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21.03.2024, Belgien, Brüssel: Olaf Scholz, Bundeskanzler von Deutschland, spricht mit den Medien bei seiner Ankunft zu einem EU-Gipfel, einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten. Foto: Omar Havana/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Omar Havana

Exklusiv

War Olaf Scholz vor Haushalts-Urteil gewarnt?: Kanzleramt sperrt Rechtsgutachten für Journalisten

In der Regierungszentrale werden auch juristische Stellungnahmen angefertigt. Über sie soll nun aber nicht mehr informiert werden – egal von welchen Themen sie handeln.

Das Bundeskanzleramt lehnt es ab sofort ab, die Öffentlichkeit auf Anfragen der Presse über intern angefertigte Rechtsgutachten zu Regierungsangelegenheiten zu informieren – selbst dann, wenn die betreffenden Vorgänge längst abgeschlossen sind. Das Kanzleramt erklärt dazu, dass „wir im Rahmen von Presseauskünften zu Inhalten von rechtlichen Einschätzungen keine Stellung nehmen“.

Anlass war eine Anfrage des Tagesspiegels zu Gutachten über das Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 und das vorangegangene Verfahren in Karlsruhe. Das Gericht hatte den zwei Jahre zuvor verabschiedeten Nachtragshaushalt nach einer Klage der Unionsfraktion verworfen und damit eine Milliardenlücke in den Etatplan der Ampel gerissen.

Zwar zeigten sich verantwortliche Politiker von dem damaligen Urteil überrascht. Doch wie sich nun herausstellt, hat das Bundeskanzleramt das Verfahren seit seiner Einleitung im Frühjahr 2022 mit insgesamt vier eigenen verfassungsrechtlichen Einschätzungen begleitet.

Die Öffentlichkeit muss wissen dürfen, was in der Regierungszentrale vorgeht.

Mika Beuster, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands

Aufschlussreich könnte insbesondere die Einschätzung zur Ablehnung einer einstweiligen Anordnung durch das Gericht im November 2022 sein. Hier meldete das Gericht deutliche Zweifel am damaligen Haushaltsgesetz an. Daneben gibt es noch Einschätzungen zum eingereichten Normenkontrollantrag der Union, der offiziellen Stellungnahme der Bundesregierung in dem Verfahren sowie dem Urteil selbst.

Auch ein Gutachten in Sachen „Cum-ex“-Affäre soll unter Verschluss bleiben

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Mika Beuster, kritisierte gegenüber dem Tagesspiegel „Geheimniskrämerei“ und warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, auf diese Weise sein „unterkühltes Verhältnis“ zu Medien zu kultivieren. Dabei brauche es Transparenz: „Die Öffentlichkeit muss wissen dürfen, was in der Regierungszentrale vorgeht.“  

Hintergrund für die Neubestimmung könnte ein aktueller Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin gegen das Kanzleramt sein: Wie berichtet, hat das Gericht kürzlich auf einen Eilantrag des Tagesspiegels hin entschieden, dass Einzelheiten aus einem internen Kanzleramts-Gutachten zur Einsetzung eines von der Union geforderten Untersuchungsausschusses zu den Verwicklungen von Scholz in die Cum-ex-Steueraffäre der Hamburger Warburg-Bank herausgegeben werden müssen (Az.: VG 27 L 337/23).

In diesem Verfahren hat das Bundeskanzleramt mittlerweile Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) eingelegt. Es begründet seine Haltung unter anderem damit, zu solchen „Rechtsauskünften“ nicht verpflichtet zu sein. Rechtliche Stellungnahmen seien demnach bloße „Meinungsäußerungen“, die eine Behörde vor der Öffentlichkeit zurückhalten dürfe.

Dienstliche Handlungen des Bundesministers Schmidt in dem genannten Zusammenhang sind hier nicht bekannt.

Das Bundeskanzleramt zu einem Schreiben an das Portal „Pioneer“, das mutmaßlich vom Chef des Kanzleramts Wolfgang Schmidt stammt

Das Verwaltungsgericht hatte diese Argumentation im Einklang mit der bisher herrschenden Rechtsprechung zurückgewiesen, da es sich bei den Inhalten des Gutachtens um „im amtlichen Raum schriftlich manifestierte Gedanken“ handele, auf die sich der Anspruch erstrecke. Eine Entscheidung des OVG wird bald erwartet.

Der Kanzleramtschef managt seine Medienkontakte offenbar privat

Während das Bundeskanzleramt offiziell zu seinen rechtlichen Bewertungen gegenüber Medien nichts mehr sagen möchte, scheint es inoffiziell umso aktiver: So meldete das Portal „Pioneer“ im Januar, das Bundeskanzleramt habe in Gestalt des Kanzler-Vertrauten Wolfgang Schmidt (SPD) „empfindlich auf kritische Medienberichterstattungen in Sachen Scholz und Cum-ex reagiert“. Schmidt habe seine Sicht auf den Fall daher in einem von „Pioneer“ veröffentlichten Papier mitgeteilt.

Der Kanzleramtschef ist bekannt dafür, mit seinen häufig rechtlichen Bewertungen auf Medienberichte über Bundeskanzler Olaf Scholz Einfluss zu nehmen, insbesondere in Sachen Cum-ex-Affäre. Dieser „Austausch“ gehöre zu seinem Geschäft, hatte er vor dem Cum-ex-Untersuchungsausschuss 2022 in Hamburg gesagt.

Offiziell gibt es dennoch keine Bestätigung. Auf Fragen zu dem an „Pioneer“ übersandten Papier heißt es nur: „Dienstliche Handlungen des Bundesministers Schmidt in dem genannten Zusammenhang sind hier nicht bekannt.“ 

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