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Zwei russische Kampfflugzeuge werden durch ein Tankflugzeug mit Treibstoff versorgt.

© Archivfoto: pa/dpa

Update

Ukraine-Konflikt: Russland startet Großmanöver

Nach den Nato-Militärübungen im Zuge des Ukraine-Konflikts startet nun auch Moskau ein Großmanöver mit mehr als 100 Kampfjets. Unterdessen gibt es neue Belege für eine Verwicklung Russlands in der Ukraine.

Die russischen Luftstreitkräfte haben inmitten wachsender Spannungen mit dem Westen ein nach eigenen Angaben bisher beispielloses Großmanöver mit mehr als 100 Kampfflugzeugen begonnen. An den Übungen des westlichen und zentralrussischen Verteidigungsbezirks seien Kampfjets und Hubschrauber verschiedener Klassen beteiligt, sagte der Luftwaffensprecher Igor Klimow am Montag der Agentur Interfax zufolge. Eine solches Manöver, das sich über drei Verteidigungsbezirke des Riesenreichs erstrecke, gebe es zum ersten Mal. Auch in Nato-Staaten hatte es zuletzt im Zuge des Ukraine-Konflikts Militärmanöver gegeben.

Geübt werde die Vernichtung von Luft- und Bodenzielen nicht zuletzt mit echten Raketenstarts auf dem Truppenübungsgelände in Aschuluk im Gebiet Astrachan am Kaspischen Meer, sagte Klimow. Auch das Zusammenspiel von Flugzeugen und Raketenabwehranlagen werde getestet. Die Übung sei eine Etappe für die in diesem Jahr geplante Zusammenlegung von Teilen der Luftstreitkräfte, sagte Klimow. Die ukrainischen Behörden forderten umgehend eine Erklärung zu der Mobilmachung in dem umkämpften Grenzgebiet. Moskau ließ zudem auch auf Höhe des Polarkreises Luftbetankungsmanöver üben.

Russland vermeldet über 400 ukrainische Überläufer

Unterdessen flohen nach russischen Angaben 438 ukrainische Soldaten nach Russland und streckten die Waffen. Die im Osten der Ukraine stationierten Soldaten seien in der Nacht zum Montag durch einen "humanitären Korridor" über die Grenze ins Nachbarland gekommen und hätten sich dort russischen Grenzschützern ergeben, berichteten russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf einen Regionalvertreter des Inlandsgeheimdienstes FSB. Ein ukrainischer Armeesprecher sagte dazu, mehrere Soldaten hätten sich nach einem Durchbruchsversuch in Richtung eines russischen Grenzübergangs zurückgezogen. Allerdings hätten sich die Einheiten "nicht ergeben".

Angriff auf Panzerfabrik in Charkiw

Unterdessen sind in der Ukraine nach Angaben der Kiewer Regierung 75 Prozent des bisher von Separatisten gehaltenen Gebiets wieder unter ihrer Kontrolle. In seinem täglichen Lagebericht sagte der Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums, die Rebellen kommandierten nur Teile des Ostens der Regionen Lugansk und Donezk. Zudem habe der Sicherheitsdienst der Ukraine in den vergangenen Tagen 300 Unterstützer der Separatisten festgenommen, unter ihnen elf russische Söldner. Ein Teil der Gefangenen soll sich unter die lokale Bevölkerung gemischt haben, mit der Aufgabe, Kämpfer für die Rebellen anzuwerben. Ein Teil der Verhafteten sei in ein Spezialgefängnis der Stadt Charkiw gebracht worden. Aus der bisher friedlichen Stadt wird nun ein Angriff auf eine Panzerfabrik gemeldet. Das Gebäude sei Samstagnacht von einem Militärfahrzeug aus beschossen worden. Munition und Fahrzeug sollen aus russischer Produktion sein.

