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Die Atmosphäre zwischen dem Union-Lager mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Koalitionspartner SPD mit Vizekanzler Olaf Scholz wird schlechter.

© imago images/Bildgehege

SPD und CDU in der Coronakrise: Streit, Gipfel, Streit, Gipfel, Streit...

Die Nerven liegen blank. Schulöffnungen und Impfstoffbeschaffung: In den Parteien ist man sich uneins, in der Koalition wird der Ton gereizter.

Je schlechter es im Corona-Krisenmanagement läuft, desto angefasster wird die Stimmung gerade zwischen Union und SPD, das hat diese erste Woche des Jahres wie im Brennglas gezeigt. Hinzu kommt, dass die Schuldfrage bei Fehlern im begonnenen Wahljahr an Bedeutung beginnt.

„Wir hätten schon Mitte Oktober entscheidender und deutlicher handeln müssen“, sagte nun Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) RTL und n-tv. Ausdrücklich bezog er sich dabei auf die Ministerpräsidentenkonferenz am 14. Oktober, als die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geforderte schärferen Schutzmaßnahmen verhindert wurden, allerdings von SPD- wie CDU-Ministerpräsidenten. So sei der „Vorsprung, den wir den ganzen Sommer lang hatten“, aufgebraucht worden.

Besonders in der SPD wächst der Unmut, auch über Merkel und der Kanzleramtschef, der in den Sitzungen eine Art Protokollführer ist und versucht, Kompromissformeln zu finden. Deren Linie, Schulen und Kitas am besten ganz zuzumachen bis Ende Januar wollen längst nicht alle mittragen.

Aber auch die SPD-Regierungsseite ist verwundert, dass etwa Berlin für ältere Jahrgänge doch wieder die Schulen ab Montag öffnen will, Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das anders verstanden. Auch Mecklenburg-Vorpommern mit aktuell 103 Neuinfizierten je 100-000 Einwohner binnen sieben Tagen beharrt auf einem eigenen Weg.

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„Wir weichen bei Schule und Kita nicht von den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz ab, sondern handeln entsprechend den Regelungen“, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) dem Tagesspiegel. „Diese sehen sehr wohl vor, dass Abschlussklassen die Möglichkeit haben, ab kommender Woche wieder in den Präsenzunterricht zu gehen. Hier geht es vor allem um Lebenschancen junger Erwachsener.“

Merkel hatte Spahn bei Impfbeschaffung ausgebremst

Und sie steht zu dem in strengem Ton an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) adressierten Fragenkatalog, welche Versäumnisse es bei der Impfstoffbestellung gegeben habe. Zudem verwahrt sie sich gegen Aussagen, die Länder könnten die Impfdosen nicht schnell genug verimpfen. „Am 12. Januar öffnen unsere Impfzentren, die mobilen Impfteams bedienen zurzeit die Alten- und Pflegeheime. Wir könnten dabei deutlich schneller sein, wenn wir mehr Impfstoff zur Verfügung hätten.“

Wie angespannt intern die Stimmung inzwischen ist, was auch der Kommunikation Richtung Bürger nicht hilft, zeigen die internen Debatten um das Impfstoffthema. Ausgangspunkt war in der jüngsten Schalte ein Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU), der ein ausdrückliches Begrüßen der Impfstoffstrategie der Europäischen Kommission in den Beschlusstext aufnehmen wollte, aber auch Fehler einräumte. Merkel sagte schließlich Richtung Ministerpräsidenten: „Wenn ich mal auspacken würde, was in dieser Runde im Rückblick für Fehler gemacht worden sind.“

Einige vermuteten in Laschets Intervention mit dem Werben für ein Lob der EU-Initiative vor allem ein Entschärfungsmanöver in dem durch die „Bild“-Zeitung publik gewordenen Konflikt zwischen Merkel und Spahn, die im Juni dessen Versuch, mit den Amtskollegen aus Frankreich, Italien und den Niederlanden große Mengen des damals besonders aussichtsreichen Impfstoffes von AstraZeneca zu sichern, ausbremste. Die vier Minister übertrugen daraufhin in einem Schreiben der EU-Kommission das Mandat für die Beschaffung.

Schwesig wollte aber nicht einfach so diese Strategie mit einer zu geringen Bestellung des Impfstoffes von Biontech/Pfizer durchwinken. Was wiederum zu einer harschen Reaktion des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann führte: „Wollt Ihr das allen Ernstes nicht unterschreiben?“, fragte der Grünen-Politiker die SPD-Kollegen.

Nicht ausgeschlossen, dass Spahn Kanzlerkandidat wird

Die hatten sich aber mit dem Fragenkatalog, der indirekt auch die Frage aufwarf, ob die Europapartei SPD lieber einen nationalen Alleingang gesehen hätte, taktisch ein Bein gestellt. Die Idee war in der Ministerpräsidentenriege entstanden, der Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Scholz trug es notgedrungen mit.

Das wiederum zeigt, dass Scholz bisweilen die Beinfreiheit fehlen könnte, solche Aktionen zu vermeiden, die vielleicht das Profil schärfen. Aber die Bürger wollen eher Lösungen als Debatten, wer welche Fehler gemacht hat.

Vielen Sozialdemokraten stößt auf, dass gerade Spahn oft zu positiv wegkomme – es ist ja nicht ausgeschlossen, dass er Kanzlerkandidat werden könnte, wenn Laschet die Wahl um den CDU-Vorsitz gewinnen sollte. Aber bei allen Schwarze-Peter-Spielen hat der Streit auch etwas Fruchtbares gezeitigt: Es gibt nun viel mehr Bewegung, was die Beschaffung von mehr Dosen und erhöhte Produktionskapazitäten betrifft.

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