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Eine russische Flugabwehrkanone auf einem Zug in der Region Cherson.

© IMAGO/SNA / Imago/Evgeny Biyatov

Ukraine-Invasion Tag 288: Russische Truppen leiden an „Munitionshunger“

Merkel spricht über Fehler nach der Krim-Annexion, Selenskyj ist „Person of the Year“, mehr als 1000 Kulturstätten in der Ukraine zerstört. Der Überblick am Abend.

Schon Ende November berichtete der estnische Militärgeheimdienst über die Munitionsknappheit der russischen Truppen in der Ukraine. Zweidrittel der verfügbaren Munition sollen Putins Soldaten schon aufgebraucht haben. Moskau rationiere den Verbrauch aktuell, um für den Frühling noch genügend Reserven zu haben (Quelle hier). 

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Russland seine Rüstungskooperation mit dem Iran, Nordkorea und Belarus ausbaut. Der Russlandexperte Hlib Parfonov spricht sogar von einem „belarussisch-russischen“ Rüstungskomplex, der sich derzeit bildet, um den „Munitionshunger“ zu lindern. Hinzu kommt, dass Russland nun auch iranischen Schiffen die Anfahrt zu russischen Häfen erleichtert hat.

Bisher nehmen die Lieferungen Teherans vor allem den Luftweg. Die Schiffe könnten bald noch mehr Munition und Waffen bringen. Parfonov geht davon aus, dass sich die Kooperation zwischen Russland und dem Iran künftig noch verstärken wird.

Nach ihren russischen Kollegen machten sich kürzlich auch belarussische Militärexperten auf dem Weg in den Iran, um mögliche Kooperationen bei der Waffen- und Munitionsherstellung auszuloten. Ganz einfach dürfte das allerdings nicht werden, glaubt Parfonov (Quelle hier), unterscheiden sich doch die Anforderungen der russischen Truppen von den Produktionskapazitäten zum Beispiel in Belarus.

