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Donald Trump spricht - und rechts und links vom Pult stehen Teleprompter.

© Louis Rudiger/Reuters

US-Wahlkampf: Donald Trumps neue Liebe zum Teleprompter

Lange hat Donald Trump über US-Präsident Obama und Hillary Clinton gespottet, weil die ihre Reden ablesen. Jetzt tut er es selber - um Fehler zu vermeiden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Donald Trump wird vorsichtig. Er sieht offenbar das Risiko für seine Wahlaussichten, wenn er "frei Schnauze" redet. In den vergangenen Monaten hat er in solchen Situationen im Präsidentschaftswahlkampf viele Dinge gesagt, die nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Früher hat er jedoch behauptet, das sei eine Tugend. Er äußere sich authentisch - im Gegensatz zu Präsident Barack Obama, der seine Reden vom Teleprompter ablesen. Und zu Hillary Clinton, die ihre Kernaussagen auswendig lerne und so "gescriptet" klinge.

Trump will Nafta überholen oder kündigen

Nun hat Trump zum zweiten Mal innerhalb einer Woche eine Grundsatzrede angekündigt - und deren Text abgelesen, statt frei zu sprechen. Im Zentrum des ersten Auftritts im Ballsaal eines Hotels in Manhattan vor einer Woche stand der Generalangriff auf Hillary Clinton und ihre angeblichen Charakterschwächen. In der zweiten Rede am gestrigen Dienstag in Monessen im Westen Pennsylvanias nahe Pittsburgh legte er den Schwerpunkt auf die Handelspolitik: Als Präsident werde er das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta neu verhandeln - oder, falls Kanada und Mexiko dazu nicht bereit seien, kündigen. Und China wegen dessen Währungsmanipulationen und unfairer Handelspraktiken mit hohen Strafzöllen belegen.

Als Schauplatz hatte Trump ein Stahlwerk inmitten einer traditionellen Montan-Region gewählt, die von Kohle und Metallverarbeitung lebt, aber den Strukturwandel spürt. Sein Rednerpult stand vor Stapeln mit gepresstem Altmetall. Während seiner Rede war das Kreischen zu hören, das entsteht, wenn solches Material transportiert und unter Hitze und Druck verarbeitet wird. Mitunter schwebten Rauchschwaden mit dem typischen Geruch solcher Prozesse durch die Halle.

Werben um weiße Arbeiter

Die Rede in Pennsylvania war der Auftakt einer Reise durch Staaten, die Trump für wahlentscheidend hält. Von dort fuhr er nach Ohio und West Virginia weiter. Er konzentriert sich dabei auf weiße Arbeiterhaushalte. In dieser Wählergruppe muss er hohe Zuwächse zu Lasten der Demokraten erzielen, um sein kontinuierlich schlechtes Abschneiden unter Frauen und Latinos auszugleichen. Nach wie vor ist für Wahlexperten schwer zu erkennen, wie Trump mit dieser Strategie eine ausreichende Mischung von US-Bundesstaaten gewinnen will, um auf die 270 Wahlmännerstimmen zu kommen, die ein Kandidat im US-Wahlsystem benötigt, um Präsident zu werden. Staaten wie Florida und Colorado, die früher strategische Bedeutung für Republikaner hatten, gelten heute, auch wegen ihres hohem Latino-Anteils, als bereits verloren für Trump.

Trump warf Hillary Clinton vor, sie haben den Abschluss des Nordamerikanische Freihandelsabkommen unterstützt und rede erst neuerdings kritisch über Nafta. "Sie wird euch wieder betrügen", warnte er die Zuhörer mit Blick auf das bereits ausgehandelte Transpazifische Handelsabkommen TPP, das noch vom Kongress ratifiziert werden muss, ehe der amtierende Präsident Barack Obama oder sein Nachfolger im Weißen Haus es durch Unterschrift in Kraft setzen oder es ablehnen kann. Trump behauptete auch, mit seiner Kritik an der Handelspolitik habe er Clinton so unter Druck gesetzt, dass sie nun plötzlich das Transatlantische Wirtschaftsabkommen TTIP ablehne.

128 Fußnoten als Beleg der neuen Ernsthaftigkeit

Mitarbeiter Trumps verteilten Redemanuskripte an Medienvertreter - offenbar auch, um die Ernsthaftigkeit seiner neuen Auftritte zu unterstreichen. Sie enthielten 128 Fußnoten zu Quellen für seine Behauptungen.

US-Medien äußern Zweifel, ob Trump mit dem veränderten Auftreten Erfolg haben wird. Es sei zwar richtig, dass die Zahl der Arbeitsplätze in der metallverarbeitenden Industrie im Raum Pittsburgh seit 1990 um 44 Prozent gesunken sei, analysiert die "New York Times". Aber erstens habe der Rückgang durch Strukturwandel lange vor Inkrafttreten von Nafta eingesetzt. Zweitens stünden den 5100 verlorenen Stahljobs 66.000 neue Arbeitsplätze allein in der Gesundheitswirtschaft gegenüber, die dynamisch wachse.

Handelskammer kritisiert Trump

Auch Trumps neue Liebe zum Teleprompter findet in den US-Medien Beachtung. Das Online-Portal "Mother Jones" spottet: So wie man Trump von früheren Wahlkampfauftritten ohne Manuskript kenne, hätte er in freier Rede wohl noch mehr Unsinn erzählt. Zum Beispiel, dass die Arbeitslosenrate unter Obama auf 40 Prozent gestiegen sei und 50 Millionen Menschen ihre Jobs verloren haben. Auch so sei seine Rede aber immer noch "full of shit" gewesen.

Offenen Widerspruch erntete Trump aus den Reihen der Republikanischen Partei, zu deren offiziellem Kandidaten er sich beim Parteitag in zweieinhalb Wochen in Cleveland küren lassen möchte. Und von der "Chamber of Commerce", der amerikanischen Handelskammer. Trumps Vorschläge zur Handelspolitik und zu neuen Zöllen gegen China würden die USA mindestens 3,5 Millionen Jobs kosten, warnte die Handelskammer in einer Reaktion auf Trumps Rede.

Benghasi-Untersuchung endet ohne neue Vorwürfe gegen Clinton

Hillary Clinton hat unterdessen eine Sorge weniger. Der Kongress beendete seine Untersuchung der Vorfälle in Benghasi, Libyen. Es war die längste und teuerste Untersuchung in der Geschichte des Parlaments. In Benghasi waren am 11. September 2012 vier Amerikaner bei einem überraschenden Angriff islamischer Milizen auf das US-Konsulat ums Leben gekommen, darunter Botschafter Christopher Stevens. Republikaner hatten den Vorwurf erhoben, die damalige Außenministerin Hillary Clinton trage eine Mitschuld, weil sie nicht rechtzeitig reagiert und den Schutz erhöht habe. Der abschließende 800-seitige Untersuchungsbericht enthält nun aber keine neuen Belege für ein Fehlverhalten Clintons. Der größte Kollateralschaden der Untersuchung für sie war vor 15 Monaten die Erkenntnis, dass Clinton ihre Dienst-Emails über einen privaten Server geleitet hatte.

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