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„Wir haben es uns nicht leicht gemacht“: Ampel einigt sich nach zähen Verhandlungen im Haushaltsstreit
Die Spitzenvertreter der Regierung haben sich auf den Bundeshaushalt 2025 verständigt. Die Schuldenbremse soll eingehalten werden. Auch beim Wachstumspaket gibt es eine Einigung.
Morgens um sieben war die Welt wieder in Ordnung. Die Ampel hat einen Etat. Die großen Drei der Koalition hatten in der Nacht zu Freitag letzte Hand angelegt. Dann informierten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner jeweils ihre Fraktionen. SPD und Grüne waren zu Sondersitzungen einbestellt. Die FDP, ganz Digitalisierungspartei, machte eine Videokonferenz.
Seit sieben Uhr an diesem Freitag also ist die Koalition wieder im Takt. Jedenfalls in dem Maß, das zwischen SPD, Grünen und FDP üblich ist. Nach wochenlangem Hin und Her und handfesten Streitigkeiten um Dutzende Vorhaben steht nun das Zahlenwerk namens Bundeshaushalt 2025. Vor allem aus Sicht der FDP ist das Wichtigste, dass die Schuldenbremse eingehalten wird.
Allerdings gibt es vorerst nur die politische Einigung der Ampel-Spitzen. Ein detaillierter Regierungsentwurf muss noch ausgearbeitet werden. Daher wird der förmliche Kabinettsbeschluss erst am 17. Juli erfolgen. Damit kann der Bundestag wie geplant seine Beratungen mit der ersten Lesung am 10. September beginnen, die Abgeordneten haben davor Zeit, sich mit den vielen hundert Seiten Gesetzentwurf zu beschäftigen.
Wir haben es uns nicht leicht gemacht.
Bundeskanzler Olaf Scholz
Dreisatz des Bundeshaushaltes 2025: „Wirtschaft, Klima, Kinder“
Ein bisschen frisch gemacht haben sich Scholz, Habeck und Lindner nach der nächtlichen Runde, als sie um elf Uhr vor die Bundespressekonferenz treten. Den Tenor ihres Auftritts haben sie abgestimmt: Die Ampel will sich als Regierung präsentieren, die in weltweit unruhigen Zeit für Stabilität und Verlässlichkeit steht. Ausdrücklich erwähnt der Kanzler die Herausforderung durch rechtspopulistische Kräfte.
„Wir haben es uns nicht leicht gemacht“; sagt Scholz. Aber Hinwerfen sei keine Alternative gewesen. Habeck nennt als Motto der Beschlüsse den Dreisatz „Wirtschaft, Klima, Kinder“. Die Klimapolitik sei nun auf dem Ausbaupfad, die Transformation der Energieversorgung abgesichert. Er lässt durchblicken, dass die Grünen harte Zugeständnisse machen mussten.
Lindner hat Statistik geführt: 23 Treffen der Großen Drei waren es seit Anfang Mai, insgesamt 80 Stunden. „Sehr sportive Gespräche“ seien es gewesen, „die letzten Wochen waren sehr intensiv“. Die Wachstumsinitiative umfasse 49 Maßnahmen, damit sei der Einstieg in die von der FDP ausgerufene Wirtschaftswende geschafft. Man habe sich neu über die Grundlagen des Regierungshandelns verständigt.
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Ampel vereinbart Nachtragsetat für 2024
Die Basiszahlen referiert der Finanzminister ebenfalls. Mit dem Nachtragsetat für 2024, der nun vereinbart ist, wächst das Ausgabevolumen des Bundes auf 489 Milliarden Euro. Die Investitionen machen 52 Milliarden Euro aus. Wegen der schwachen Konjunktur kann die Ampel mehr Schulden machen, es sind nun gut 50 Milliarden Euro.
Der Etat für das Bundestagswahljahr fällt etwas kleiner aus. Laut Lindner will der Bund 481 Milliarden Euro ausgeben, davon 57 Milliarden Euro für Investitionen. Die Neuverschuldung im kommenden Jahr beziffert Lindner auf 44 Milliarden Euro. Der Klima- und Transformationsfonds soll im kommenden Jahr 34 Milliarden Euro ausgeben können, nicht zuletzt für die Subventionierung der erneuerbaren Energien.

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Mit Blick auf den Nato-Gipfel kommenden Woche in Washington hat Scholz eine wichtige Botschaft: Der Kanzler garantiert, dass Deutschland bis 2028 das Zwei-Prozent-Ziel des Bündnisses einhalten werde. Will heißen: Deutschland wird bis dahin jedes Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben.
Weil das 2022 mit 100 Milliarden Euro befüllte Sondervermögen im letzten Jahr der Finanzplanung aufgebraucht sein wird, sollen im Bundeshaushalt 2028 etwa 80 Milliarden Euro für das Verteidigungsministerium stehen. Er bewerbe sich darum, das auch umzusetzen, ulkt Scholz mit Blick auf die Bundestagswahl in einem Jahr.
Ampel-Koalition beschließt größeres Wachstumspaket
Die stecken nicht zuletzt in dem bis zuletzt umstrittenen Wachstumspaket, das sich die Koalition vorgenommen hat. Mit ihm soll die Konjunktur angekurbelt werden. Riesig ist es nicht. Vor der Einigung war von einem Volumen von um die zehn Milliarden Euro die Rede.
Die Stimmung in den Ampel-Fraktionen ist aufgeräumt an diesem Morgen in Berlin – auch wenn alle Seiten sich etwas andere Inhalte gewünscht hätten. Aber die Kompromissarbeit der Koalitionsführung wird akzeptiert, wenn auch mit Grummeln.
