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Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

© AFP

Mossul: Verhindert die Türkei den geplanten Angriff auf den IS?

Die geplante Offensive gegen den IS zur Befreiung von Mossul ist in Gefahr, weil die Türkei Ansprüche stellt. Eine Übersicht über eine komplizierte Lage.

Kurz vor der erwarteten Offensive der Anti-IS-Allianz in der nordirakischen Großstadt Mossul sorgen türkische Ansprüche auf eine Rolle in der Region für starke Turbulenzen, die den geplanten Angriff gefährden könnten. Ankara beharrt auf einer Teilnahme an der Operation, obwohl die irakische Zentralregierung dies ausdrücklich ablehnt. Die USA versuchen zu vermitteln, doch Präsident Recep Tayyip Erdogan will nicht einlenken, weil er in Mossul wichtige Interessen seines Landes auf dem Spiel sieht.

Erdogan lieferte sich in den vergangenen Tagen ein wütendes Wortgefecht mit dem irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi, der die Auflösung eines türkischen Militärstützpunktes in Bashiqa bei Mossul forderte. Erdogan erwiderte, das „Geschrei“ Abadis werde die Türkei nicht von ihrem Kurs abbringen. Im übrigen erkenne er den irakischen Premier nicht als Gesprächspartner an.

Auf der Basis in Bashiqa rund 20 Kilometer nordwestlich von Mossul sind bis zu 2000 türkische Soldaten mit Panzern und Artillerie stationiert. Erdogan hatte die Truppen auf Einladung der Behörden der irakischen Kurdenregion nach Bashiqa geschickt; sie sollen kurdische und pro-türkische Kämpfer für den Angriff auf Mossul ausbilden und den Stützpunkt gegen Angriffe des "Islamischen Staates" (IS) schützen.

Der IS hatte Mossul, eine Millionenstadt am Tigris, vor zwei Jahren eingenommen; die Stadt und ihre ölreiche Umgebung zählen zu den wichtigsten Eroberungen der Dschihadisten in Syrien und im Irak. Die US-geführte Allianz gegen den IS bereitet seit Monaten einen Großangriff auf Mossul vor – eine Vertreibung des IS aus wäre eine wichtige Wegmarke bei den Bemühungen, die Terrormiliz zu besiegen.

Dass der militärisch stark geschwächte IS die Schlacht um Mossul verlieren wird, steht für amerikanische Planer angesichts der Übermacht der Allianz fest. Sie arbeiten deshalb daran, die Weichen für die Zeit nach einer IS-Niederlage zu stellen, um ethnische Spannungen in der Stadt zu verhindern. Mossul ist mehrheitlich sunnitisch, während die irakische Armee und die Regierung von Schiiten beherrscht werden.

Türkei warnt vor Schiiten

Der Blick auf die Zeit nach der Schlacht leitet auch das Interesse der sunnitischen Türkei an der Situation. Ministerpräsident Binali Yildirim warnte vor demographischen Veränderungen zugunsten der Schiiten. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin betonte, die Kämpfe um Mossul könnten eine neue Massenbewegung von Flüchtlingen in die Türkei auslösen. Außerdem ist Ankara besorgt, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) am Angriff auf Mossul teilnehmen und daraus Ansprüche ableiten könnte.

Ankara will sich deshalb mit der Teilnahme der von den türkischen Truppen ausgebildeten Milizen an der Offensive ein Mitspracherecht über die Zukunft der Region sichern - obwohl die Regierung in Bagdad eine Mitwirking der Türkei ablehnt.

Als Führungsmacht der Allianz erklärten die USA, der Angriff auf Mossul stehe unter irakischem Befehl, doch Erdogan und seine Gegner lassen sich davon nicht beeindrucken. Verteidigungsminister Fikri Isik sagte, niemand solle sich einbilden, dass die Türkei bei Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur von Mossul tatenlos zuschauen werde. Seit Tagen zieht die türkische Armee zusätzliche Truppen an der irakischen Grenze zusammen.

Wie andere türkische Politiker verwies Minister Isik auf „historische Bande“ zwischen der Türkei und Mossul. Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte die Stadt zum Osmanischen Reich; Erdogan-Anhänger argumentieren, anschließend geschlossene Verträge räumten der Türkei ein Mitspracherecht über Mossul ein. Bagdad sieht das allerdings ganz anders.

Der Streit destabilisiert die internationale Mossul-Koalition und könnte am Ende genau das Gegenteil von dem bewirken, was Ankara erreichen will: Im Irak könnte eine anti-türkische Stimmung schiitische Kräfte und den Iran stärken, schrieb der Nahost-Experte Aaron Stein von der Denkfabrik Atlantic Council in Washington in einem Blog-Beitrag für sein Institut.

Erdogan will dennoch an seiner Linie festhalten. Die Türkei brauche keine Genehmigung anderer Akteure, um gegen Bedrohungen in ihrer Umgebung vorzugehen, sagte er. Das Beispiel Mossul zeigt, dass die geplante Vertreibung des IS aus einer Stadt keine Garantie dafür ist, dass in Syrien oder im Irak der Frieden einkehrt.

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