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Vorwürfe: Türkische Armee geht in Gegenoffensive

Der türkische Generalstabschef weist vehement den Vorwurf zurück, die Armee plane einen Putsch gegen die Regierung Erdogan. Selten war die türkische Armee im eigenen Land politisch so unter Beschuss wie derzeit.

Seit die unabhängige Zeitung „Taraf“ vor zwei Wochen ein Dokument veröffentlichte, bei dem es sich um eine Art Putschplan der Armee gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan handeln soll, sind die Militärs in der Defensive. Am Freitag traten die Generäle nun zu einer Gegenoffensive an: Generalstabschef Ilker Basbug verwahrte sich bei einer Pressekonferenz in Ankara gegen die Putschvorwürfe und drohte: „Hände weg von der Armee.“

Doch der Streit um den angeblichen Umsturzversuch dürfte ungeachtet dieser Positionierung weitergehen – die Militärs sind bei vielen Türken längst nicht mehr über jeden Zweifel erhaben.

Laut „Taraf“ unterschrieb ein Oberst im Generalstab von Ankara im April diesen Jahres ein vierseitiges Papier, das mehrere Vorschläge für eine Destabilisierungskampagne gegen die islamisch-konservative Erdogan-Regierung und die regierungsfreundliche Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen auflistet. Ziel sei es, die Regierung zu verunsichern, die türkischen Rechtsparteien zu stärken und die Gülen-Anhänger in der Öffentlichkeit zu Terroristen zu stempeln.

In den zwei Wochen seit der Veröffentlichung hat sich die türkische Armee mehr Kritik anhören müssen als sonst in einem ganzen Jahr. Selbst normalerweise armeefreundliche Medien gingen mit den Generälen ins Gericht.

Unterdessen kam eine Untersuchung der Militärstaatsanwaltschaft zum Ergebnis, dass das Papier nicht im Generalstab angefertigt worden sei – der Persilschein konnte in großen Teilen der Öffentlichkeit aber die Zweifel nicht zerstreuen. Erdogans Regierungspartei AKP reichte Strafanzeige gegen Unbekannt ein, um über die zivile Justiz die Wahrheit herauszufinden.

Generalstabschef Basbug wies am Freitag die „Kampagne“ gegen die Armee zurück, die seiner Ansicht zufolge in der Öffentlichkeit laufe. Die Streitkräfte sollten damit geschwächt und angeschwärzt werden. Gleichzeitig bemühte sich der General, die Demokratietreue der Armee herauszustellen. Er werde als Generalstabschef keine antidemokratischen und illegalen Aktivitäten in der Armee dulden, sagte er.

Das eigentliche Problem für Basbug ist aber, dass die türkische Armee noch vor relativ kurzer Zeit Dinge tat, die überhaupt nicht zu demokratischen Standards passen. Vor zwei Jahren drohte sie offen mit einem Putsch gegen Erdogan. Vor vier Jahren verübten Agenten eines Armeegeheimdienstes im kurdischen Südosten einen tödlichen Bombenanschlag, um in der Region die Spannungen anzuheizen. Es gebe immer noch einige, die glaubten, was der Generalstab sage, kommentierte „Taraf“-Chefredakteur Ahmet Altan am Freitag. „Aber dieses Land hat die Lügen von früher nicht vergessen.“

Deshalb dürfte der Streit um den angeblichen Putschplan auch nach Basbugs Auftritt weitergehen. Regierungschef Erdogan selbst bekräftigte, seine Partei bleibe auch weiterhin bei ihrer Anzeige – die zivile Justiz könne schließlich zu anderen Ergebnissen kommen als der Militärstaatsanwalt. Die Zeitung „Radikal“ kommentierte, auf etwaige Beweise hinsichtlich der Echtheit des Dokuments komme es nun eigentlich nicht mehr an: Jeder glaube ohnehin, was er glauben wolle. Für die eine Seite sei die Armee auf jeden Fall schuldig. Für die Armeeanhänger sei der angebliche Plan ein Machwerk islamistischer Kreise, um die Militärs zu schwächen. Die Wahrheit aber werde vielleicht niemals ans Licht kommen.

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