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Mahmud Abbas ist seit Jahren Präsident der Autonomiebehörde - einer Wahl hat er sich seit Langem nicht mehr gestellt.

© Abbas Momani/AFP

Wahlen in den Palästinenergebieten auf der Kippe: Die Angst des Mahmud Abbas

Am 22. Mai sollen die Palästinenser ein Parlament wählen – erstmals seit 2006. Doch Mahmud Abbas fürchtet eine Niederlage. Sagt er die Abstimmung ab?

Fast die Hälfte der Palästinenser im Westjordanland und dem Gazastreifen haben noch nie demokratische Wahlen erlebt – sie waren 2006, dem Jahr des letzten Urnengangs, noch nicht geboren. Zwar dauert die Legislaturperiode des Palästinensischen Legislativrats offiziell nur vier Jahre, doch die Führungsriege in Ramallah ließ die Abstimmung immer wieder verschieben.

Am 22. Mai sollte es nun soweit sein. Aber nun droht eine erneute Absage. Die Nachrichtenagentur AP zitierte am Dienstag zwei anonyme ägyptische Quellen aus Diplomatie und Geheimdienst, denen zufolge die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) plant, diese Wahl ebenfalls zu annullieren.

Auch wenn etliche Beobachter mit einer Absage gerechnet hatten, dürfte die Ankündigung viele enttäuschen. „Die Menschen wollen Wahlen“, sagte Hanan Ashrawi, eine prominente palästinensische Akademikerin und Politikerin, in einem Online-Briefing. „Die Palästinenser haben das Gefühl, sie wurden in all diesen Jahren, in denen wir keine Wahlen hatten, entmachtet.“

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Der Legislativrat fungiert als Parlament der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah. Seine Mitglieder werden gewählt von den Bewohnern der Palästinensergebiete, zu denen Gaza, das Westjordanland und nach Ansicht der Palästinenser sowie großer Teile der internationalen Gemeinschaft auch Ostjerusalem zählen.

Die Wahl 2006 gewann die islamistische Hamas, die von EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestuft wird. Nach einem blutigen Machtkampf mit der Fatah, der Partei des PA-Präsidenten Mahmud Abbas, übernahm die Hamas 2007 die Kontrolle über Gaza. Seitdem ist der Legislativrat in Ramallah inaktiv; Gesetze im Westjordanland beschließt Abbas per Dekret.

Mitmachen, bitte. Wie hier im Gazastreifen werden die Palästinenser aufgeruften, zur Wahl zu gehen.
Mitmachen, bitte. Wie hier im Gazastreifen werden die Palästinenser aufgeruften, zur Wahl zu gehen.

© Mohammed Abed/ AFP

Seine Beliebtheit ist im Laufe der Jahre stetig gesunken; er und seine Führungsriege gelten als zutiefst korrupt. Viele vermuten, dass der wahre Grund für die wahrscheinliche Absage der Wahlen Abbas’ berechtigte Furcht ist, sie zu verlieren, zumal sich die Hamas – anders als die Fatah – als geschlossene Kraft präsentiert.

„Wahlen würden das Ende von Mahmud Abbas bedeuten, und das wird er nicht zulassen“, sagt Fadi Elsalameen, ein palästinensischstämmiger Analyst und Anti-Korruptionsaktivist, der am American Security Project in Washington forscht. „Das Ziel ist, keine Wahlen abzuhalten, aber es so aussehen zu lassen, als würde man Wahlen wollen.“

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Als Begründung für eine Absage soll Berichten zufolge die israelische Weigerung dienen, Palästinensern in Ostjerusalem die Teilnahme an der Abstimmung zu gestatten – obwohl Israel sich in dieser Frage offiziell nicht festgelegt hat.

Die Palästinenser ebenso wie große Teile der internationalen Gemeinschaft betrachten Ostjerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates, während Israels Regierung das „geeinigte Jerusalem“ als Hauptstadt beansprucht.

Wie israelische Medien berichteten, haben Diplomaten des jüdischen Staats Vertretern der EU versprochen, die Wahlen nicht zu behindern. „Abbas wird Israel beschuldigen“, glaubt Elsalameen dennoch.

Alles sicher? Sicherheitskräfte in Gaza bewachen ein regionales Wahlbüro.
Alles sicher? Sicherheitskräfte in Gaza bewachen ein regionales Wahlbüro.

© Mohammed Salem/Reuters

Beobachter fürchten, einer Absage könnte Gewalt folgen. Die Hamas droht bereits mit Vergeltungsschläge auf Israel, sollte den Palästinensern in Ostjerusalem die Teilnahme an der Wahl verwehrt werden. Elsalameen wiederum verweist auf Abbas’ Rivalen innerhalb der Fatah. „Sie dachten, sie könnten durch die Wahlen an Einfluss gewinnen. Sie werden sich nicht zur Seite drängen lassen.“

Der Analyst ist überzeugt, dass der 85-jährige Abbas nie die Absicht hatte, die Wahl stattfinden zu lassen. „Das ist politisches Theater, erfunden von Abbas und seiner Umgebung. „Die Ankündigung der Wahl diene nur dazu, „ein wenig Legitimität in den Augen der internationalen Gemeinschaft zu bekommen, damit sie so weitermachen können wie in den letzten 15 Jahren."

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