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Trickst Finanzminister Christian Lindner bei den Schulden?

© Foto: Reuters/Michele Tantussi

Verschuldet bei sich selbst?: Der Doppelwumms und seine merkwürdige Finanzierung

Die Ampel-Koalition hat ein 200-Milliarden-Sondervermögen für die Energiepreisbremsen eingerichtet. Dessen Finanzierung wirft Fragen auf

Der „Doppelwumms“ ist unterwegs. Auf diesen Begriff hat Kanzler Olaf Scholz das 200-Milliarden-Sondervermögen gebracht, mit dem die Bundesregierung die Folgen der Energiepreisexplosion vor allem bei Gas und Strom abfedern will. Schaut man genauer hin, wie es finanziert werden soll, wäre Wumms mit doppeltem Boden allerdings auch keine falsche Bezeichnung.

Denn was die Ampel-Koalition sich da möglicherweise ausgedacht hat, ist zumindest merkwürdig – wenn nicht sogar bedenklich. Zur Finanzierung von Gaspreisbremse, Strompreisdeckelung und einigen anderen Maßnahmen hat die Regierung den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) wiederbelebt, der im ersten Corona-Jahr zur Unterstützung von Unternehmen aufgelegt worden war.

Der WSF ist ein klassischer Nebenhaushalt, der eigene Kredite aufnehmen darf. Und die 200 Milliarden Euro werden über neue Schulden finanziert. Dass der WSF noch nicht abgewickelt worden war, traf sich somit gut. Das Fass, das gefüllt werden musste, war schon vorhanden.

2023 soll Schuldenbremse wieder gelten

Der Doppelwumms wirkt zum allergrößten Teil erst im kommenden Jahr und teils auch noch 2024. Für 2022 sind keine Maßnahmen vorgesehen. Allerdings hat sich die Ampel-Koalition vorgenommen, ab 2023 die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Genauer gesagt: SPD und Grüne haben sich dieser Forderung von Bundesfinanzminister Christian Lindner und seiner FDP bei der Aufstellung des Koalitionsvertrags gebeugt und sind nun daran gebunden. Eine Kreditfinanzierung der Maßnahmen im Sondervermögen im kommenden Jahr ist somit nicht möglich.

Im laufenden Jahr gilt dagegen noch die Notfallklausel der Schuldenbremse, die Bundesregierung kann also 2022 weitere neue Kredite aufnehmen. Daher lag offenbar die Idee nahe, die Schulden doch einfach jetzt zu machen, auch wenn die damit finanzierten Zahlungen erst in den kommenden beiden Jahren anfallen. So steht im Wirtschaftsplan des WSF nun, dass das Sondervermögen „zur Aufnahme von Krediten im Jahr 2022 ermächtigt wird“. Und als „Einnahme aus Krediten vom Kreditmarkt“ werden für 2022 dann 200 Milliarden Euro genannt.

Andererseits ist es keine geringe Sache, einfach mal zusätzlich eine solche Summe auf einen Schlag am Finanzmarkt aufzunehmen. Sie entspricht immerhin ungefähr der Hälfte dessen, was die Finanzagentur des Bundes – sozusagen die Schuldenmacherin der Regierung – im gesamten Jahr 2022 für die Kreditaufnahme eingeplant hat. Üblicherweise gilt auch am Finanzmarkt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Und wenn das Angebot plötzlich massiv steigt, dann kann das teuer werden. Sprich: Die Koalition würde riskieren, höhere Zinsen bieten zu müssen.

Anleihen auf Halde?

So kam der Finanzminister wohl auf die trickreiche Lösung, die sich aus dem Wirtschaftsplan des WSF und aus Äußerungen von Haushaltspolitikern der Koalition erschließen lässt. Es werden nun von der Finanzagentur zwar Anleihepapiere mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro geschaffen, aber erst einmal gar nicht am Finanzmarkt platziert. Sie werden offenbar im Eigenbestand der Finanzagentur gehalten.

Solche Eigenbestände werden bei vielen Anleihe-Emissionen zurückbehalten, um zur „Marktpflege“ genutzt zu werden. Das bedeutet, dass sie erst später schrittweise und je nach Gelegenheit und Bedarf an Investoren verkauft werden.

So könnte es nun auch mit den 200 Milliarden Euro im WSF laufen. Wenn der Bund 2023 und 2024 die Mittel braucht, gibt die Finanzagentur schrittweise Papiere an den Markt und nimmt Geld ein. Zwar steht im WSF-Wirtschaftsplan auch, dass die sozusagen virtuell aufgenommenen Kredite in voller Höhe von 200 Milliarden Euro einer Rücklage zugeführt werden. Aber wie der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke am Freitag erläuterte, kann der WSF aus bilanziellen Gründen gar keine Rücklagen bilden. Die Rücklage wäre dann der Eigenbestand der Finanzagentur.

Das würde aber auch bedeuten: Der Bund verschuldet sich 2022 für den Doppelwumms virtuell erst einmal bei sich selbst, um so die Schuldenbremse 2023 einhalten zu können.

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