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Deutsche Patriot-Abwehrraketen schützen den Flughafen und den Nato-Gipfel von Vilnius.

© Reuters/Janis Laizans

Stark, stärker, Nato?: Das Bündnis ist nicht nur von außen bedroht

Der Gipfel von Vilnius wird eine politisch-militärische Machtdemonstration gegenüber Russland werden. Die Zukunft der westlichen Allianz aber dürfte sich in ihrem Innern entscheiden.

Ein Kommentar von Christopher Ziedler

An Symbolik fehlt es nicht beim Nato-Gipfel diese Woche in Litauens Hauptstadt. Das Treffen auf einst sowjetischem Boden soll die klare Botschaft an Kremlchef Wladimir Putin liefern, dass er die freie Bündniswahl jeden Landes zu respektieren hat und die Allianz im Ernstfall jeden noch so kleinen Mitgliedstaat verteidigt.

Mit der Geschlossenheit und Stärke, die die Nato nun in Vilnius demonstrativ zur Schau stellen wird, war vor gar nicht allzu langer Zeit noch nicht zu rechnen. So „hirntot“ und „obsolet“, wie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump die Allianz einst beschrieben, war sie zwar nie. Schließlich wurde die Rückbesinnung auf die Bündnisverteidigung und die finanzielle Aufrüstung schon nach der Krim-Annexion 2014 vereinbart.

Deutschlands Zeitenwende kam spät

Deutschland aber ist das beste Beispiel dafür, wie erst nach Russlands Überfall auf die ganze Ukraine wirklich ernst gemacht wurde mit der Zeitenwende.

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Militärisch steht die Allianz jetzt so kraftvoll da wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Schon vor Gipfelbeginn hat sie sich verständigt, dass für die Verteidigung künftig zwei Prozent der Wirtschaftsleistung das Minimum sein werden.

Joe Biden, Olaf Scholz & Co. werden neue Verteidigungspläne absegnen, die im Ernstfall künftig von 300.000 kurzfristig einsatzbereiten Soldatinnen und Soldaten umgesetzt würden – viel mehr als bisher.

Putin schweißt zusammen

Das hat sich Putin selbst zuzuschreiben. Seine imperialistische Unberechenbarkeit ist die größte Bedrohung für die Nato und zugleich ihr größter Einiger. Seine Taten haben die Nato neu zusammengeschweißt und für weitere Mitglieder attraktiv gemacht.

Gut möglich, dass mit ein bisschen Verhandlungsdrama und zusätzlicher US-Militärhilfe für die Türkei deren Präsident Recep Tayyip Erdogan bei diesem Gipfel endlich den Weg für Schweden freimacht.

Auch die Ukraine, deren Widerstandskraft Moskaus Machthaber ebenso falsch eingeschätzt hat, wird weiter mit Waffen unterstützt und näher an die Allianz herangeführt, wenn auch noch nicht aufgenommen. Ein Land im Krieg beitreten zu lassen und damit selbst Kriegspartei zu werden ist noch einmal etwas ganz anderes als Abschreckung – und bei aller Stärke zu Recht eine rote Linie.

300.000
statt bisher 40.000 Soldatinnen und Soldaten kann die Nato künftig kurzfristig einsetzen.

Gegen die Bedrohung von außen scheint die Nato somit besser gewappnet als in den Vorjahren. Die Verteidigungsbereitschaft wird zudem in den kommenden Jahren, wenn peu à peu neu bestellte Waffensysteme beispielsweise bei der Bundeswehr eintreffen, kontinuierlich zunehmen.

Moskaus Trollfabriken wirken

Die Bedrohung von innen wird dagegen unterschätzt. Viele westliche Gesellschaften polarisieren sich immer stärker, es profitieren jene, denen an guter internationaler Kooperation wenig liegt. Muss man mehr sagen als Trump, Brexit und Viktor Orban?

In Frankreich, im Vorjahr knapp dem Albtraum Marine Le Pen entgangen, gibt es Unruhen. Und im stets so stabilen Deutschland kann mit dem Höhenflug der AfD gerade auch niemand seine Hand dafür ins Feuer legen, dass die Stabilität ewig währt.

Die jeweiligen innenpolitischen Konflikte werden von Putins Diensten und Trollfabriken befeuert. Schon lang gehört es zu Moskaus Agenda, Zwietracht zu säen. Versuchte Einflussnahmen bei der US-Wahl und dem britischen Austrittsvotum 2016 sind dokumentiert. Verfassungsschutzberichte sind voll davon. Putins Gift wirkt.

Das heißt nicht, dass ohne Kreml-Propaganda alles gut wäre. Es ist Wesensmerkmal des Populismus, dass er reale Probleme und Ungerechtigkeiten ausschlachtet. Zur wehrhaften Demokratie gehören daher auch gute Bildungs- und Sozialsysteme.

Eine bessere Digitalpolitik tut Not: Es muss Schluss damit sein, dass Algorithmen von Facebook oder Twitter Konfliktträchtiges stärker verbreiten als Zusammenführendes.

Am sozialen Frieden hängt die Zukunft der Nato langfristig. Kurzfristig geht es mit der Machtdemonstration von Vilnius darum, den wortwörtlichen Frieden im Bündnis zu bewahren und ihn der Ukraine zu bringen.

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