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Bundesfinanzminister Christian Lindner.

© Foto: Imago/Political-Moments

Subventionen, Vergünstigungen, Zinslasten: Wo die Ampel jetzt noch mehr Geld finden könnte

Die Koalition streitet sich weiter über den Etat. Finanzminister Lindner hat den Kabinettstermin verschoben. Wo gibt es jetzt noch Spielräume?

„Mehr Tempo“ hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst vor wenigen Tagen nach der Klausur seines Kabinetts auf Schloss Meseberg versprochen. Das bezog sich zwar auf Digitalisierung und Energiewende, konkrete Haushaltsverhandlungen wurden im brandenburgischen Gästehaus der Regierung gar nicht geführt. Mindestens unglücklich sieht es aber aus, dass sein Finanzminister Christian Lindner (FDP) noch in derselben Woche die Vorstellung der Eckwerte für den nächsten Etat nicht vorzieht, sondern ohne neuen Termin vertagt.

Am kommenden Mittwoch hätten sie eigentlich vom Kabinett beschlossen werden sollen. Doch die Vorstellungen zum Bundeshaushalt 2024, seit Wochen Streitobjekt in der Ampelkoalition, liegen noch sehr weit auseinander.

„Wir werden im Kabinett noch einmal gemeinsam über finanzielle Realitäten sprechen müssen“, erklärte Lindner zu der Verschiebung. Eine Sprecherin seines Ministeriums ergänzte am Freitag, „dass diese Haushaltsverhandlungen die schwierigsten sind, die es seit über zehn Jahren gab und dass die Spielräume entsprechend eng sind“.

Da hilft es wenig, dass auch Vorgängerregierungen schon Vorstellungstermine für die Etateckwerte verschieben mussten und SPD-Fraktionsvize Achim Post Zuversicht verbreitet. „Ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung einen guten Entwurf beschließen und dem Parlament im Frühsommer zuleiten wird“, sagte er am Freitag dem Tagesspiegel: „Nach den anschließenden parlamentarischen Beratungen wird die Ampel-Koalition im November diesen Jahres den Bundeshaushalt 2024 verabschieden – dieser Zeitplan steht auch weiterhin.“

„Die Etatfrage ist schwierig und nicht schnell lösbar“

Der für die Haushaltspolitik zuständige Sozialdemokrat weiß aber auch, „dass die Aufstellung des Bundeshaushaltes 2024 eine große Herausforderung wird“, weil er viele Vorhaben zu finanzieren hat, so etwa „der Zeitenwende gerecht zu werden, den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zu stärken und Zukunftsprojekte wie die Transformation der Wirtschaft zu fördern“. In Regierungskreisen wird die Etatfrage als „schwierig und nicht schnell lösbar“ bezeichnet. Klar ist, dass Lindners erstes Zahlentableau, über das er in den vergangenen Tagen mit allen Kabinettsmitgliedern in sogenannten „Beichtstuhlgesprächen“ verhandelt hat, noch nicht konsensfähig ist.

Es geht dabei nicht nur um den nächsten Etat. Zu den Eckwerten gehört auch die Finanzplanung bis 2027, die in Grundzügen bestimmt, wie der Bund bis dahin haushaltet – Ausgaben, Einnahmen, Neuverschuldung, Investitionen. Dass sich die Grünen zuletzt so vehement für ihr Projekt der Kindergrundsicherung eingesetzt haben, hängt mit dieser Fernplanung zusammen. Denn das Vorhaben startet laut Koalitionsvertrag erst 2025. Dasselbe gilt für das Entwicklungsministerium, das für längerfristige Projekte eine stabile Finanzierung braucht – und als Instrument der Krisenprävention auch nicht ganz vom größeren Plus im Wehretat abgekoppelt werden will.

Lindner hat drei Vorbedingungen gestellt für dieses Etatverfahren: Ausstieg aus der expansiven Ausgabenpolitik der Krisenjahre, Einhaltung der Schuldenbremse, Rücksichtnahme auf die Zinswende. Das Planvolumen 2024 liegt vorerst bei 424 Milliarden Euro, die Ausgabenwünsche aller Ressorts zusammen würden es auf fast 500 Milliarden heben.

Also bremst Lindner, denn diese Summe wäre nach heutigem Stand wohl nur durch mehr neue Kredite oder Steuererhöhungen zu stemmen – obwohl mit besseren Steuereinnahmen zu rechnen ist aufgrund der Inflation (via Umsatzsteuer) und steigender Löhne (via Einkommensteuer). Er hat zuletzt immer wieder massiv darauf gedrungen, dass die Ampel stärker gewichten muss, was ihr wirklich wichtig ist, weil es „ein strukturelles Problem bei den Ausgaben“ gebe, wie er diese Woche auf Twitter schrieb: „An Prioritätensetzung führt kein Weg vorbei.“

Es muss also nach Spielräumen im Etat gesucht werden. Das ist freilich unbeliebt bei den Ressortministern, bedeutet es doch, selber Vorschläge machen zu müssen (oder die des Finanzministeriums zu akzeptieren), worauf gegebenenfalls verzichtet werden kann. Damit verbunden ist das Eingeständnis, dass der eigene Etat eigentlich zu prall gefüllt ist.

Wo aber könnten Spielräume entstehen? Ein Punkt, den auch der Bundesrechnungshof gerne anspricht, sind die vielfältigen Subventionen im Etat. Die Grünen und das Umweltbundesamt singen seit Jahren das Lied von den klimaschädlichen Subventionen, die je nach Auflistung ein Volumen zwischen 30 und 65 Milliarden Euro ausmachen. Zuletzt hat die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, empfohlen, hier anzusetzen. Mit der Begründung, dies würde „die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft“ unterstützen.

