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Obama

© dpa

USA: Protest gegen Obama

Zehntausende protestieren gegen die Gesundheitsreform in den USA – Präsident Barack Obama warnt vor Angstmacherei.

Die Gräben werden tiefer, die Parolen schriller. „Wir wollen ein freies Amerika und keinen Kommunismus“, „sozialistische Gesundheitsversorgung funktioniert nicht“ – so lauteten die Parolen bei einer Demonstration gegen die von US-Präsident Barack Obama geplante Gesundheitsreform am Samstag in Washington. Zehntausende waren aus dem ganzen Land angereist und demonstrierten mit handbeschriebenen Plakaten vor dem Kapitol – gegen „zu viel Regierung“, gegen die „Ausgabenwut der Demokraten“. Die Demonstration war die größte Protestveranstaltung seit Obamas Amtsantritt im vergangenen Januar.

Jenni Goyet war mit ihrer Familie aus dem 330 Kilometer entfernten Virginia Beach im Bundesstaat Virginia in die Hauptstadt gekommen. Ihr Nein zur geplanten Gesundheitsreform sei nur ein Grund für ihre Teilnahme, sagte sie: „Ich habe sieben und vier Jahre alte Kinder, und wir haben sie schon genug mit Schulden überhäuft“, erklärte Goyet auf dem öffentlichen Rundfunksender NPR.

„Sie sollen uns in Frieden lassen“, zischte ihre Mutter Dedi Rapp. Sie plagt wie viele Amerikaner die ewige, für Europäer schwer nachvollziehbare Angst vor der Omnipotenz des Staates, vor „Big Government“.

Der Hauptorganisator der Kundgebung war die konservative „Freedom Works Foundation“. Sie macht seit Monaten gegen Obamas Gesundheitsreform mobil und hat das „astroturfing“ (Kunstrasen- Legen) perfektioniert. Mittels politischer PR wird eine künstliche Graswurzelbewegung geschaffen, die dann bei Bürgerversammlungen Abgeordnete der Demokraten unter Beschuss nimmt. Die Taktik ist so erfolgreich, dass nun echter Volkszorn auf dem „Kunstrasen“ sprießt.

Ein Dilemma für Obama, der die Gesundheitsreform zur innenpolitischen Priorität seiner Amtszeit macht und diese bis Ende des Jahres unter Dach und Fach bringen will. Nachdem er die Diskussion im vergangenen Monat weitgehend den Gegnern überließ, stieg er vergangene Woche selbst in den Ring. Es sei untragbar, dass 46 Millionen Bürger nicht krankenversichert seien, schimpfte er vor dem Kongress. Betont kämpferisch gab er sich auch am Wochenende in der Basketball-Arena in Minneapolis. Vor rund 10 000 Menschen verteidigte er sein Reformwerk und warf den Kritikern Angstmacherei vor, „statt sich einer ehrlichen Debatte zu stellen“.

Obama versprach, dass er weder heute noch in der Zukunft ein Gesetz unterschreiben werde, das das Staatsdefizit auch nur um zehn Cent erhöhen würde. Vielmehr sollen private und öffentliche Versicherungen miteinander konkurrieren. Die Kosten schätzt er auf 900 Milliarden Dollar über zehn Jahre.

Viele Bürger fürchten nicht nur, dass sie ihre Versicherung oder ihren Arzt wechseln, sondern zukünftig auch höhere Steuern zahlen müssen. Nach der Rechnung des republikanischen Senators John Cornyn werde die Reform gar mit 2,4 Billionen Dollar zu Buche schlagen.

In den USA genießen rund 160 Millionen Einwohner einen zumeist guten bis exzellenten Versicherungsschutz, da sie und ihre Familie über einen Arbeitgeber versichert sind. Rund 25 Millionen Bürger versichern sich selbst. 43 Millionen sind über Medicare, die staatliche Versicherung für über 65-Jährige, abgesichert. 53 Millionen durch Medicaid, eine Versicherung für Sozialhilfeempfänger.

Bei der Gesundheitsreform geht es vor allem um die 46 Millionen Nichtversicherten. Darunter sind Menschen, die wegen schwerer Vorerkrankung ihre einstige Versicherung verloren und nun keine neue finden.

Solidarität mit weniger Glücklichen hin oder her – wütende Amerikaner pochen einmal mehr auf den Gründermythos ihres Landes: Individualität und Freiheit des Einzelnen. Der konservative Protest zeigt bereits Wirkung: 53 Prozent der Amerikaner beurteilen Obamas Gesundheitspolitik negativ, zwölf Prozent mehr als im März.

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