlkampf. Die Genossen, die bei der letzten Landtagswahl 12,4 Prozent erreichten, wollen mit der CDU weiterregieren. Man erwarte „unklare Mehrheitsverhältnisse“, heißt es in der Dresdner Parteizentrale. Die SPD will sich dann als verlässliche Kraft präsentieren.

Dafür gibt Dulig den Kümmerer. Der SPD-Ostbeauftragte zeigt Verständnis für die Wendeverlierer mit den gebrochenen Lebensläufen. „Vielen Menschen geht es objektiv gut“, sagt die Leipziger Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe. „Aber sie haben das berechtigte Gefühl, ihre Lebensleistung werde nicht anerkannt.“ An diese Wähler richtet sich allerdings auch die AfD. Die Rechtspopulisten versuchen, die Abgehängten und Frustrierten anzusprechen. Dass auch die Sachsen-SPD die „Aufarbeitung der Nachwendezeit“ thematisiert, sei aber keine Reaktion auf AfD-Erfolge, sagt Kolbe: „Nicht alles, was in der ostdeutschen Politik passiert, hat mit der AfD zu tun.“

Von drei „entscheidenden Wahlen“ für den Osten und die SPD als Ganzes spricht Dulig, der die Klausur in Schwante als Auftakt für den Wahlkampf ansieht. Das Treffen solle helfen, „die Vorschläge bekannt zu machen, mit denen die ostdeutsche SPD die Wählerinnen und Wähler überzeugen kann“.

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