In Lugansk und Donezk gehen die Kämpfe indes mit aller Härte weiter. In Lugansk sind neun Zivilisten ums Leben gekommen. Beide Großstädte werden stark beschossen. Ukrainische Medien sprechen von einem „Bruderkrieg“, der in vollem Gange sei. Immer noch flüchten Menschen, obwohl das in Donezk sehr riskant geworden ist. Es fahren kaum noch Autos, die öffentlichen Verkehrsmittel haben ihre Dienste eingestellt. Außerdem ist die Stromversorgung in der Millionenstadt zusammengebrochen. Reparaturarbeiten werden immer wieder von Angreifern gestört, „die Arbeiter werden beschossen, bevor sie auf der Leiter stehen“, schreibt die prorussische Zeitung „Vesti“. Durch den Stromausfall verschlechtert sich die Versorgungslage rapide. In der Ost-Ukraine herrschen seit Wochen Temperaturen um die 30 Grad, am Wochenende stieg das Thermometer sogar bis auf 35 Grad. Kühlschränke funktionieren nur noch über durch Diesel betriebene Motoren, alle Brotfabriken der Stadt haben ihren Betrieb eingestellt. Am Wochenende sollen in Donezk etwa 150 Häuser durch Beschuss beschädigt worden sein.

Die Lage in Lugansk ist noch schlechter. Trotz der Gefahr, durch Beschuss verletzt oder getötet zu werden, haben am Wochenende rund 300 Menschen die Stadt verlassen. Die meisten sind durch einen sogenannten grünen Korridor nach Russland entkommen. Diesen Weg haben die Vertreter der selbst ernannten „Volksrepublik Lugansk“ am vergangenen Dienstag eingerichtet. Die Stadt hat vor Tagen die Müllentsorgung eingestellt, deshalb würden sich an einigen Stellen in der Stadt die Müllberge häufen. Die Stadt rät den Einwohnern zur Flucht, der Bürgermeister sprach von einer „humanitären Katastrophe“ in seiner Stadt.

Ähnliche Zustände werden aus Gorliwka in der Region Donezk gemeldet, die 260 000 Einwohner zählende Stadt liegt in der Nähe der vor einem Monat zurückeroberten Stadt Slowjansk. Sonntagnacht starben zwei Zivilisten, 16 Personen wurden bei Raketenbeschuss verletzt. Auch dort sind die meisten Geschäfte geschlossen, etliche Läden seien geplündert worden. Die Menschen, die noch dort sind, verbringen die Nächte im Keller. Auch in Gorliwka werden Nahrungsmittel knapp, zudem soll es nicht ausreichend Wasser für alle Bewohner geben.

Russische Militärausrüstung in der Ukraine

Trotz aller Bekundungen, die Grenze zu Russland zu schließen oder zu kontrollieren, gelangt tagtäglich russische Militärausrüstung in die Ukraine. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums sprach von zehn Panzern, die am Samstag im Grenzgebiet im Süden von Donezk gesehen wurden. Zudem mache man sich Sorgen über einen Militärtransport, der derzeit am Bahnhof der weißrussischen Stadt Gomel stehe. Der Zug habe 65 schwere Militärfahrzeuge und Panzer geladen. Zwei russische Mi-24-Hubschrauber hätten zudem erneut den Luftraum der Ukraine verletzt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag flogen sie etwa drei Kilometer in das Lugansker Gebiet hinein. Mehrere Fotos russischer Soldaten im Internet deuten außerdem darauf hin, dass sie in der Ukraine eingesetzt werden. Der 24-jährige Soldat Alexander Sotkin veröffentlichte Bilder auf dem Fotoportal Instagram, deren Geodaten auf einen Standort in der Ukraine deuten.

Russland gab der EU Mitschuld am Blutvergießen. Die EU habe heimlich ein Exportverbot für Militärgüter aufgehoben, das sie noch im Februar erlassen hatte. Sie verletze damit die eigenen Ausfuhrprinzipien für Krisengebiete. Der Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton erklärte, dies sei nicht heimlich, sondern öffentlich am 16. Juli durch den Europäischen Rat geschehen; es habe auch nie ein Waffenembargo für die Ukraine gegeben. (mit AFP/dpa)

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