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Die Chefin des Secret Service, Julia Pierson, zieht die Konsequenzen aus den zahlreichen Sicherheitspannen.

© dpa

Update

USA: Obama entlässt Chefin des Secret Service

Ein bewaffneter Sicherheitsmann kann sich bei einem Besuch von Barack Obama unkontrolliert in dessen Nähe aufhalten. Ein Whistleblower enthüllt noch viel mehr Pannen beim Schutz des US-Präsidenten. Nun gibt es personelle Konsequenzen.

US-Präsident Barack Obama hat nach der jüngsten Pannenserie bei seinem Sicherheitsdienst die Chefin des Secret Service gefeuert. Ein Sprecher des Präsidenten erklärte am Mittwoch, Obama habe entschieden, dass die für seine Leibwächter zuständige Behörde eine neue Führung benötige. Heimatschutzminister Jeh Johnson hatte kurz zuvor den “Rücktritt“ von Julia Pierson bekanntgegeben. Piersons Aufgaben übernimmt vorerst Joseph Clancy, ein langjähriger Mitarbeiter des Secret Service.

Zuvor war bekannt geworden, dass es bei Barack Obamas Besuch bei der Seuchenschutzbehörde in Atlanta eine weitere gravierende Sicherheitslücke gegeben hatte. Ein privater Sicherheitsmann der Behörde fuhr mit dem Präsidenten und seinen Leibwächtern gemeinsam in einem Aufzug. Er verhielt sich allerdings unangemessen. Mit einem Handy filmte er Obama – und hörte damit auch nicht auf, obwohl der Secret Service darauf bestand. Als sich die Aufzugtüren öffneten und Obama ausgestiegen war, blieben Secret-Service-Leute zurück, um den Vorfall zu klären. Der Mann, wie sich herausstellte, hat mehrfach Einträge im Vorstrafenregister. Sein Chef wurde hinzugezogen, der feuerte den Angestellten an Ort und Stelle. Brav übergab der Sicherheitsmann seine Waffe. Entsetzt mussten die Secret-Service-Leute feststellen, dass ein unbefugter Bewaffneter dem US-Präsidenten auf nur wenige Zentimeter nahe gekommen war.

Seit Tagen wird das Weiße Haus mit Enthüllungen über Sicherheitspannen beim Schutz des US-Präsidenten und seines Amtssitzes im Herzen Washingtons gejagt. Die jüngste Enthüllung der „Washington Post“ ist schon die dritte dieser Art. Und sicher die gravierendste. Offenbar gibt es einen Whistleblower im Secret Service oder im Weißen Haus, der die Öffentlichkeit mit Informationen versorgt, die sonst im Apparat unter Verschluss gehalten würden.

Whistleblower aus dem Apparat

Der republikanische Abgeordnete Jason Chaffetz, Vorsitzender des Secret Service-Kontrollkomitees im Parlament, zumindest sagte der „Post“, er habe die Geschichte aus Atlanta von einem Whistleblower gehört. „Man hat da einen überführten Straftäter auf Armeslänge vom Präsidenten“, empört sich Chaffetz, „und sie haben nie einen Backgroundcheck gemacht. Worte sind nicht stark genug, um die Empörung auszudrücken, die ich für die Sicherheit des Präsidenten und seiner Familie empfinde.“ Das Land könnte heute ein anderes sein, wenn der Mann die Waffe gezogen hätte, warnte Chaffetz noch. „Sein (Obamas) Leben war in Gefahr.“ Präsidentensprecher Josh Earnest versprach nun Reformen beim Secret Service.

Der „Post“ hatte in der vergangenen Woche schon ein Informant die Geschichte von Omar J. Gonzales erzählt. Der Mann, der im September die schwarzen Zaungitter am Weißen Haus überwunden hatte, war weiter gekommen als es zunächst öffentlich hieß. Gonzales war mit einem Messer bewaffnet. Und erst im prächtigen East Room stoppte ihn ein Secret Service-Mann. Die Geschichte klang ganz anders als die von einem Mann, der über den Rasen am Weißen Haus läuft.

Auch von der missratenen Ermittlung zu den Schüssen aufs Weiße Haus im November 2011wußte die Öffentlichkeit nichts, bis zur vergangenen Woche. Oscar Ortega-Hernandez hatte damals mindestens sieben Schüsse abgegeben, von denen mehrere den Wohnbeeich des Hauses trafen. Die jüngere Obama-Tochter Sasha und Obamas Schwiegermutter waren zu dem Zeitpunkt im Weißen Haus. Erst nach vier Tagen, als eine Haushälterin Scherben auf dem Balkon fand, realisierte demnach der Secret Service, dass jemand auf das Weiße Haus geschossen hatte.

Nach mehreren Vorfällen in der Vergangenheit, in denen betrunkene und prahlende Angehörige der Leibgarde des Präsidenten die Hauptrolle spielten, sollte Pierson als Frau den macho-geprägten Dienst aufräumen. Dafür hatte sie Barack Obama im vergangenen Jahr an die Spitze des Secret Service gesetzt.

Das Messer in der Bibel

Trotz immer neuer Absperrgitter und Straßenumlegungen ist in den vergangenen fünf Jahren 16 Leuten gelungen, den Zaun zum Weißen Haus zu überwinden, allein sechs davon in diesem Jahr. Die Zahl ist groß, die Eindringlinge aber reihen sich in eine lange Geschichte ein. In einer Bibel hatte einmal ein Mann in weißem Karate-Outfit ein Messer versteckt, als er auf die Gründe der US-Präsidenten eindrang, schreibt die „New York Times“ in einer gedruckten Geschichtsstunde.

Auch Präsident Theodore Roosevelt bekam demnach Besuch aus dem Volk. Ein Mann, der sich John Smith nannte, was in den USA soviel bedeutet wie Hans Jedermann, behauptete, er habe eine Verabredung. Roosevelt ließ ihn vor, befand aber recht schnell, dass dieser „Spinner“ das Hus verlassen sollte. Erst da fand der Schutz des Präsidenten die großkalibrige Waffe in der Tasche des Mannes.

Franklin D. Roosevelt wiederum bekam Besuch während einer Filmvorführung. Einem Mann war es gelungen, sich in den Vorführungssaal zu schmuggeln. Während Ronald Reagans Präsidentschaft gelang es einem, sich bei der zweiten Amtsübernahme Reagans hinter dem Marine Orchester mit einzuschleichen. Und Präsident John Tyler wurde auf der Grünfläche südlich des Weißen Haus von einem betrunkenen Maler mit Steinen beworfen. (mit Reuters)

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