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Wer wählt, entscheidet mit.

© picture alliance/dpa / Bernd Weißbrod

Wahlen für 16-Jährige: Demokratie muss man üben können

Nicht nur in Europa, auch beim Bundestag sollten Jugendliche mitwählen dürfen. Der Grund ist einfach: Es gibt nichts, was dagegen spricht.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Der Oberste Gerichtshof in Neuseeland hatte für das vergleichsweise junge Wahlvolk des Inselstaats zum Ende des Jahres eine Überraschung: Das derzeitige Wahlalter von 18 Jahren sei „diskriminierend“. Die Premierministerin befasste umgehend das Parlament.

So weit ging Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) nicht, als sie neben einer Absenkung des Wahlalters eine längere Legislaturperiode und Geschlechterparität im Bundestag forderte. „Diskriminierend“ , das wäre zu forsch. Das Grundgesetz ist deutlich: „Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.“

 Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.

Artikel 38, Absatz 2, 1. Halbsatz des Grundgesetzes

Daran wird sich das Bundesverfassungsgericht halten. Um etwas zu ändern, müsste eine Zweidrittelmehrheit die Altersgrenze neu bestimmen. Möglich wäre das. Die Grenze gilt seinem einem halben Jahrhundert, davor waren es 21 Jahre. Könnten es 16, vielleicht irgendwann sogar 14 Jahre sein?

21
Jahre alt musste man früher sein, um wählen zu dürfen. Bis zu einer Grundgesetzänderung im Jahr 1970

Für die Ab-16-Jährigen wird es höchste Zeit. Die Frage lautet nicht, ob es sinnvoll wäre, das Wahlrecht auf sie zu erstrecken, sondern: Gibt es gute Gründe, sie auszuschließen? Jüngeren mangele es an „Verstandesreife“, heißt es von Skeptikern, vornehmlich aus der Union. Es passe auch schlecht dazu, die Unter-18-Jährigen zivilrechtlich für beschränkt geschäftsfähig zu erklären und nur nach dem - milderen - Jugendstrafrecht zu bestrafen.

Vor einer Wahl muss niemand beschützt werden

Hier wird etwas verwechselt. Vor (zu) hohen Strafen und für sie nachteiligen Geschäften sind Jugendliche zu beschützen. Beim Wählen droht so etwas nicht. Eine einzelne verhängnisvolle Fehlentscheidung - wenn es diese angesichts des wählbaren Spektrums überhaupt geben kann -, hat keine unmittelbaren Folgen, weder für Wähler noch für Gewählte.

Demokratie muss man üben, wie Gerechtigkeit. Menschen ab 16 Jahren daran zu beteiligen, wie es kürzlich auch für die Europawahl beschlossen wurde, kann einer alternden Gesellschaft nur guttun. „Verstandesreif“ sind die jungen Leute hinreichend, und ihr Wunsch, dies politisch zum Ausdruck zu bringen, scheint, siehe Klimadebatte, stärker zu werden.

Der Moment ist deshalb so gut wie er es Anfang der siebziger Jahre war, als der Verfassungsgesetzgeber den Schwung der Studentenrevolten nutzte. Doch die Union sperrt sich. Sie hält ihre Trägheit für klugen Konservatismus. Noch eine Verwechslung.

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