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Die Kabinettsmitglieder an einem langen Tisch.

© Kay Nietfeld / POOL / AFP

Wie die Ampel-Regierung zusammenfinden will: 36 besondere Stunden auf Schloss Meseberg

Team-Building in Brandenburg: Das Kabinett lobt sich nach eineinhalb Tagen in Klausur selbst – trotz mancher Differenzen. 

Von Hans Monath

Als die Pressekonferenz zur Kabinettsklausur in Meseberg am Mittwoch nach einer Stunde zu Ende ging, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erneut gezeigt, dass er Politik geschmeidig kommunizieren kann. Kanzler Olaf Scholz (SPD) dagegen hatte ähnlich wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorwiegend nüchtern referiert und auch etwas schmallippig auf Fragen geantwortet, die ihm missfielen.

Um kurz nach zwölf waren die drei Führungspolitiker der Ampel bei strahlendem Sonnenschein vor der Fassade des Barockschlosses 70 Kilometer nördlich von Berlin vor die Mikrofone getreten. Hinter ihnen lagen eineinhalb Tage ausgiebiger Beratung mit allen Ministerinnen und Ministern. Traditionell dienen Kabinettsklausuren dazu, das „Teambuilding“ einer Regierung zu stärken, erst recht, wenn sie wie in diesem Fall noch keine fünf Monate im Amt ist. 

Der russische Präsident Wladimir Putin habe sich „völlig verrechnet“ mit seinem Krieg gegen die Ukraine urteilte Scholz, bevor der die deutschen Beiträge zur Stützung der Ukraine auflistete – von der Hilfe für Flüchtlinge bis zu Waffenlieferungen. Die Klausur habe dazu beigetragen, dass die wegen des Kriegs schwere Regierungsarbeit „solidarisch geleistet werden kann“, meinte er.

Von einer „konzentrierten, teilweise gelösten Stimmung“ während der Klausur berichtete der Finanzminister, der darauf hinwies, dass die Teilnehmer trotz der schweren Themen „auch einmal herzlich gelacht“ hätten. Womöglich auch beim informellen Treffen am Abend, an dem „prima Stimmung“ herrschte, wie ein Teilnehmer berichtete.

Habeck schlug den Bogen zurück zum Amtsantritt Anfang Dezember. „Vor fünf Monaten haben wir als Regierung einen Start hingelegt, der geprägt war von einer Stimmung des Aufbruchs – mehr Fortschritt wagen –, dann begann der Krieg“, sagte er.

Nun habe eine andere Stimmung geherrscht, es sei „eine Phase von höchster Konzentration“ gewesen. Im Regierungsalltag mit seinen vielen Sitzungen („Man ist reingestürmt, man ist rausgestürmt“) reiche die Zeit oft nicht, Themen zu vertiefen, Fragen zu stellen oder nachzudenken. Das habe man nun nachgeholt: „Das Anknüpfen an die Dynamik und die Verbindlichkeit, die wir miteinander hatten, das hat diese 36 Stunden besonders gemacht."

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Der Wirtschaftsminister pries geradezu die Bereitschaft zur Zusammenarbeit verschiedener Ministerien, nannte als Beispiele das Planungsbeschleunigungsgesetz für den Ausbau von Flüssiggasterminals, Arbeitsplatzangebote für nach Deutschland geflohene russische Dissidenten und den Kampf gegen die weltweite Nahrungsmittelknappheit.

Habeck reagierte damit auf begründete Zweifel an der Einigkeit der Koalition vor der Klausur. So waren in der Debatte über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine die Grünen öffentlich in die Offensive gegangen und hatten so Druck aufgebaut. Wichtige Vertreter der Ökopartei und der Liberalen warfen dem Kanzler Zaudern oder gar Führungsversagen vor.

Fast wie die drei Musketiere: Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner (von links) auf dem Weg zur Pressekonferenz vor Schloss Meseberg.
Fast wie die drei Musketiere: Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner (von links) auf dem Weg zur Pressekonferenz vor Schloss Meseberg.

© John MACDOUGALL / AFP

Zuletzt hatten Berichte über eine Verstimmung des FDP-Finanzministeriums über immer neue Ausgabenwünsche des grünen Wirtschaftsministeriums Zweifel an der Harmonie verstärkt. Den letzten Punkt hatten Habeck und Lindner bei einem gemeinsamen Auftritt am Vortag auszuräumen versucht. Differenzen zwischen ihnen gibt es allerdings im Hinblick auf eine Abschöpfung von Kriegsgewinnen: Der Wirtschaftsminister dringt auf eine „Übergewinnsteuer“, der Finanzminister ist skeptisch.

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Kurz angebunden reagierte der Kanzler auf die Frage, ob er, wie CDU-Chef Friedrich Merz, nach Kiew reisen wolle. Merz hatte nach dem Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj angekündigt, Scholz darüber zu informieren. „Es ist ein Problem, dass der Präsident der Bundesrepublik Deutschland ausgeladen wurde“, sagte Scholz und fügte mit Blick auf Merz hinzu: „Das stand seiner Reise nicht entgegen. Wir haben uns darüber unterhalten und werden uns auch nach seiner Rückkehr darüber unterhalten.“ Den Namen des Oppositionschefs nahm er nicht in den Mund. 

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