Und auch die russische Rüstungsindustrie sieht er vor Problemen, mit dem aktuellen Verbrauch in der Ukraine Schritt zu halten. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum Putin zuletzt öfter darüber gesprochen hat, den Krieg zu beenden - freilich zu seinen Konditionen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • „Hätten schneller auf die Aggressivität Russlands reagieren müssen“: Im „Zeit“-Interview erklärt die frühere Kanzlerin, welche Fehler im Umgang mit Russland sie gemacht hat. Dazu zählt auch eine verspätete Aufrüstung der Bundeswehr. Mehr hier.
  • Deutsche Patriot-Luftabwehrsysteme werden nun doch in Polen stationiert: Berlin hatte Warschau die Verteidigungssysteme nach einem Raketeneinschlag in Ostpolen angeboten. Dort regte man eine Weitergabe an die Ukraine an. Mehr hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist wegen seines Widerstandes gegen den russischen Einmarsch in sein Land vom US-Magazin „Time“ zur Person des Jahres gewählt worden. „Die diesjährige Wahl war die eindeutigste in unserer Erinnerung“, schrieb „Time“-Chefredakteur Edward Felsenthal zur Begründung am Mittwoch. Mehr in unserem Liveblog.
  • Der russische Präsident Wladimir Putin spricht von einer steigenden Gefahr eines Atomkriegs. Russland sehe Nuklearwaffen als Abschreckung, erwäge aber den Einsatz als Antwort auf Angriffe. Russland werde sein Territorium und seine Verbündeten mit allen verfügbaren Mitteln verteidigen.
  • Die russische Armee hat in der Ukraine nach Angaben Kiews bereits mehr als 1.000 Kulturstätten seit Beginn des Einmarsch im Februar zerstört oder beschädigt. Kulturminister Olexandr Tkatschenko sagte laut der Nachrichtenagentur Ukrinform (Mittwoch), es handele sich vor allem um Bibliotheken und Kulturzentren. Der Wiederaufbau sei eine große Herausforderung.
  • Nach den Explosionen auf russischen Militärstützpunkten hat Präsident Wladimir Putin am Mittwoch angekündigt, dass Russland seine Interessen mit allen verfügbaren Mitteln verteidigen werde. Auf der Jahrestagung des russischen Menschenrechtsrates beklagte sich Putin in einer vom russischen Fernsehen übertragenen Rede zudem darüber, dass westliche Menschenrechtsorganisationen Russland als „ein Land zweiter Klasse betrachten, das kein Recht habe, zu existieren“. Die Antwort sei ein konsequenter Kampf für nationale Interessen.
  • Die Nato rechnet im Frühjahr mit einer neuen russischen Offensive in der Ukraine. „Russland versucht, diesen Krieg zumindest für kurze Zeit einzufrieren (...), um dann im Frühjahr eine größere Offensive zu starten“, sagte Bündnis-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch bei einer Veranstaltung der „Financial Times“ in Brüssel. Der Kreml wolle den Winter nach Nato-Erkenntnissen nutzen, um seine Truppen neu aufzustellen und Waffen zu reparieren.
  • In der Ukraine hat der Inlandsgeheimdienst SBU am Mittwoch erneut Razzien in mehreren orthodoxen Kirchen und Klöstern durchgeführt. Die Durchsuchungen erfolgten nach offiziellen Angaben „zur Bekämpfung der subversiven Aktivitäten der russischen Spezialdienste in unserem Land“. 
  • Die Ukraine hat nach Ansicht der Bundesregierung das Recht, sich nicht nur auf eigenen Staatsgebiet zu verteidigen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies am Mittwoch in Berlin darauf, dass das Land seit mehr als neun Monaten von Russland angegriffen werde. „Die Ukraine hat ein verbrieftes Recht auf Selbstverteidigung, das sich aus Artikel 51 der UN-Charta ergibt“, sagte er und fügte hinzu: „Die Ukraine ist nicht verpflichtet, die Verteidigungsanstrengungen auf das eigene Staatsgebiet zu beschränken.“
  • Russland baut nach Einschätzung britischer Geheimdienste zunehmend Verteidigungsstellungen an der Grenze zur Ukraine auf. In der Grenzregion Belgorod seien ausgefeilte Systeme zur Abwehr von Angriffen errichtet worden, hieß es am Mittwoch in einem Bericht des Verteidigungsministeriums in London. 
  • Die deutsche Förderbank KfW unterstützt die rund sieben Millionen Binnenvertriebenen in der Ukraine mit 200 Millionen Euro. Dazu habe man im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen Vertrag mit dem ukrainischen Finanzministerium unterzeichnet, erklärt die staatliche KfW.
  • Im russisch kontrollierten Teil des Gebiets Donezk im Osten der Ukraine sind bei einem Unfall mit einem Militärlaster mindestens 16 Menschen ums Leben gekommen. Vier weitere seien verletzt worden, teilten die von Russland eingesetzten Behörden in Donezk am Mittwoch mit. Der Lkw stieß demnach mit einem Kleinbus zwischen den Städten Schachtarsk und Tschystjakowe zusammen.
  • Russland überlegt, wie es auf den von der EU verhängten Ölpreisdeckel reagieren soll: Am Mittwoch telefonierte der russische Präsident Wladimir Putin nach Kreml-Angaben mit dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Zayed al-Nahyan. Dabei sei es um eine Zusammenarbeit im Rahmen der Gruppe der Ölförderländer (Opec+) sowie angesichts der vom Westen beschlossenen Preisobergrenze für russisches Öl gegangen. 
  • Europa hat mit seinen Finanzhilfen für die Ukraine einer Studie zufolge erstmals seit Kriegsbeginn die USA überholt. Die EU-Länder kommen zusammen mit den EU-Institutionen auf knapp 52 Milliarden Euro an militärischer, finanzieller und humanitärer Hilfe, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hervorgeht. Die von den USA gemachten Zusagen summieren sich demnach auf knapp 48 Milliarden Euro.
  • Nach den mutmaßlich ukrainischen Drohnenangriffen auf Militärstützpunkte in Russland hat die US-Regierung erklärt, sie habe Kiew nicht zu Angriffen auf Russland „ermutigt“ oder „befähigt“. Außenminister Antony Blinken sagte am Dienstag: „Wir haben die Ukrainer weder ermutigt noch befähigt, innerhalb Russlands anzugreifen.“ Es sei jedoch wichtig, zu verstehen, „was die Ukrainer tagtäglich durch die anhaltende russische Aggression erleben“.
  • Russland soll Diplomaten zufolge erneut Hunderte Drohnen und ballistische Raketen aus dem Iran bestellt haben. „Wir wissen, dass der Iran plant, seine Lieferungen von unbemannten Flugkörpern und Raketen an Russland in erheblichen Mengen zu erhöhen“, teilten Kreise bei den Vereinten Nationen in New York der Deutschen Presse-Agentur mit.

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