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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Dialogveranstaltung in Neuruppin.

© Carsten Koall/dpa

Debatte um Entlastungen und Bedürftigkeit: Wer ist hier reich?

Wem steht was zu, wer soll kriegen, wer geben? Die Debatte um Entlastungen zeigt, dass Einigungsbedarf besteht. Ein Konsens wäre hilfreich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Geld ist in Deutschland ein schwieriges Thema. Kommt es auf, wird auf die hiesige „Neidgesellschaft“ verwiesen und vor „Neiddebatten“ gewarnt und damit ist die Chose meist schnell erledigt. In der aktuellen Energie- und Inflationskrise mehren sich nun die Stimmen, die angesichts drastischer und anhaltender Preissteigerungen Entlastungen für übermäßig Belastete fordern. Aber wer soll das sein?

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Um das festzulegen, wäre es gut, sich darauf zu verständigen, was zu wenig ist, was zu viel und wem was zustehen sollte. Sind die übermäßig Belasteten jene, die der Sparkassenpräsident jüngst nannte: die aktuell am Monatsende kein Geld übrighaben, das sie sparen könnten, oder gilt das nur, wenn das auch perspektivisch so bleibt?

Sind es jene, denen die Inflation das Beiseitegelegte wegfrisst, und wenn ja, gibt es Mindestsummen, die sie behalten dürfen? Sind die Belasteten gar alle, die merken, dass sie sich nicht mehr leisten können, was sie bisher gewohnt sind? Oder sollten die mal besser ihre Ansprüche an ihre Lage anpassen?

Zur ungeklärten Festlegung der Gruppe der zu Entlastenden gesellt sich die Frage, ob die Reichen auf der anderen Seite des Geldflusses mehr abgeben sollten. Ja, klar!, heißt es schnell. Aber wer genau die Reichen sind, ist ebenfalls unklar.

Frage an den Kanzler: „Bist du reich?“

Als Wegweisung kann eine kleine Szene gelten, die sich am vergangenen Wochenende beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung zutrug. Da krähte ein kleiner Junge als Frage an den Bundeskanzler ins Besuchermikrofon: „Bist du reich?“ Dafür gab es Lacher und Applaus und dann von Olaf Scholz als Antwort: „Wenn man weiß, wie viel die meisten Bürgerinnen und Bürger verdienen: ja.“

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In der Tat dürften seine monatlichen Bezüge in Höhe von etwas über 30.000 Euro brutto monatlich deutlich mehr sein, als „die meisten Bürgerinnen und Bürger“ im selben Zeitraum einnehmen. Zugleich aber stellt sich die Frage: Genügen für die Beschreibung als „reich“ die monatlichen Bezüge?

Friedrich Merz erregte 2018 Aufsehen, weil er sich trotz Millionärsstatus ausdrücklich nicht zur finanziellen Oberschicht zählen wollte, sondern auf „gehobener Mittelschicht“ bestand.

Friedrich Merz will nicht Oberschicht sein

Für die Armutsdefinition hat man gemeinhin eine Zahl parat: Wer weniger als 60-Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Bevölkerung verdient, gilt als armutsgefährdet. Es gibt ein Äquivalent für „die da oben“: Wer über mehr als das Dreifache des Netto-Medians verfügt, gilt als reich. Bei Singles sind das knapp 5700 Euro. Ist man damit reich?

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Es zeigt sich, dass Reichtum womöglich weniger berechnet als empfunden wird. Reichtum ist eine Frage der Lebenssicherheit. Die hängt nicht nur am Gehalt, denn der gut zahlende Betrieb könnte in der Krise pleitegehen.

Lebenssicherheit kommt mit Familienvermögen, mit Erbschaften oder solidem Immobilienbesitz, der mehr ist als ein geerbtes Haus, das man womöglich verkaufen muss, weil man die steigenden Betriebskosten nicht mehr bezahlen kann. Die Entlastungsdebatte zeigt, dass hier noch Einigungsbedarf besteht. Ein Konsens wäre hilfreich, um die gesamtgesellschaftliche Laune zu stabilisieren. Je breiter der gefasst würde, desto besser.

* In einer früheren Version des Artikels wurde auf ein Interview mit dem Präsidenten des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, mit einer irreführenden Überschrift hingewiesen. Sie suggerierte eine Forderung, die Herr Siebenkotten so explizit nicht erhoben hat. Wir bitten, dies zu entschuldigen.

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