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Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Vorfall auf Sylt: Antisemitismusbeauftragter ist schockiert über rechtsextreme Gesänge

Die rassistischen Parolen von einer Feier auf Sylt sorgen weiter für Empörung. Der Antisemitismusbeauftragte Klein sieht darin den Beleg, dass menschenfeindliche Ideologie in die Gesellschaft vordringt.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat den rechtsextremen Zwischenfall in einer Nobelbar auf der Insel Sylt verurteilt. „Die Aufnahmen von der gegrölten rassistischen Umtextung eines bekannten Liedes auf Sylt schockieren mich“, sagte Klein dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Nicht etwa, weil mich die Existenz solch menschenfeindlicher Ideologie überrascht, sondern weil sie ganz offensichtlich Teil der Popkultur und in einem Milieu salonfähig geworden ist, dem klar sein müsste, dass Ausländer maßgeblich zu unserem Wohlstand beitragen.“

Klein fügte hinzu: „Wer in klassischer Nazi-Manier ‘Deutschland den Deutschen’ fordert, schließt damit alle angeblich ‘nicht-deutschen’ Gruppen aus, die vermeintlich weniger wert sind, darunter Menschen mit Migrationshintergrund, Sinti und Roma, aber auch Jüdinnen und Juden.“

Auf dem nur wenige Sekunden langen Video, das viral gegangen war und zu Pfingsten entstanden sein soll, ist zu sehen und zu hören, wie junge Menschen zur Melodie des mehr als 20 Jahre alten Party-Hits „L'amour toujours“ von Gigi D'Agostino rassistische Parolen grölen. Scheinbar völlig ungeniert und ausgelassen singen sie „Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!“.

Ein Mann macht eine Geste, die an den Hitlergruß denken lässt. Von den Umstehenden scheint sich niemand daran zu stören. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen

Steinmeier besorgt über „die Verrohung der politischen Umgangsformen“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich besorgt über „die Verrohung der politischen Umgangsformen“ in Deutschland gezeigt. „Die jüngsten Ereignisse, die wir gerade in einem Video aus einer Bar auf der Insel Sylt gesehen und gehört haben, verstärken diese Beunruhigung“, sagte Steinmeier am Samstag beim Demokratiefest in der alten Bundeshauptstadt Bonn.

„Sie verstärken sie, weil es offensichtlich nicht nur die Randständigen, Abgehängten sind, die sich radikalisieren, sondern das ist eine Radikalisierung, die mindestens in Teilen in der Mitte der Gesellschaft auch stattfindet.“ Umso mehr komme es auf die große Mehrheit der Demokratinnen und Demokraten in Deutschland an, die Demokratie zu bewahren, Umgangsformen zu bewahren, in denen sich Demokratie entwickeln könne.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

© dpa/Thomas Banneyer

Auch Vizekanzler Robert Habeck zeigte sich bestürzt. Die Szenen seien verstörend und absolut inakzeptabel, sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wer so rumpöbelt, ausgrenzt und faschistische Parolen schreit, greift an, was unser Land zusammenhält.“

Mit Blick auf die Feiern zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes sagte Habeck, Deutschland habe es geschafft, zu einer starken Demokratie zu werden, die auf Respekt und Pluralität gebaut sei. „Das zu schützen, ist unsere Aufgabe. Solche widerlichen Pöbeleien dürfen keinen Platz haben.“

Merz: „Was geht eigentlich in den Köpfen dieser Leute vor?“

Scharfe Worte findet auch CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz. „Was geht eigentlich in den Köpfen dieser Leute vor, das ist doch auch mit Alkoholkonsum nicht mehr zu erklären“, sagte er am Samstag bei einem Programm-Parteitag der CDU Brandenburg in Potsdam zur Landtagswahl. „Das ist an keiner Stelle mehr irgendwo zu rechtfertigen oder zu erklären, was da geschehen ist. Das ist völlig inakzeptabel, dass so etwas stattfindet (...).“

CDU-Parteivorsitzender Friedrich Merz

© imago/Chris Emil Janßen/IMAGO/Chris Emil Janssen

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nannte die Bilder im Norddeutschen Rundfunk „unappetitlich“. Die Parlamentsgeschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, nannte es „widerlich, wie hier scheinbar privilegierte Menschen in Party-Stimmung ausländerfeindliche Nazi-Parolen grölen“. Leider sei niemand zu hören, „der ein klares Stopp ausspricht“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Samstag).

Linken-Chef Martin Schirdewan sagte der Zeitung, Rassismus und Demokratieverachtung seien nicht nur ein Problem unterer gesellschaftlicher Klassen: „Mit dem Privatjet zur Party fliegen und dort im Suff die Abschiebungen derjenigen zu fordern, die allzu oft die schwere und schlecht bezahlte Arbeit in diesem Land machen, ist so schäbig wie bezeichnend.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich schon am Freitag zu den Parolen geäußert. Auf der Internetplattform X, vormals Twitter, bezeichnete er sie als „eklig“. „Sie sind nicht akzeptabel.“ Und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wer Nazi-Parolen wie ‚Deutschland den Deutschen - Ausländer raus‘ grölt, ist eine Schande für Deutschland“. (dpa/epd/AFP)

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