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Premier Erdogan wagt ein riskantes Manöver.

© AFP

Türkei: Erdogan umwirbt das Militär

Der türkische Premier sucht Verbündete im Machtkampf gegen seinen Erzfeind Fethullah Gülen und ist bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen. Nun könnten sogar die Prozesse gegen verurteilte Ex-Generäle neu aufgerollt werden.

Noch vor kurzer Zeit waren sie aus Sicht der Regierung von Recep Tayyip Erdogan verachtenswerte Staatsfeinde – mehrere hundert Militärs, die Umsturzversuche gegen den türkischen Ministerpräsidenten geplant haben sollen. Dafür erhielten die Ex-Generäle teils lange Haftstrafen. Die Prozesse gegen sie galten als Endpunkt der Entmachtung des traditionell einflussreichen Militärs. Doch jetzt ist plötzlich alles anders. Erdogan sagt, er habe kein Problem mit einer Neuauflage der Verfahren. Am Wochenende sprach er mit dem Chef der türkischen Anwaltskammer über Wege, trotz bereits gefallener Urteile neue Prozesse zu ermöglichen.

Mehrere hundert Ex-Generäle, darunter der ehemalige Generalstabschef Ilker Basbug, sitzen wegen Putschvorwürfen im Gefängnis. Vielen von ihnen wird Mitgliedschaft im rechtsgerichteten Geheimbund Ergenekon vorgeworfen, der einen Putsch gegen Erdogan vorbereitet haben soll. Weitere Ex-Militärs wurde verurteilt, weil sie laut Gericht im Jahr 2003 einen Putschplan unter dem Namen „Balyoz“ (Vorschlaghammer) ausgearbeitet hatten.
Die Verurteilten und die Opposition in Ankara beklagen, die Justiz sei mit manipulierten Beweismitteln gegen die Generäle vorgegangen. Lange hatte Erdogans Regierung diese Kritik zurückgewiesen. Der Premier hatte sich selbst öffentlich hinter die Staatsanwälte gestellt, die gegen die mutmaßlichen Putschisten vorgingen. Doch jetzt sind einige dieser Staatsanwälte entscheidend an den Korruptionsvorwürfen gegen Erdogans Regierung beteiligt. Und nun wirft der Ministerpräsident den Juristen plötzlich Amtsmissbrauch vor.
Erdogans dramatischer Schwenk ist nicht nur mit dem Zorn des Premiers über die Korruptionsvorwürfe zu erklären. Es geht ihm darum, die Armee als Verbündeten gegen einen früheren Helfer zu gewinnen: die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Die „Gülencis“, wie die Anhänger des Predigers genannt werden, sind im Staatsapparat und auch in der Justiz stark vertreten. Solange Gülen die Erdogan-Regierung unterstützte, störte das im Lager des Ministerpräsidenten niemanden. Doch Gülen hat sich mit Erdogan überworfen – und jetzt tobt der Machtkampf zwischen beiden Lagern. Erdogans Manöver ist allerdings riskant. In seiner Partei AKP meldeten sich erste Kritiker zu Wort. Der Premier indes scheint sich sicher zu sein, dass die meisten AKP-Wähler bei der Stange bleiben werden.

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