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Annäherung in Diyarbakir. Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan (rechts) reicht dem kurdischen Musiker Sivan Perwer die Hand.

© Reuters

Türkei: Erdogan reicht Kurden die Hand

Zuletzt war der Friedensprozess zwischen der Regierung in Ankara und den kurdischen PKK-Rebellen ins Stocken geraten. Doch nun deutet Regierungschef Recep Tayyip Erdogan eine Generalamnestie für kurdische Rebellen und Aktivisten an.

Mit einem Besuch im Kurdengebiet hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan dem Friedensprozess in der Kurdenfrage einen neuen Impuls gegeben. „Wir errichten eine neue Türkei“, sagte Erdogan am Samstag in der kurdischen Großstadt Diyarbakir, wo er sich mit Masud Barzani traf, dem Chef der kurdischen Autonomiezone im Nordirak. Erdogan deutete eine Generalamnestie für kurdische Rebellen und Aktivisten an und sprach von der „Sonne des Friedens“. Die Region erlebe eine „neue Ära, ein neues Klima, eine neue Frühlingsatmosphäre“. Beobachter sprachen von einem historischen Moment.

Erdogans Regierung führt seit knapp einem Jahr Friedensgespräche mit Abdullah Öcalan, dem inhaftierten Chef der PKK-Kurdenrebellen, die seit 1984 gegen den türkischen Staat kämpfen. Seit dem Frühjahr hat es im Kurdengebiet keine größeren Kämpfe mehr gegeben; zuletzt war der Friedensprozess aber ins Stocken geraten. Die PKK wirft Erdogan vor, nur zum Schein zu verhandeln. Mit seinem Besuch im Kurdengebiet, den er am Sonntag fortsetzte, wollte Erdogan diese Vorwürfe entkräften.
Der nordirakische Kurdenchef Barzani, der von Erdogan noch vor wenigen Jahren als Gesprächspartner abgelehnt worden war, wurde in Diyarbakir wie ein Staatschef empfangen. Die Reden in Diyarbakir wurden sowohl auf Türkisch als auch auf Kurdisch gehalten. Erstmals benutzte Erdogan das Wort „Kurdistan“ zur Beschreibung der Kurdenzone im Nordirak; bisher hatten türkische Politiker den Begriff gemieden, weil er als Ausdruck kurdischer Autonomiebestrebungen gilt.
Zusammen mit Barzani kam Sivan Perwer nach Diyarbakir. Perwer ist ein von den Kurden als Held verehrter Musiker, der in den 1970er Jahren mit seinen Liedern die kurdische Identität mit begründete und 1976 vom türkischen Staat ins Exil getrieben wurde. Am Wochenende betrat Perwer erstmals seit 37 Jahren wieder türkischen Boden. In Diyarbakir sang er vor zehntausenden Menschen mit dem Volkssänger Ibrahim Tatlises das kurdische Lied „Megri, megri“ – Weine nicht.

Die Kurden im Nordirak sind ein wichtiger Handelspartner

Noch vor zehn Jahren wären alle Redner bei der Veranstaltung von Diyarbakir wegen Separatismus im Gefängnis gelandet – heute werden sie als Boten einer neuen Ära gefeiert. Mit der Ankündigung, die Türkei werde erleben, dass die PKK-Rebellen aus den Bergen in die Gesellschaft zurückkehrten und „dass sich die Gefängnisse leeren“, deutete Erdogan die Bereitschaft für eine Generalamnestie an. Diese gehört zu den Hauptforderungen den Kurden. Erdogan verspricht sich von einer Mischung aus politischen Reformen und wirtschaftlichen Aufbauschritten einen Erfolg seiner AKP bei den Kommunalwahlen im März im verarmten Kurdengebiet. Im Verlauf seiner zweitägigen Reise durch das Kurdengebiet am Wochenende gab er den Startschuss für Investitionen in einem Gesamtwert von umgerechnet rund 320 Millionen Euro. Gute Beziehungen zu Barzani und dem Kurdengebiet im Nordirak lohnen sich für Erdogan ebenfalls: Die Kurden liefern den Türken wichtiges Erdöl und nehmen so viele Exporte ab, dass der Irak inzwischen der wichtigste Ausfuhrmarkt der Türkei nach Deutschland ist.

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