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Bundeskanzlerin Angela Merkel (oben links) bei der letzten EU-Videokonferenz Ende März.

© dpa

Corona-Bonds oder nicht?: Wie die EU um Finanzhilfen für Italien ringt

Bei ihrer Videokonferenz wollen die Chefs der EU am Donnerstag über Corona-Hilfen für Länder wie Italien beraten. Eine Lösung ist ungewiss.

Bei ihrem Video-Gipfel am Donnerstag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU beraten, auf welche Weise Staaten wie Italien mit gemeinschaftlichen Hilfen unterstützt werden können.

Italien ist neben Spanien in der EU von der Pandemie besonders betroffen, weshalb auch Roms Regierungschef Giuseppe Conte an seiner Forderung zur Einführung von Corona-Bonds weiter festhält.

Allerdings wird erwartet, dass sich die Diskussion der Staats- und Regierungschefs nicht auf Corona-Bonds konzentrieren wird, sondern auf zwei andere Lösungen: Kredite aus dem Euro-Krisenfonds ESM für die unmittelbare Zukunft und einen europäischen Wiederaufbaufonds für die Phase nach der wirtschaftlichen Talfahrt. Worum geht es bei den einzelnen Finanzinstrumenten?

ESM-Kredite

Bereits beim letzten Treffen der Euro-Finanzminister vor Ostern verständigten sich der Berliner Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) und seine Kollegen darauf, dass von der Pandemie betroffene Staaten Kreditlinien mit einem Volumen bis zu 240 Milliarden Euro aus dem ESM in Anspruch nehmen können. Der Euro-Rettungsfonds war 2012 nach dem Beginn der Griechenland-Krise ins Leben gerufen worden. Die milliardenschweren ESM-Kredite gerieten seinerzeit in der Öffentlichkeit in Griechenland allerdings in Verruf, weil eine Troika mit Vertretern des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission im Gegenzug drastische Sparprogramme verlangte.

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Derartige Bedingungen sollen aber diesmal bei ESM-Hilfen an Italien oder Spanien entfallen. Die Kredite - im Fall von Italien wären das bis zu 39 Milliarden Euro - wären lediglich daran gekoppelt, dass die Mittel unmittelbar für die Bekämpfung der Pandemie eingesetzt werden. Der Vorteil des ESM liegt darin, dass die Mittel schon bereitstehen. Im Euro-Krisenfonds sind derzeit 410 Milliarden Euro verfügbar. Der Nachteil besteht darin, dass sich mit der Kreditaufnahme die Gesamtverschuldung von ohnehin hoch verschuldeten Ländern wie Italien weiter erhöhen würde. Italiens Schuldenstand liegt derzeit bei 136 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Italiens Premier Giuseppe Conte erwartet Hilfe von den übrigen EU-Staaten.

© REUTERS/Remo Casilli

Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die Gesamtverschuldung Italiens in der Corona-Krise auf 155,5 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung steigen könnte. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ begründete Italiens Regierungschef Conte jüngst seine Ablehnung gegenüber ESM-Hilfen aber nicht mit der Sorge um die Gesamtverschuldung. Vielmehr kritisierte er, es sei noch offen, „ob die neue Kreditlinie tatsächlich ohne Konditionen kommt".

Der Chef des ESM, Klaus Regling, tritt derartigen Bedenken mit der Versicherung entgegen, dass die Kreditvergabe nicht mit der Aufforderung an Staaten wie Italien verbunden sein werde, ihre Haushaltsdefizite zu reduzieren. An den Konditionen der Kreditvergabe werde sich während der Zeit, in der die ESM-Mittel fließen, nichts ändern, sagte er.

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Wiederaufbaufonds

Angesichts der Skepsis des italienischen Regierungschefs gegenüber ESM-Krediten richten viele Beobachter den Blick auf einen EU-Wiederaufbaufonds. Das trifft sich mit der Kritik von Conte und anderen Vertretern der EU-Südländer, die monieren, dass kurzfristige Hilfen wie ESM-Kredite oder das europäische Kurzarbeitergeld nicht ausreichend seien.

Im Gespräch ist für den gemeinsamen Wiederaufbaufonds eine Dimension von bis zu 1,6 Billionen Euro - also etwa das Vierfache des Bundeshaushalts. Der frühere EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte im Gespräch mit dem Tagesspiegel vorgeschlagen, die für einen Wiederaufbaufonds benötigten Mittel zu „hebeln“, wie es im Fachjargon heißt. Dies bedeutet, dass die EU-Staaten über den EU-Haushalt eine Garantiesumme absichern, mit deren Hilfen anschließend privates Risikokapital angelockt wird. Allerdings gibt der Experte Fabian Zuleeg vom Brüsseler Thinktank European Policy Centre zu bedenken, dass es unklar sei, „ob die Hebelung in der Post-Corona-Zeit funktioniert“. Wenn Investoren fehlten, „wird man auch kein privates Kapital anlocken können“, so Zuleeg.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schlägt hingegen einen Weg zur Finanzierung langfristiger Corona-Hilfen an Staaten wie Italien vor, der sich den Artikel 122, Absatz 2 des EU-Vertrages zu Nutze macht. Dort heißt es, dass ein Mitgliedstaat nach „außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen“, unter bestimmten Bedingungen einen „finanziellen Beistand der Union“ erhalten kann. Demnach könnte die EU-Kommission Anleihen mit einem günstigen Zinssatz ausgeben und an Länder wie Italien weitergeben. Abgesichert würde die Aufnahme dieser Anleihen über eine Garantiesumme der europäischen Mitgliedstaaten in einem stark vergrößerten EU-Haushalt.

Ob Merkel sich mit ihrem Kompromissvorschlag bei der Videokonferenz am Donnerstag durchsetzen kann, ist allerdings offen. Ohnehin wird in dieser Woche noch keine abschließende Entscheidung über den Wiederaufbaufonds erwartet.

Corona-Bonds

Anders als bei Anleihen, die von der EU-Kommission am Finanzmarkt platziert werden, würden Euro- oder Corona-Bonds gemeinschaftlich von den EU-Mitgliedstaaten ausgegeben. Damit würde das gemeinschaftliche Haftungsrisiko steigen. Dennoch halten Ökonomen wie Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, zeitlich befristete Corona-Bonds als „einmaliges Kriseninstrument“ für sinnvoll. Politisch gelten Corona-Bonds in Deutschland allerdings als schwer durchsetzbar - nicht zuletzt angesichts des Widerstands eines großen Teils der Unionsfraktion im Bundestag.

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