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Leerstand statt blühender Geschäften.

© Hendrik Schmidt/dpa

Berlin wird trister: Wo sind all die Blumen hin?

Tag für Tag wird das Stadtbild von Berlin ein bisschen grauer. Und wenn es nur der Blumenladen am Bahnhof ist, der weichen muss. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Elisabeth Binder

Die Veränderung hat viele Gesichter. Sie kommt nicht nur in Gestalt von bösen ausländischen Immobilienhaien daher, sondern manchmal auch in einem unerwarteten Verlust an Lebensqualität. In der Trauer über eine scheinbare Selbstverständlichkeit, die erst dann als solche bewusst wird, wenn sie verschwunden ist.

Jahr für Jahr war der Blumenhändler im S-Bahnhof ein Garant für innerstädtische Verschönerung. Breitete frühmorgens, wenn die meisten Passanten noch am Frühstückstisch saßen, seine Vasen und Töpfe aus und verwandelte den hässlichen grauen Boden in einen bunten Blütenteppich. Die langstieligen Rosen, dunkelrot oder unverfänglich gelb in der Nähe des kleinen Raumes, in dem die Kasse stand. Die Gerbera, und Nelken etwas weiter vorn, wo auch die gebundenen Sträuße standen. Fünf Euro für die mittlere Größe. 3,50 Euro für die kleinen Sträußchen.

Jeden Morgen hasteten die Leute aus der Nachbarschaft an der bunten Pracht vorbei. Nahmen aus den Augenwinkeln aber wohl doch immer wahr, wie schön das aussah. Und natürlich erfüllten die netten vietnamesischen Händler auch Sonderwünsche. Vor allem zur Weihnachtszeit. Das Rot der Kerzen zu hell? Und statt bunter Wichtel und goldenem Tand lieber schlichte Silberkugeln? Kein Problem. Das dauerte einen Moment, kostete aber nicht mehr. Alles war hier bezahlbar und sehr kundenfreundlich.

Vorbei - ohne Vorwarnung

Doch dann: Vorbei. Ohne Vorwarnung. Die Hoffnung, es könne sich um längere Ferien in Vietnam handeln, um notwendige Renovierungsarbeiten vielleicht, schwand im Frühjahr mit den heller werdenden Morgenstunden. Der nette Donut-Verkäufer in der Nähe murmelte noch was von „gekündigt“ und fügte hinzu „Gemeinheit!“ Dann war auch er verschwunden. Seit Wochen stehen die Räume leer. Trist liegt der Eingang nun da. Nichts, was das Auge erfreut oder dem Tag einen belebenden bunten Schwung gibt.

Bald sprach sich herum, dass die Bahn dem Händler gekündigt habe, um die Räume selber zu nutzen. Wozu? Um hier trockenen Brötchen verkaufen zu lassen? So viele kleine Läden mussten großen, finanzstarken Ketten weichen. Damit gehen immer auch persönliche Beziehungen verloren, schwindet die besondere Lebensqualität, die das Dörfliche im Urbanen beschert. Man würde sich wünschen, dass Entscheidungsträger in solchen Konzernen einen Blick hätten für die Oasen, die eine Stadt doch erst richtig lebenswert machen.

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