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© dpa

Auftritt in Wolfsburg: Steinmeier: Der Autokanzlerkandidat

Erst Opel, jetzt Volkswagen: Frank-Walter Steinmeier will jetzt als Krisenhelfer der Kfz-Industrie punkten.

Es riecht noch nach Arbeit, sie haben die Felgenpresse erst kurz zuvor angehalten. Dienstagmorgen, Halle 11 bei VW in Wolfsburg. 18.000 Mitarbeiter sollen gekommen sein zur Betriebsversammlung, fast die gesamte Belegschaft einer Schicht. Links vom Podium steht der neue Golf, an langen Tischen sitzt die VW-Spitze, dazu spielt das werkseigene Blasorchester Abba: „The winner takes it all“. Es ist die perfekte Bühne für einen, der die Nachfolge des Autokanzlers Gerhard Schröder antreten will und seinen Vorwahlkampf konsequent als Autokanzlerkandidat führt.

Frank-Walter Steinmeier und die SPD als Schutzmacht der deutschen Autoindustrie: Der Opel-Belegschaft in Rüsselsheim hat der Vizekanzler und Außenminister kürzlich Rettung in größter Not in Aussicht gestellt – und sei es per Staatsbeteiligung. Jetzt hoffen die Männer und Frauen in Halle 11, dass der „liebe Frank-Walter“, wie Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh den Gast begrüßt, auch ihnen gute Nachrichten mitgebracht hat. Steinmeier wird sie nicht enttäuschen.

Dass es VW im Vergleich zur Rüsselsheimer Konkurrenz noch sehr gut geht in der Krise, das hat der Konzern, glaubt man Osterloh, ohnehin zu einem wesentlichen Teil Steinmeier zu verdanken. Der frühere Kanzleramtschef habe das VW-Gesetz „in jahrelangem Einsatz“ gegen die Brüsseler EU-Komission verteidigt, also dafür gesorgt, dass das Land Niedersachsen weiter mit einer 20-prozentigen Sperrminorität an dem Unternehmen beteiligt sein darf. Darin wiederum sehen sie in Wolfsburg die Grundlage für jedes erfolgreiche Wirtschaften. Außerdem ist Kandidat Steinmeier in den Augen von Osterloh so etwas wie der geistige Vater der Abwrackprämie, dem es „ganz herzlich zu danken“ gilt, hat er das Instrument doch gegen Widerstände in der Koalition durchgesetzt und Volkswagen mit seinem „schnellen und umsichtigen Handeln“ vor weiterer Kurzarbeit bewahrt.

Zehn Minuten spricht Osterloh, dann schmeichelt Steinmeier zurück. Die VW-Mitarbeiter spricht er als „liebe Kolleginnen und Kollegen“ an, dankt für ihren „hervorragenden Job“, beschwört den Mythos Volkswagen vom Käfer bis heute und sagt dem Unternehmen eine glorreiche Zukunft voraus: „Ihr werdet hier in Wolfsburg noch die Autos für unsere Enkel und Urenkel produzieren.“

Es mag an der überaus freundlichen Begrüßung in Wolfsburg liegen, oder am Gefühl, endlich ein Gewinnerthema für sich entdeckt zu haben – jedenfalls macht SPD-Spitzenkandidat Steinmeier, der als Redner oft dröge, bisweilen gehemmt wirkt, einen vergleichsweise gelösten Eindruck. Je länger er spricht, desto besser wird er, und manchmal lässt er sogar den Schröder raus. In der Finanzwirtschaft müssten wieder Vernunft und Verantwortung gelten, röhrt Steinmeier in die riesige Werkshalle: „Dafür müssen wir sorgen. Ich will dafür sorgen.“ So hätte der Autokanzler das auch gesagt.

Bevor Steinmeier sein Bekenntnis zur Autobranche im Allgemeinen („ Deutschland ist so etwas wie das Silicon Valley der Autoindustrie“) und zu Opel im Besonderen („Opel darf nicht sterben“) ablegt, wartet er mit seinem Geschenk an die VW-Belegschaft auf. Es ist zugleich ein Nadelstich gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Steinmeier verspricht, sich in der großen Koalition für eine Verlängerung der Abwrackprämie einzusetzen, um einen Absatzeinbruch zu verhindern. „Viele im politischen Berlin sind im Prinzip gegen die Umweltprämie“, obwohl etwa der neue Golf auch wegen der Prämie laufe „wie geschnitten Brot“. Er sei dagegen der Meinung, dass „wir auf das einzige Instrument in der Automobilbranche nicht sang- und klanglos verzichten können“. In diesem Sinne werde er „die Diskussion in Berlin weiterführen“.

Die Kanzlerin wird das nicht gerne vernommen haben. Steinmeier hat sie nach seiner Hilfszusage bei Opel erneut unter Zugzwang gesetzt. Kaum vorstellbar, dass sie sich jetzt noch für ein Auslaufen der populären Abwrackprämie aussprechen wird. Zumindest im Kampf um die Sympathien der Beschäftigten in der Automobilindustrie liegt Steinmeier derzeit vorn. Und bisher spricht nichts dafür, dass dies anders werden könnte, wenn die Kanzlerin Ende März die Opel-Betriebsversammlung in Rüsselsheim besucht.

Ihr Herausforderer wirkt nach seiner Rede bei Volkswagen jedenfalls optimistisch wie lange nicht. Sein Schluss-Appell an die Belegschaft soll auch für ihn und die SPD gelten: „Lasst uns dafür sorgen, dass wir stärker aus der Krise hinausgehen, als wir hineingegangen sind.“

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