Insbesondere in der SPD hatte es die Hoffnung gegeben, über eine Notlagenerklärung wegen der Ukraine-Krise oder über ein kreditfinanziertes Sondervermögen mehr Schulden für Investitionen aufnehmen zu können. Die Grünen hatten nichts dagegen. Die FDP hat das verhindert – und konnte dabei auf verfassungsrechtliche Einschätzungen verweisen. Scholz berichtet dennoch, dass es in der Fraktion Verständnis gegeben habe. Eine freundliche Runde sei es gewesen und verweist auf die Beschlüsse im Bereich des Sozialen.
Einigung im Haushaltsstreit „ein gutes Signal“
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese nannte die Einigung „ein gutes Signal“. „Es zeigt, dass diese Koalition handlungsfähig ist und sich der Verantwortung für das Land stellt.“ Aber auch das: Ein „gewisser Unmut“ herrsche in der SPD-Fraktion, beschreibt ein Abgeordneter die Stimmung in der morgendlichen Fraktionssitzung. Die Informationen seien bisher sehr abstrakt, es gebe keine Details. Es solle gespart werden, „jeder will wissen, wo genau“.
Deutschland kann wieder wachsen.
Christian Dürr, FDP
Ziemlich zufrieden zeigt sich die FDP. Fraktionschef Christian Dürr erklärte in einem Statement im Bundestag kurz nach der Videoschalte: „Wir kommen mit dem Geld, das uns die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stellen, aus.“ Mit den Koalitionspartnern sei zudem die von der FDP angestrebte Wirtschaftswende vereinbart worden – ohne neue Schulden. Dürr sagte: „Die Schuldenbremse wird eingehalten. Deutschland kann wieder wachsen.“
FDP mit Einigung zum Haushalt ziemlich zufrieden
FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer sagte dem Tagesspiegel: „Die Einigung zum Haushalt ist geschafft, die Koalition hat ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Wir haben einen verfassungskonformen Haushalt, der die Schuldenbremse einhält, zahlreiche Steuerentlastungen kommen, wir investieren mehr in Sicherheit und Infrastruktur und das alles ist ein Verdienst der FDP.“ Der Sozialstaat werde auf mehr Effizienz getrimmt, damit halte die FDP ihr Versprechen gegenüber Menschen und Betrieben.
Meyer spielt damit darauf an, dass offenbar die Kindergrundsicherung in der von den Grünen gewünschten Form endgültig vom Tisch ist. Sie wird durch ein „Kinderpaket“ ersetzt. Im Bürgergeld werden die Sanktionsmöglichkeiten verschärft, im kommenden Jahr gibt es auch eine Nullrunde, aber größere Abstriche hat die SPD nicht zugelassen. SPD und Grüne wollen bei der KIndergrundsicherung zwar weiterverhandeln, aber die FDP wird sich nicht mehr groß bewegen.

© dpa/Kay Nietfeld
Also verlegt man sich aufs Konkrete innerhalb des bestehenden Systems. Der Zugang zum Kinderzuschlag für Familien mit geringem Einkommen soll verbessert werden mit einem Kinderzuschlags-Checks. Die zusätzliche Belastung für den Haushalt beziffert Habeck auf 1,1 Milliarden Euro. Für Familien gibt es auch darüberhinaus mehr Geld. Der Sofortzuschlag für arme Kinder im Bürgergeld, das Kindergeld und der Kinderfreibetrag steigen jeweils um fünf Euro pro Monat. Kostenpunkt laut Grünenkreisen 1,8 Milliarden Euro. Also insgesamt rund drei Milliarden Euro mehr für Familien.
Auch Grüne murren nach Einigung nicht laut
Es gibt außerdem im nächsten und im übernächsten Jahr jeweils zwei Milliarden Euro für mehr Kita-Qualität - ein Budget, das hart erkämpft werden musste. Das Geld für Demokratieförderung wird immerhin nicht gekürzt. Angesichts der schwierigen Ausgangslage werten die Grünen das als Erfolg.
Mit der Haushaltseinigung zeigen wir Handlungsfähigkeit und werden unserer europapolitischen Verantwortung gerecht.
Anna Lührmann, Staatsministerin für Europa im Auswärtigen Amt
Die Stimmung bei den Grünen ist am Freitag ohnehin erstaunlich gut. Fraktionschefin Katharina Dröge sagt schon vor der Sitzung ihrer Fraktion, man könne das Ergebnis der Nacht mittragen. Aber sie kritisiert den Verzicht auf mehr Schulden. Gut möglich also, dass das Thema in den parlamentarischen Beratungen noch einmal aufgerufen wird.
Die Fraktion dankt ihrem Verhandler, Vizekanzler Robert Habeck. Für die Grünen steht im Fokus, dass die Regierung weiterarbeiten kann. Deutschland sieht man damit auch als Stabilitätsanker, während in Frankreich der Rassemblement National vor der Machtübernahme steht und der Wahlausgang in den USA offen ist.
„Mit der Haushaltseinigung zeigen wir Handlungsfähigkeit und werden unserer europapolitischen Verantwortung gerecht“, sagt Anna Lührmann, Staatsministerin für Europa im Auswärtigen Amt. In der Fraktion wird betont, dass für Klimaschutz und Wirtschaftsförderung trotz der Sparzwänge ordentlich Geld zur Verfügung bleibt. „Wir dynamisieren die Wirtschaft und halten Kurs beim Ausbau der Erneuerbaren“, sagt Lührmann.
Als einziges grünes Ressort hatte das Auswärtige Amt im Vorfeld deutlich mehr Geld gefordert als von Finanzminister Lindner zugewiesen. Das erhält Außenministerin Annalena Baerbock nach Tagesspiegel-Informationen nun nicht. Aber in der Grünen-Fraktion können offenbar erstaunlich viele damit gut leben.
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