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Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis (links) und der zurückgetretene Ministerpräsident Alexis Tsipras.

© Reuters

Griechenland: Tsipras und Varoufakis: Trennung im Chaos

Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis hatten einmal eine gemeinsame Vision. Doch die gemeinsamen Tage der beiden Protagonisten im griechischen Schuldendrama scheinen endgültig vorbei zu sein.

Als Alexis Tsipras im Januar Regierungschef in Griechenland wurde und den Wirtschaftswissenschaftler Yanis Varoufakis als Finanzminister nominierte, versprachen beide, den verhassten Gläubigern Athens die Stirn zu bieten. Sie wollten ein Ende der Sparpolitik erreichen, die sie für den Niedergang der griechischen Wirtschaft verantwortlich machen.

Doch acht Monate später ist davon wenig übrig. In Griechenland stehen Neuwahlen bevor. Varoufakis will nicht kandidieren. Und die Kluft zwischen Tsipras und Varoufakis wird in der Öffentlichkeit so deutlich wie nie. Tsipras dürfte allerdings aus dem Streit mit seinem Ex-Finanzminister nach der Ansicht von Beobachtern kein großer politischer Schaden entstehen. Er will ein neues Mandat als Vorsitzender der radikalen Linkspartei Syriza.

Die Wahl vom 20. September werde "ziemlich traurig und ergebnislos", sagte Varoufakis dem australischen Fernsehsender ABC. "Die Partei, der ich diente und der Vorsitzende, dem ich diente, haben sich entschlossen, den Kurs komplett zu ändern und für eine Wirtschaftspolitik einzutreten, die überhaupt keinen Sinn macht."

Tsipras: Ein guter Ökonom ist noch kein guter Politiker

Tsipras war am 20. August zurückgetreten und löste damit Neuwahlen aus. Dem war eine Syriza-interne Rebellion gegen das dritte Rettungspaket für Griechenland vorausgegangen. Deshalb konnte der Ministerpräsident kaum noch regieren.

Varoufakis war bereits zuvor im Juli von seinem Amt als Finanzminister zurückgetreten - einen Tag nach dem Referendum über das vorgeschlagene Rettungspaket. Inzwischen tragen die beiden ihren Zwist in aller Öffentlichkeit aus. So sagte Tsipras über Varoufakis: "Ein guter Wirtschaftswissenschaftler zu sein, macht einen nicht zu einem guten Politiker." Dagegen lobte Tsipras Varoufakis' Nachfolger Euclid Tsakalotos, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger diskret und eher zugeknöpft auftritt, demonstrativ. "Euclid Tsakalotos hat fabelhafte Arbeit geleistet… Ohne ihn hätten wir kein Abkommen erreicht", sagte der Syriza-Chef mit Blick auf das im vergangenen Monat vereinbarte Rettungspaket mit einem Volumen von 86 Milliarden Euro.

"Narzisstische Ein-Mann-Show"

Für den Politikwissenschaftler Michel Vakaloulis von der Universität Paris war es Varoufakis' Unfähigkeit zur Kompromissfindung, die ein Zerwürfnis mit Tsipras unabwendbar machte. Er habe Tsipras nicht für die Unterstützung von Vorschlägen an die Adresse der Europäischen Zentralbank gewinnen können, gestand Varoufakis später ein. Das isolierte ihn innerhalb der Regierung.

Sein auffälliger Stil habe sich auch nicht mit "der sehr ernsthaften Partei Syriza vertragen”, so Vakaloulis. Ein Fotoshooting mit dem französischen Magazin "Paris Match" zeigte seine Neigung zur "narzisstischen Ein-Mann-Show", meint der Politikwissenschaftler. Die Fotos von Varoufakis auf dessen Terrasse, vor dem Hintergrund der Akropolis, hätten ihn angesichts einer Arbeitslosenquote von 25 Prozent weiter von Syriza entfremdet, so Vakaloulis. Beide Männer hätten Charme und Chuzpe, sagt er, doch in vielen Punkten seien sie sehr unterschiedlich. Denn schließlich hatte Varoufakis anders als Tsipras bis zum vergangenen Januar keine Erfahrung als Politiker. Der 13 Jahre jüngere Tsipras hingegen ging als Studentenaktivist auf die Barrikaden und hat die politische Bühne seither kaum verlassen.

Während Varoufakis jahrelang in Großbritannien und Australien lebte, blieb Tsipras in Griechenland. Dem unterschiedlichen Werdegang der beiden Politiker entsprang seinerzeit Tsipras' Kalkül, Varoufakis im vergangenen Januar zum Finanzminister zu machen. Der Politikwissenschafter Vakaloulis sieht es so: "Tsipras wählte ihn gerade wegen seines großen Kommunikationstalentes aus – um zu zeigen, dass Griechenland kein isolierter Fall in Europa ist, sondern dass es eine Geschichte ist, die jedem Land passieren könnte." (mit AFP)
Übersetzung: Alexander Bölle

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

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