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UN-Friedenstruppen sind zuletzt bei den Golan-Höhen zwischen die Fronten geraten. Dort überwachen sie den brüchigen Frieden zwischen Israel und Syrien.

© AFP

Vereinte Nationen: Der machtlose Friedensbringer

Während weltweit zahlreiche Regionen im Krieg versinken, schauen die Vereinten Nationen nur zu. Im Sicherheitsrat blockieren sich in Kalter Krieg-Manier Russland und die USA gegenseitig.

So viel Krieg war selten. Die Welt scheint in diesem Jahr aus den Fugen zu geraten. Im Osten Europas, im Nahen Osten, in Afghanistan und in vielen Ländern Afrikas dröhnen die Waffen. Terrororganisation wie der „Islamische Staat“ errichten Schreckensherrschaften. Und die Vereinten Nationen, so scheint es, schauen nur zu. Es ist diejenige Organisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg angetreten war, der Welt den Frieden zu bringen.

Ihre Hilflosigkeit offenbart sich besonders dramatisch in der Ukraine, in Gaza und in Syrien. Zwei Vetomächte im wichtigsten UN-Gremium, dem Sicherheitsrat, spielen dabei eine Schlüsselrolle: Russland und die USA. Moskau beteiligt sich offenbar aktiv am Ukraine-Krieg. Gleichzeitig würgt der Kreml alle Initiativen des Sicherheitsrates ab, die seine Positionen in der Ukraine gefährden könnten. Ähnlich agiert Russland im Syrien-Konflikt. Bereits zu Beginn der Konfrontation 2011 verhinderte Moskau eine harte Gangart der UN gegen den Diktator Baschar al Assad. Damals hätte die Weltorganisation den blutigen Bürgerkrieg mit einem Waffen- und Wirtschaftsembargo möglicherweise noch stoppen können. Und man hätte wahrscheinlich die Ausbreitung des monströsen „Islamischen Staates“ eindämmen können.

Die USA wiederum nahmen während des Gaza-Kriegs vom Sommer 2014 im Sicherheitsrat auch eine Konfliktpartei in Schutz: Israel. Die Amerikaner zwangen den Rat zur Passivität – genauso wie sie es im Nahost-Konflikt seit Jahren tun. Washington und Moskau legen damit in drei gefährlichen Konflikten dasjenige Gremium an die Kette, das laut Charta „die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ trägt. Sobald der UN-Rat sich querlegen könnte, heißt es Njet oder No. Beide Vetomächte schalten nur dann die Vereinten Nationen nur ein, wenn es ihren Interessen dient. Somit bleiben den UN allein die Rollen des humanitären Feuerwehrmannes und des Anklägers – und das durchaus erfolgreich.

Ohne die Nothilfe der Weltorganisation würden zum Beispiel im syrischen Bürgerkrieg vermutlich weitaus mehr Menschen sterben. Und wohl nur das UN-Flüchtlingshilfswerk kann die Betreuung für Millionen Flüchtlinge organisieren können. Zudem sammelt das Hochkommissariat für Menschenrechte Beweise gegen Folterer, Vergewaltiger und Mörder. Später soll das Material in Prozessen verwendet werden. So wissen Kriegsverbrecher rund um den Globus: Ihre Gräuel werden dokumentiert – und möglicherweise auch bestraft.

Dennoch bleiben die UN bei der Konfliktbeilegung in der Regel außen vor. Und nichts deutet darauf hin, dass sich daran etwas ändert. Moskau und Washington beharren auf ihrer Macht im Sicherheitsrat und werden ihr Einspruchsrecht nicht freiwillig aufgeben. Beide machten das Vetorecht schon zur Bedingung für ihren UN-Beitritt. Das ist der Preis, den die Welt bis heute für ihr Mitwirken zahlen muss. Der Sicherheitsrat kann Kriege nur verhindern oder stoppen, wenn die großen Mitglieder an einem Strang ziehen. Und das dürfte bei der aufziehenden Eiszeit zwischen Moskau und Washington nur noch selten der Fall sein.

Jan Dirk Herbermann

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