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Neues europäisches Dream-Team? Angela Merkel und Emmanuel Macron.

© Tobias Schwarz/Jean-François Monier/AFP

Wahlen in Frankreich und Deutschland: Wahlkampf ist immer, bis zur letzten Minute

Kanzlerin Merkel ist noch nicht auf der sicheren Seite: Wenn sie sich gegen die Forderungen Macrons zugunsten der armen EU-Länder sperrt, kann sie das etwas kosten, in der EU, aber auch hierzulande. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wenn das keinen Einfluss auf die Bundestagswahl hat! Und gemeint ist hier beileibe nicht nur das Ergebnis der Wahl in Schleswig-Holstein, sondern auch das in Frankreich. Beides zusammengenommen kann ein Momentum sein und den Wahlkampf zur Septemberwahl im Bund grundlegend verändern.

Deutlich zeigt sich: Das hochverehrte Publikum ist gar nicht so dumm. Die Wähler können unterscheiden zwischen Landtags- und anderen Wahlen. Parteien werden immer noch gewählt, jedenfalls hier in Deutschland, und (nur) obendrauf kommt der Kandidat. Dessen Bedeutung allerdings in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist. In Kiel kann man sehen, dass Torsten Albigs persönliche Fehler in der Schlussphase die SPD wohl drei Prozent gekostet haben. Was außerdem den Schluss zulässt: Fehler werden nicht verziehen. Wahlkampf ist immer, bis zur letzten Minute.

Hinzu kommt, dass die bundespolitische Situation schon jetzt auch wieder anders gewertet werden kann, als es das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein aussagt. Denn im Bund hat SPD-Chef Martin Schulz hohe Werte, hat seine – wenn auch vage – Programmatik für die SPD viel Zustimmung. Heißt: Angela Merkel muss auf der Hut bleiben. Was aber ihrem Grundzustand entspricht. Merkel bleibt die Ruhe selbst, sediert alle aufgeregten Gemüter, bespielt daneben die Welt, während Schulz – eine Fischräucherei besucht. Was klingt wie Satire, ist schlicht wahr. Und erklärt nebenbei, warum die Menschen sich bei aller Sympathie für Schulz doch gerade die Frage stellen, was er eigentlich so tut und wo er abgeblieben ist.

Wahlkampf ist bis zur letzten Minute

Und doch ist Merkel noch nicht auf der sicheren Seite. Immerhin kann gerade aus der Welt, in der sie zu Hause ist, einiges auf sie zukommen: Emmanuel Macron. Wenn der neue Präsident Frankreichs annähernd bei dem bleiben will, wofür er – auch – gewählt worden ist, dann sind es lauter Forderungen, die Merkel und namentlich ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble gar nicht passen können. Die Einführung von Eurobonds, der Abschied vom deutschen, sagen wir: Spardiktat für Europa, die weitergehende Hilfe für Griechenland – das alles ist für die CDU eine Zumutung.

Wenn aber schon der griechische Ex-Minister Yannis Varoufakis bei der französischen Linken für die Wahl von Macron geworben hat, wenn er eine SMS zitiert, in der Macron noch zu seiner Zeit als Wirtschaftsminister Mitgefühl mit Athen zeigte – ja, dann wird die deutsche Haltung jetzt ein Thema werden. Zumal sich die Südländer der Europäischen Union doch sehr wahrscheinlich an Macron dranhängen. Und dann kann die Bundesregierung eine Antwort nicht schuldig bleiben. Wobei: Eine einzige, gemeinsame Antwort wird schwierig. Schon hat sich der sozialdemokratische Vizekanzler Sigmar Gabriel an die Seite des sozialliberalen Franzosen gestellt – und damit gegen Merkel und Schäuble.

Sollten sich nun diese beiden gegen Veränderungen sperren, kann sie das etwas kosten. In der EU ganz sicher, aber vielleicht auch hierzulande: wegen des Ärgers, der das schöne Bild ramponiert, dass da Ruhe herrscht, wo Merkel regiert. Bekanntermaßen mögen die Wähler nichts so wenig wie giftigen Streit.

Vier Monate noch, und Wahlkampf ist bis zur letzten Minute. Da ist bald jeden Tag ein neues Momentum möglich.

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