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Ein Parteitag als Bewährungsprobe in Krisenzeiten: Sigmar Gabriel benötigt bei seiner Wiederwahl als Parteichef mehr als die knapp 84 Prozent von vor zwei Jahren.

© dpa

SPD-Mitgliederbefragung zum Bundeswehreinsatz: Gabriels Vorschlag macht Abgeordnete zu Untergeordneten

Der SPD-Chef will bei der Frage von Krieg und Frieden erst die Mitglieder der Partei befragen. Das ist falsch. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Für SPD-Chef Sigmar Gabriel war die Mitgliederbefragung 2013 ein großer Erfolg. Als die Genossen darüber abgestimmt haben, ob sie als Juniorpartner in eine große Koalition gehen sollen, war das ein Wagnis. Eine Ablehnung hätte eine kleine Staatskrise auslösen können, selbst Neuwahlen wären nicht ausgeschlossen gewesen. Doch das Ergebnis war eindeutig und entsprechend selbstbewusst konnte die SPD und mit ihr Gabriel als Vizekanzler in die ersten Regierungsmonate gehen. Es war eine Entscheidung, die die Partei auch unmittelbar betroffen hat. Und Gabriel hat sich die größtmögliche Unterstützung geholt.

Verantwortung diffundiert

Doch taugt dieses Instrument auch bei der Frage, ob die Bundeswehr in einen direkten Kriegseinsatz ziehen soll? Nein. Die Einsätze werden vom Parlament beschlossen, von frei gewählten Abgeordneten. Sie repräsentieren die Meinung und die Zusammensetzung der Bevölkerung. Würden sich die Abgeordneten abhängig machen von dem Votum einer Mitgliederbefragung in einer Partei, würde dies an den Grundfesten der repräsentativen Demokratie mindestens kratzen, wenn nicht rütteln. Natürlich ist die Frage Krieg oder Frieden groß genug für eine Mitgliederbefragung. Und es ist jeder Partei unbenommen, eine solche Befragung durchzuführen. Nur kann diese höchstens den Charakter einer Empfehlung haben.

Wer entscheidet hier?

Und schon die würde schwer wiegen. Wie soll ein Abgeordneter noch frei beziehungsweise maximal der Fraktionsdisziplin unterliegend abstimmen, wenn er weiß, dass seine Partei, die ihn für ein Direktmandat oder eine Liste aufstellt, in einer Befragung mehrheitlich anders abgestimmt hat? Umgekehrt gilt das aber gleichermaßen. Abgeordnete müssen für ihre Entscheidung einstehen. Sie müssen sie vor ihren Wählern rechtfertigen. Bei einem bindenden Mitgliederentscheid würde man den Abgeordneten diese Aufgabe nehmen. Verantwortung würde sich in der Masse der Mitglieder auflösen. Sie diffundiert.

Parteien müssen sich damit abfinden, dass sich die reine Lehre selten bis ins Parlament durchkämpfen kann. Sie können aber von der Bevölkerung lernen. Denn die bringen mit ihrer Wahl den Abgeordneten Vertrauen entgegen. Das sollten Parteien auch tun. Denn die Ankündigung einer Mitgliederbefragung ist somit auch ein Misstrauensvotum für die eigenen Abgeordneten.

Vom Parteitag ins Netz

Wichtiger als eine konkrete bindende Mitgliederbefragung ist dagegen eine intensive und moderne Debatte – zum Beispiel über das Thema Krieg oder Frieden und den Einsatz der Bundeswehr. Das können Debatten auf einem Parteitag oder in den Gremien sein. Das können aber auch Debatten im Netz sein. In dieser Form erfüllen Parteien ihren Grundgesetzauftrag, indem sie zur Meinungsbildung beitragen.

Hinzu kommt der zeitliche Faktor. Denn mitunter muss eine solche Entscheidung schnell getroffen werden. Und wenn der Bundestag erst auf die SPD warten muss, ist das ein Problem. Vor allem, da sich die Partei mit digitalen Abstimmungswerkzeugen schwertut, wie sie am Freitag bei der Wahl von Sigmar Gabriel bewiesen hat.

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