zum Hauptinhalt
Neuer Ärger in der Piepline?

© picture alliance/dpa / Jens Büttner

„Wir sind den Menschen eine Aufklärung schuldig“: Grüne ringen um U-Ausschuss zu Nord Stream 2

Um Wirtschaftsminister Habeck zu schützen, könnten die Grünen einen U-Ausschuss zu Nord Stream 2 im Bundestag fordern. Der Koalition droht neuer Ärger.

Ein bisschen wundert sich Hannes Damm am Telefon. „Außenpolitik ist eigentlich Sache des Bundes und nicht des Lands Mecklenburg-Vorpommern“, sagt der Grünen-Abgeordnete aus dem Schweriner Landtag. Seine Fraktion vertritt er dort im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich mit den Hintergründen der sogenannten Klimaschutzstiftung beschäftigt, die von der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern mit Geldern des russischen Staatskonzern Gazprom zur Fertigstellung der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 eingesetzt wurde.

Doch Antworten hat er bislang dort kaum bekommen. „Die Landesregierung lässt keinen Aufklärungswillen erkennen und hält uns an der kurzen Leine“, sagt Damm. 

Nun will der 30-Jährige auf einem anderen Weg Antworten erhalten. Auf dem Grünen-Parteitag Mitte Oktober in Bonn soll über seinen Antrag diskutiert werden, der einen Untersuchungsausschuss zum Bau von Nord Stream 2 im Bundestag fordert. „Mir geht es vor allem um die Frage, warum sich Deutschland in eine derartige Energieabhängigkeit von Gas, Kohle und Öl zu Russland begeben konnte“, sagt Damm.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Antrag birgt Konfliktpotenzial. Die Grünen wähnen sich auf der richtigen Seite der Geschichte, weil sie so früh und laut gegen Nord Stream 2 protestiert haben wie keine andere Partei. Mutmaßlich verantwortlich für die Energiepolitik der vergangenen Jahre sind Bundeskanzleramt und Wirtschaftsministerium, die jahrelang in der Hand von CDU und SPD lagen. Doch mit Letzteren koalieren die Grünen nun in der Ampel-Regierung. Einen Untersuchungsausschuss könnten die Sozialdemokraten als Affront werten. Der Bundesvorstand der Grünen ließ eine Anfrage zum Antrag bis Montagmittag unbeantwortet.

Die Folgen der Abhängigkeit werden gerade von Millionen Deutschen teuer bezahlt, denen sind wir doch eine Aufklärung schuldig.

Hannes Damm

Sollte der Parteitag Hannes Damm folgen, könnte das zu einigem Koalitionsärger führen. Damm hält aber nichts von falscher Zurückhaltung. „Die Folgen der Abhängigkeit werden gerade von Millionen Deutschen teuer bezahlt, denen sind wir doch eine Aufklärung schuldig“, sagt der Landtagsabgeordnete.

Die Attacken auf Habeck erhöhen die Chancen des Antrags

In dem Untersuchungsausschuss in Schwerin, der Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und ihren Vorgänger Erwin Sellering (beide SPD) belasten könnte, verhindere die SPD die Aufklärung. Vier von neun Ausschussmitgliedern stellen die Sozialdemokraten. Mit der Regierungsmehrheit wurde festlegt, dass Zeugenbefragungen mit einfacher Mehrheit abgebrochen werden können. Die ganze Arbeit laufe schleppend, beklagt Damm. Die Aktenübergabe dauere sechs Monate. Statt durchsuchbare PDF-Dateien erhalte man nur Berge von Papier-Akten. Anfragen seien in der Vergangenheit unvollständig beantwortet worden.

Mit Tunnelblick. Manuela Schwesig hat sich intensiv für Nord Stream 2 eingesetzt.
Mit Tunnelblick. Manuela Schwesig hat sich intensiv für Nord Stream 2 eingesetzt.

© IMAGO/BildFunkMV

Dass sein Antrag auf dem Parteitag nicht chancenlos ist, hängt auch mit den jüngsten Attacken auf Wirtschaftsminister Robert Habeck zusammen. Die Union versucht ihn für die hohen Gaspreise verantwortlich zu machen, die FDP treibt ihn in der Atomdebatte, selbst aus der SPD kam offene Kritik am Grünen-Politiker für seine vermurkste Gasumlage. Die Vorwürfe schaden Habeck, in jüngsten Umfragen sackten seine Zustimmungswerte ab. „Robert Habeck ist für die aktuelle Situation nicht verantwortlich. Hätten wir keine Abhängigkeit aufgebaut, bräuchten wir jetzt auch keine Gasumlage“, sagt Hannes Damm.

Unterstützung erfährt der Antrag bei den Grünen beispielsweise von Jan Philipp Albrecht, der seit Juni die Grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung leitet. Trotz des lauten Widerstands der europäischen Partner habe Deutschland das Projekt lange vorangetrieben, erinnert sich Albrecht, der damals im Europaparlament saß. „Das gehört ordentlich aufgeklärt und dafür ist ein Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern eigentlich eine Nummer zu klein“, sagt Albrecht, der bis Juni Landwirtschafts- und Energieminister in Schleswig-Holstein war – als Nachfolger von Robert Habeck.

Dessen Verteidigung sei jedoch nicht ausschlaggebend für seine Unterstützung. Albrecht hofft, dass seine Partei keine falsche Rücksicht auf den sozialdemokratischen Koalitionspartner in der Bundesregierung nimmt. „Das Instrument des Untersuchungsausschusses ist in den vergangenen Jahren viel zu sehr zu einem Oppositionselement geworden, dabei sind Transparenz und Aufklärung Kernstücke des Parlamentarismus.“ Auch die SPD habe ein Interesse an Klarheit: „Es sollte im Sinne aller sein, das Verantwortbarkeit klar benannt wird, statt vage im Raum zu stehen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false