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Das Bundesinnenministerium

© imago images/Christian Thiel

Umstrittener 4-Milliarden-Deal: Macht sich das Innenministerium von Oracle abhängig?

Die Bundesverwaltung schloss jüngst einen neuen Vertrag in Milliardenhöhe mit dem US-Datenbankanbieter ab. Das Budget für eigene Alternativlösungen hingegen soll halbiert werden.

Wie abhängig die öffentliche Verwaltung von einigen US-Technologieanbietern ist, wird seit einiger Zeit diskutiert. Das Bundesinnenministerium (BMI) ließ daher in einer Studie analysieren, welche Bedeutung Microsoft hat. Weniger offensichtlich, doch mindestens genauso groß ist die Abhängigkeit vom US-Datenbankanbieter Oracle. Rund 75 Prozent aller Daten in der Bundesverwaltung werden durch Oracle-Lösungen verarbeitet.

Das ist das Ergebnis einer weiteren Analyse, die Deloitte im Auftrag des Innenministeriums durchgeführt hat. Der Abschlussbericht benennt verschiedene „Schmerzpunkte“ und konstatierte schon 2021 einen „akuten Handlungsbedarf“. Ohne Gegenmaßnahmen würden sich die Probleme in den nächsten fünf Jahren weiter verstärken, warnten die Experten.

Trotzdem hat das Beschaffungsamt des BMI kürzlich eine neue Rahmenvereinbarung mit Oracle geschlossen. Der Vertrag hat ein Volumen von 3,886 Milliarden Euro und eine Laufzeit von sieben Jahren. Auch die optionale Verlängerung um weitere zwei Jahre ist schon vorgesehen. Das BMI weist allerdings darauf hin, dass bei einem Rahmenvertrag keine Abrufverpflichtungen bestehen.

Oracle ist der Kunstgriff gelungen, quasi ohne eigentlichen Auftrag ein Cloudangebot für die öffentliche Verwaltung zu realisieren.

Ein Brancheninsider

Einzelne Behörden könnten nun auf der Grundlage Oracle-Produkte bestellen oder bestehende Lizenzen verlängern. Ob das Volumen von fast vier Milliarden Euro dabei ausgeschöpft wird, sei daher offen. Allerdings wurde zuvor der Bedarf abgefragt und die Vereinbarung auf Grundlage der Rückmeldungen geschlossen. „Damit ist sie zugleich ein klares Indiz für die strukturelle Abhängigkeit von großen Technologielieferanten“, räumt das Ministerium ein. Diese gelte es nun weiter zu reduzieren.

Budget für alternative Lösungen soll halbiert werden

Erste Schritte zur Nutzung von alternativen Open-Source-Datenbanken gebe es bereits. Zudem wurde auch schon 2021 eine „Strategie zur Stärkung der Digitalen Souveränität“ verabschiedet. Auch dort wird die „Gefahr, die Kontrolle über die eigene IT zu verlieren“ skizziert. Als eine Gegenmaßnahme wird derzeit ein „Zentrum für digitale Souveränität“ aufgebaut. Allerdings soll das Budget von 48 Millionen Euro für das Zentrum und andere Maßnahmen zur Entwicklung eigener Software-Lösungen laut Haushaltsplanung im kommenden Jahr halbiert werden.

„Es ist unverständlich, warum die Bundesregierung ohne Bedenken Geld in Milliardenhöhe für proprietäre Lösungen ausgibt, während sie gleichzeitig bereits gestartete oder in den Startlöchern befindliche Projekte zur Stärkung der digitalen Souveränität kaputt spart“, kritisiert ein Bündnis von IT-Organisationen, darunter die Gesellschaft für Informatik, die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der kommunalen IT-Dienstleister Vitako und die Open Source Business Alliance, in einem offenen Brief.  

Für besondere Verwunderung sorgt ein anderes Detail des Vertrags. Denn neben Datenbank-Software umfasst die Vereinbarung auch explizit „Cloud-Services des Herstellers Oracle“. Immer mehr Daten und auch Computerprogramme laufen nicht mehr in eigenen Rechenzentren, sondern zentral in der sogenannten Cloud bei Anbietern wie Amazon oder Microsoft. Daher wird seit langem über die Nutzung von Cloudtechnologien in Behörden und den Aufbau einer deutschen Verwaltungscloud diskutiert.

Ein Streitpunkt ist die Datensicherheit. Um zu gewährleisten, dass niemand außerhalb Deutschlands Zugriff bekommt, bauen derzeit beispielsweise SAP und Arvato mit einem eigenen Tochterunternehmen eine „souveräne Cloud“ für Microsoft auf.

Kritik an Cloud-Auftrag im „Hinterzimmer“

Bislang ist aber offen, welche Bedingungen Anbieter erfüllen müssen, damit ihre Lösungen als auch für die Verwaltung infrage kommen. Wettbewerber sprechen daher angesichts des Oracle-Deals sogar schon von Marktverzerrung.

„Oracle ist der Kunstgriff gelungen, im Rahmen der Lizenzverhandlungen für klassische Oracle-Produkte wie Datenbanken auch das Cloud-Thema in die Preisliste und die Vertragskonstrukte hineinzubekommen und so quasi ohne eigentlichen Auftrag ein Cloudangebot für die öffentliche Verwaltung zu realisieren“, kritisiert ein Brancheninsider. „Eine solche Lösung ohne Geschäftsauftrag über das Hinterzimmer mit in den offiziellen Katalog reinzunehmen, ist ein Skandal.“

Gefordert wird seit langem eine Ausschreibung für Cloud-Services, die allen Anbietern offensteht. Zumindest dabei soll sich nun laut BMI etwas tun: „Das Beschaffungsamt plant derzeit eine Ausschreibung, die den Bezug von Cloud-Services für die Bundesverwaltung ermöglichen soll“.

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