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Wer schon Betreuungsgeld bezieht, genießt Bestandsschutz. Die Hilfe wird weiter gezahlt.

© Patrick Seeger/dpa

Streit ums Betreuungsgeld: Die Milliarden-Frage

Das Verfassungsgericht hat das Betreuungsgeld gekippt - nun streitet die Koalition über die Verwendung der Bundesmittel. Auch in den Ländern wachsen die Begehrlichkeiten.

Von Robert Birnbaum

Die bayerische Beamtenschaft hält sich auf Korrektheit viel zugute. Und die zentrale Anlaufstelle des Freistaats für Familien- und Sozialleistungen macht da keine Ausnahme. Am Dienstag hat Horst Seehofer lautstark versichert, in Bayern werde es beim Betreuungsgeld bleiben, Karlsruhe hin oder her. Doch wer im Vertrauen auf den Ministerpräsidenten und CSU-Chef am Mittwoch das Servicetelefon des "Zentrum Bayern Familie und Soziales" (ZBFS) unter dem Stichwort Betreuungsgeld anwählt, den speist ein Anrufbeantworter kurz ab: Das Bundesverfassungsgericht habe die Leistung für nichtig erklärt – "im Moment" seien keine weiteren Auskünfte möglich.

Der Moment wird noch eine ganze Weile dauern, zumal in der Politik gerade die Sommerpause beginnt. Eltern mit gültigem Betreuungsgeld-Bescheid kann das egal sein – sie bekommen die 150 Euro für nicht in staatlichen Kitas betreute Kleinkinder weiter. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) muss zwar auch dafür erst noch eine formal korrekte Rechtsgrundlage schaffen, doch die soll bis Mitte August vorliegen. Für diese Altfälle soll die vom Gericht gekippte Leistung bis zum regulär geplanten Ablauf, maximal bis zum 36. Lebensmonat des Kindes, fließen.

Begehrlichkeiten von allen Seiten

Unklar ist, wie die Politik mit schon gestellten, aber nicht bearbeiteten Anträgen umgeht. Das sei, sagt eine Sprecherin Schwesigs, noch nicht entschieden. Denkbar ist auch hier eine Vertrauensschutzregelung. Schließlich konnten Eltern bis Anfang der Woche fest mit der Hilfe aus der Bundeskasse rechnen.

Damit rechnen konnten bisher auch die Länder – und damit fängt neuer Ärger an. Seehofer hat schon wissen lassen, dass er ein landeseigenes Betreuungsgeld keineswegs aus Landesmitteln zahlen will. Auch aus anderen Ländern kommen Begehrlichkeiten. Es geht schließlich um eine hübsche Summe – rund 900 Millionen Euro in diesem Jahr, und ab 2016 hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble pro Jahr eine Milliarde Euro eingeplant.

Was damit künftig passieren soll, ist unklar. Immerhin scheint in der großen Koalition so weit Einigkeit zu herrschen, dass die Gelder nicht einfach zurück in Schäubles Haushaltstopf fallen, sondern weiter für Kinderbetreuung verwendet werden. Schwesig und etliche SPD-regierte Länder würden sie jetzt gerne auf die sechs Milliarden Euro aufschlagen, die der Bund gemäß der Koalitionsvereinbarung schon zum Ausbau von Kindertagesstätten zuschießt. Wenn die Bayern an der "Herdprämie" festhalten wollten, bitte, aber nicht auf Bundeskosten.

Die CSU sieht das ganz und gar anders. Seehofer hat umgehend die gesamten Mittel reklamiert und zugleich seine Sozialministerin Emilia Müller angewiesen, ein Landes-Betreuungsgeldgesetz zu entwerfen. Sein Generalsekretär Andreas Scheuer versuchte den Anspruch auf Bundesmittel mit dem Hinweis auf den Koalitionsvertrag zu untermauern. Tatsächlich steht das Betreuungsgeld in solch einem Vertrag, allerdings nur im längst abgelaufenen schwarz-gelben – die aktuelle Vereinbarung erwähnt das Betreuungsgeld gar nicht.

Chefsache?

Schließlich war es damals schon in Kraft. Dass man ein geltendes Gesetz nicht abschaffen will, musste nicht extra aufgeschrieben werden. So oder so müssen sich die Koalitionäre einigen, wie es weitergehen soll. In der CSU rechnen sie damit, dass die Chefs ranmüssen – ein nicht ganz uneigennütziges Kalkül, weil Seehofers Doppelrolle als Landes- und Parteichef bei solchen Gipfeln bestens zur Geltung kommen kann.

Wie man es hinkriegen könnte, die Bundes-Milliarden in die Landeskassen zu lenken, ist allerdings noch völlig offen. Sie einfach weiterfließen lassen, geht nicht. Schließlich hatten die Karlsruher Richter den Bund ja ausdrücklich für unzuständig beim Betreuungsgeld erklärt. Also müssten die Mittel über Umwege an die Länder gehen. Aber selbst das "Ob", betont am Mittwoch Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz, sei offen und werde "im politischen Prozess geklärt". Nach der Sommerpause, im September.

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