Weniger klimaschädliche Subventionen würden die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft stützen.

Monika Schnitzer, Wirtschaftsweise

Fette Beute ließe sich vor allem bei der Steuervergünstigung für Diesel (acht Milliarden Euro) und Kerosin (acht Milliarden Euro) oder bei der Entfernungspauschale (sechs Milliarden Euro) machen. Drei Milliarden Euro brächte das Ende der Pauschalbesteuerung von Dienstwagen.

Würden alle Vergünstigungen im Energiebereich gestrichen, könnte Lindner etwa 25 Milliarden Euro neu verteilen. Aber in allen Fällen ist die Zahl der Betroffenen groß – und die Neigung, hier massiv heranzugehen, entsprechend gering. Aber mit gezielten Maßnahmen könnte die Ampel gewisse Spielräume schaffen. Müssen denn als Dienstwagen genutzte E-Autos noch zusätzlich gefördert werden? Oder kann man die halbe Milliarde Euro anders verwenden?

Viel Potenzial im Energiebereich

Stärker belasten könnte die Ampel die Landwirtschaft. Die Steuerbefreiung von Zugmaschinen und die Subventionierung von Agrardiesel machen zusammen fast eine Milliarde Euro aus. Noch deutlich mehr wäre zu holen, wenn man den Anwendungsbereich des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes durchforsten würde – bei Kulturveranstaltungen oder in der Gastronomie.

Dass die Steuer auf Handwerkerrechnungen für Leistungen in privaten Haushalten ermäßigt wird – muss das sein? Sonntags- und Nachtarbeit ist steuerbefreit – dafür verzichtet der Staat auf 1,5 Milliarden Euro. Spätestens hier wird klar, dass der Aufschrei bei allen diesen Maßnahmen laut sein wird. Aber Potenzial für Spielräume steckt in den Steuersubventionen.

So wie auch in der fast unüberschaubaren Förderkulisse, welche der Bund in allen Lebensbereichen aufgebaut hat. Denn oft liegt das „Soll“ weit über dem „Ist“ am Jahresende. Da ließe sich manche Milliarde von vornherein anders verplanen. Ein Beispiel: Die Bundesförderung für effiziente Gebäude, so gut es klingt, bleibt Jahr für Jahr unter Plan.

Unüberschaubare Förderprogramme

Und in den großen Nebentöpfen des Bundes herrscht ebenfalls oft eine Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, die sich zum Zwecke der Priorisierung verringern ließe. Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) etwa, der bis vor Kurzem noch Energie- und Klimafonds hieß, leidet seit Jahren daran, dass der Mittelabfluss bei einigen der vielen daraus finanzierten Programme mager bis dürftig ist. Zwar stecken im KTF vor allem Kreditermächtigungen, die sich nicht beliebig verschieben lassen.

Sie müssen sich zusammenraufen: Das Bundeskabinett bei seiner jüngsten Klausur auf Schloss Meseberg.
Sie müssen sich zusammenraufen: Das Bundeskabinett bei seiner jüngsten Klausur auf Schloss Meseberg.

© Foto: Imago/Chris Emil Janssen

Aber eine Verschlankung könnte hier ebenfalls einige Milliarden Euro ergeben, die sinnvoller verwendet werden können. Muss zum Beispiel der Kauf von Elektroautos, oft im oberen Preissegment angesiedelt, wirklich noch bezuschusst werden?  

Steuererhöhungen sind mit der FDP zwar nicht zu machen – aber das bedeutet nicht, dass die Freien Demokraten Mehreinnahmen anderer Art nicht zu schätzen wüssten. So hat sich die Ampel in der Verkehrspolitik im kommenden Jahr schon mehr Spielraum verschafft, indem zum 1. Januar 2024 die Lkw-Maut steigen soll.

Geld von den Ländern zurückholen?

Ein Langfristprojekt zur Mehrung der Spielräume könnte sein, die Bund-Länder-Finanzen neu zu sortieren. Der Bundesrechnungshof hat das jüngst wieder angemahnt. Nicht ohne Grund: In den Pandemiejahren und zuletzt wegen der Energiekrise hat sich vor allem der Bund massiv verschuldet, mit dem haushaltswirksamen Ergebnis, dass Zinslasten und Tilgungspflichten die Etats auf Jahre hinaus weitaus stärker belasten, als das bei Ländern und Kommunen der Fall ist. Auch hier gäbe es einige Milliarden zu holen.

Doch will sich die Ampel auf einen neuen Clinch mit den Ministerpräsidenten einlassen? Die Erfolgsaussichten sind eher nicht gut. Der Bund hat in den guten Jahren viel abgegeben an Steueranteilen und viel auf sich genommen an Ausgaben (etwa die Grundsicherung im Alter). Hier etwas zurückzudrehen, wird nicht einfach.

Immerhin hat Lindner es in der Hand, bei den Zinslasten schon im Etat 2024 Spielraum zu gewinnen. Auf 40 Milliarden Euro oder mehr soll sie wachsen. Das hat aber auch damit zu tun, dass der Finanzminister die Kursabschläge, die er beim Aufstocken älterer Anleihen bietet, nicht auf die ganze Laufzeit der Papiere verteilt, sondern auf einen Schlag verbucht.

Der längerfristige Vorteil weiterhin niedriger Zinszahlungen wird somit teuer erkauft durch einen Einnahmenverzicht, der im Etat als Ausgabe erscheint. Dazu ist Lindner aber nicht gezwungen. Auch hier ließe sich im nächsten Etat wohl ein Spielraum in Höhe einer einstelligen Milliardensumme schaffen. Für eine Einigung – so zumindest die Erwartungshaltung bei Sozialdemokraten und Grünen – dürfte sich auch der FDP-Chef bewegen müssen.

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