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Ein ukrainischer Soldat Ende Mai im Donbass.

© Diego Herrera Carcedo/Anadolu Agency via Getty Images

Tag 104 im Ukraine-Krieg: Wie viele Soldaten sich im Donbass gegenüberstehen

Russland ist der Ukraine im Osten zahlenmäßig überlegen, die Ukraine schlägt in der Luft zurück und weitere Entwicklungen des Tages. Der Überblick am Abend. 

Was sich am Freitag andeutete, hat sich über das Pfingstwochenende bestätigt: Die ukrainischen Truppen haben in der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk in Luhansk eine überraschende Gegenoffensive gestartet. Manche Beobachter sprechen davon, dass die Ukrainer die russischen Truppen in eine Falle gelockt haben (mehr dazu an dieser Stelle).

Diese Gegenoffensive ist von den russischen Truppen - vor allem sind in der Stadt wohl prorussische Milizen im Einsatz, um gut ausgebildete Kerntruppen Moskaus zu schonen - am Montag schon wieder ausgebremst worden. Es gibt Straßenkämpfe, beide Seiten erleiden aktuell schwere Verluste. 

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Das wirft die Frage auf: Wie lange können beide Seiten das noch durchhalten? Eine Antwort hängt maßgeblich davon ab, wie viele Truppen noch zur Verfügung stehen. Russland hat, da sind sich Experten weitgehend einig, fast seine gesamte Kampfkraft auf den Donbass konzentriert, weshalb es keine größeren Vorstöße anderswo in der Ukraine gibt.

40.000 bis 60.000 russische Soldaten sollen aktuell im Donbass im Einsatz sein (wo sie sich befinden, zeigt die Karte des Twitter-Users Jomini). Die Ukraine dagegen soll mit 10.000 bis 20.000 Soldaten verteidigen. Kiew steckt in dem Dilemma, dass sie die Fronten im Norden, Nordosten, Süden und sogar Richtung Westen an der Grenze zu Transnistrien absichern müssen. 

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Eine militärische Daumenregel besagt, dass der Angreifer für eine erfolgreiche Offensive mindestens um das Dreifache überlegen sein muss. Das ist Russland. Und das unterscheidet auch die Offensive im Donbass vom Angriff auf Kiew. Allerdings: Sehr viel mehr Truppen hat Moskau wohl auch nicht mehr in der Hinterhand.

Wie der US-Militärexperte Michael Kofman schätzt, waren an der Invasion in der Ukraine ursprünglich wohl "nur" rund 80.000 Soldaten beteiligt (hier seine ausführliche Analyse). Der Vorstoß im Donbass ist deshalb wohl erstmal die letzte größere Offensive Russlands.

Aber auch die Ukrainer könnten bei den aktuellen Verlusten - derzeit verlieren pro Tag bis zu 100 Soldaten im Donbass ihr Leben, sagt Selenskyj, rund 500 werden verletzt - sehr bald zu wenige Kämpfer haben. In diesem Moment würde der Krieg einfrieren, bis die Armeen wieder funktionsfähig sind. 

Eigentlich hatte die Ukraine für Juni eine große Gegenoffensive angekündigt. Das wird sich kaum halten lassen. Experten rechnen derzeit eher mit einem Beginn im Spätsommer oder frühen Herbst. Das zeigt: Ein baldiges Ende des Krieges ist nicht in Sicht.

Eine externe Leseempfehlung noch: Die Team von Journalisten der "Zeit" ist der Frage nachgegangen, warum das Kanzleramt bei der Hilfe für die Ukraine so zögerlich ist. Das Ergebnis: Die Gründe reichen bis weit in die Zeit vor dem Ukrainekrieg zurück. Aber auch aktuelle Fragen spielen mit rein: "Manche Regierungsvertreter (in Berlin) formulieren die Sorge, in Kiew könne sich eine Regierung "im Tunnel" oder unter dem Druck der Öffentlichkeit im nationalen Überschwang zu irrationalen Handlungen hinreißen lassen – etwa zu einem Einsatz deutscher Waffen für Angriffe auf russisches Territorium." (hier geht es zum Text). 

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Russland hat parallel zu einem Nato-Manöver in der Ostsee mit einer eigenen größeren Truppenübung seiner Baltischen Flotte begonnen. An der Übung sind mehr als 20 Kriegsschiffe und Boote beteiligt, wie das russische Militär nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax am Dienstag mitteilte.

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. So will Putin den Westen in die Knie zwingen„ Die Stimmung im Kreml ist, dass wir nicht verlieren können“
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2. Parolen der Hilflosigkeit: Russland darf nicht gewinnen, die Ukraine nicht verlieren – was soll das heißen?
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3. Unzureichende Versorgung und schlechte Waffen: Auch bei Kiews Truppen sinkt teilweise die Moral – erste Soldaten desertieren
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4. Was Russlands Krieg erfordert: Europas Unwille, die Verteidigungsfähigkeit zu verbessern, muss enden
Seit Jahren ist klar, dass die EU Rüstungsfragen sträflich vernachlässigt. Das rächt sich jetzt. Aber wir wissen, was zu tun ist. Ein Gastbeitrag.

5. Krieg in der Ukraine – Siegen oder lediglich nicht verlieren? Baerbock und Merz setzen auf Zuversicht, Scholz auf Risikoangst
Mit westlicher Hilfe wird die Ukraine den Krieg gewinnen. Mehr Vertrauen in die eigene Stärke hilft auch den Deutschen beim Durchhalten. Ein Kommentar.

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