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USA: Die Rest-Reform Obamas

Mit dem Gesundheitsgipfel versuchte US-Präsident Barack Obama, sein wichtigstes Projekt zu retten. Die US-Medien sehen Obama als Sieger des Parteiengesprächs und neue Chancen für das Projekt.

Der Gesundheitsgipfel, bei dem Präsident Obama am Donnerstag Kompromissmöglichkeiten mit den Gegnern seiner Reform ausloten wollte, hat sich, wie befürchtet, in weiten Strecken als ideologisches Schaulaufen erwiesen. In den sechs Stunden, die live im Fernsehen übertragen wurden, gab es nur in kurzen Phasen eine Sachdebatte. Demokraten und Republikaner waren darin einig, dass man die Kosten des Systems reduzieren müsse, weil sonst die öffentlichen Haushalte kollabieren. Die Demokraten möchten das mit schärferen Regelungen erreichen. Die Republikaner sagen, nur der private Wettbewerb könne das leisten.

Mit dem Gipfel will Obama die Krankenversicherungsreform wiederbeleben, die im Kongress blockiert ist. Zu Beginn des Schlagabtauschs appellierte der Präsident an den Kongress, das Projekt nicht kurz vor der Ziellinie aufzugeben. Der Zeitpunkt für eine umfassende Gesundheitsreform sei jetzt, sagte Obama. Das amerikanische Volk werde es nicht verstehen, wenn der Kongress das Vorhaben ein Jahr lang ausführlich diskutiere, zwei Gesetzentwürfe dazu verabschiede, es dann aber fallen lasse. Die Republikaner kritisierten, man habe sie nicht in die Verhandlungen einbezogen und ihre Vorschläge zur Reform ignoriert. Sie seien zur Kooperation bereit, aber nur, wenn die beiden Gesetzentwürfe, die die Demokraten mit ihren Mehrheiten im Abgeordnetenhaus und dem Senat verabschiedet haben, auf die Seite gelegt werden und man gemeinsam von vorne beginne.

Das Weiße Haus war am Ende dennoch zufrieden. Die meisten Fernsehkommentatoren meinen, Obama sei der Sieger des Tages. Da er das Treffen moderierte und entschied, wer wann reden darf, sei es ihm gelungen, die Republikaner als Nein-Sager vorzuführen, die die Reform pauschal ablehnen, aber keine überzeugenden Gegenvorschläge machen. Anders sehen es konservative Medien wie der einflussreiche Sender Fox. Dort lautete die Analyse, die Republikaner hätten deutlich gemacht, dass Obama viel zu weit gehende Eingriffe des Staates anstrebe und die Bürger bei den Entscheidungen über ihre Gesundheitsversorgung bevormunden wolle. Obama hofft, dass die Bürger seine Reformziele nun besser verstehen. Das würde es ihm erlauben, die Reform an den Republikanern vorbei durch den Kongress zu bringen.

Obama hatte in das Blair House, das Gästehaus des Präsidenten auf der Nordseite des Weißen Hauses, eingeladen. Die mehr als 40 Teilnehmer saßen an Tischen, die in einem großen Rechteck angeordnet waren. Neben Obama sprachen sein Vize Joe Biden und Gesundheitsministerin Kathleen Sibelius für die Regierung. Die Republikaner und die Demokraten schickten ihre Fraktionsführer in Abgeordnetenhaus und Senat sowie die Vorsitzenden der Ausschüsse, die mit der Gesundheitsreform befasst sind.

Das Projekt ist Obamas zentrales Vorhaben. Die Kosten der Krankenversorgung steigen schneller als andere Preise; immer mehr Menschen verlieren ihre Versicherung, weil sie und ihre Arbeitgeber meinen, die Beiträge nicht mehr bezahlen zu können. Heute haben schätzungsweise 47 Millionen keine Versicherung, das entspricht 15 Prozent der Bevölkerung. Zugleich reißen die Steuernachlässe für die Prämien und die staatlichen Zuschüsse für die Versorgung der Armen (Medicaid) und der Pensionäre (Medicare) immer größere Löcher in die öffentlichen Haushalte. Strittig ist, ob es eine staatlich getragene Versicherung als Konkurrenz zu den privaten Anbietern geben soll, und wie man generell mehr Wettbewerb in den hoch regulierten Markt für Gesundheitsleistungen bringt. Vorgaben, die ursprünglich günstige Beiträge ermöglichen sollten, haben sich im Alltag als Werkzeuge zum Protektionismus der Versicherungs- und Pharmabranche sowie zur Monopolbildung in einzelnen Bundesstaaten erwiesen. Bill Clinton, der letzte demokratische Präsident vor Obama, war 1993/94 mit seinem Reformversuch im ersten Anlauf gescheitert.

Obama kam wesentlich weiter und hatte sein Ziel fast erreicht. Im Herbst hatte das Abgeordnetenhaus eine umfassende Reform verabschiedet, am 24. Dezember war der Senat mit einer abweichenden Version gefolgt. Die beiden Entwürfe sollten im Januar zu einer gemeinsamen Fassung vereinigt werden; beide Kammern hätten darüber erneut abstimmen müssen. Doch durch die Niederlage bei der Senatsnachwahl in Massachusetts verloren die Demokraten die nötige Mehrheit im Senat. Je näher die Kongresswahl am 2. November 2010 rückt, desto fraglicher wird, ob alle Demokraten, die 2009 für die Reformentwürfe gestimmt haben, erneut mit Ja votieren. Teile der Reform sind unpopulär, insbesondere in konservativen Bundesstaaten, aus denen eine Reihe moderater Demokraten kommt.

Mit dem Gipfel versucht Obama öffentliche Unterstützung zu mobilisieren. Er möchte seine Reform entweder mit einem Ausnahmeverfahren durch den Kongress bringen, bei dem geringere Mehrheiten nötig sind. Oder notfalls deren Umfang reduzieren in der Annahme, dass dann mehr Abgeordnete zustimmen.

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