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Philipp Nimmermann: In der Energiebranche kaum bekannt.

© dpa/Markus Scholz

„Wurzelgrüner sieht anders aus“: Das ist über Habecks neue rechte Hand bekannt

Pragmatisch, unauffällig, „graue Maus“ – so wird Philipp Nimmermann beschrieben, Habecks neuer grüner Staatssekretär. Er gilt als unbeschriebenes Blatt.

Nach der Entlassung von Patrick Graichen steht dessen Nachfolge fest: Der hessische Wirtschaftsstaatssekretär und Ökonom Philipp Nimmermann soll auf den Staatssekretär folgen. Das teilte am Montag das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Berlin mit. Minister Robert Habeck (Grüne) lobte Nimmermann als erfahrenen Staatssekretär mit ökonomischer Expertise und viel Verwaltungserfahrung, der die Energiewende, die Wärmewende und die Transformation voranbringen werde. Er soll demnach seine Arbeit im Ministerium „sehr zeitnah“ aufnehmen.

Doch was weiß man über den neuen Staatssekretär? Bislang offenbar nicht viel. Der hessische FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas gehört zu den Menschen, die Nimmermanns Politik als Staatssekretär im hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium aus nächster Nähe verfolgt haben. „Philipp Nimmermann war in der hessischen Landesregierung bisher eher die graue Maus im Hintergrund, der willige Helfer und Spezialist“, sagte Naas, der dem hessischen Wirtschaftsausschuss vorsitzt, dem Tagesspiegel. „Er ist bisher nicht größer in Erscheinung getreten und konnte eigentlich kaum eigene Akzente setzen.“

Nimmermann gilt eher als Pragmatiker und Technokrat.

Stefan Naas, hessischer FDP-Spitzenkandidat

Grund dafür ist aus Naas‘ Sicht auch Tarek Al-Wazir, der hessische Wirtschaftsminister von den Grünen. Dieser habe sehr viel Raum eingenommen und so die Arbeit seiner Staatssekretäre überstrahlt. Naas verfolgte unter anderem, wie Nimmermann die Corona-Hilfen für Unternehmen in Hessen organisierte. „Dabei haben er und die schwarz-grüne Landesregierung die Soloselbständigen vergessen“, kritisiert der FDP-Mann.

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Doch er findet zumindest auch eine positive Seite: „Nimmermann gilt eher als Pragmatiker und Technokrat – und als jemand, der argumentieren kann und Kompromissen gegenüber aufgeschlossen ist.“ Der Grünen-Politiker sei nicht dafür bekannt, dass er „um jedes Zipfelchen Ideologie“ kämpfe. Vielmehr lasse sich Nimmermann als Finanzexperte in gut sitzenden Anzügen beschreiben. „Ein Wurzelgrüner sieht auf jeden Fall anders aus“, resümiert Naas.

Robert Habeck und Patrick Graichen in einer gemeinsamen Sitzung (Archivbild).
Der bisherige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen (l.), musste seinen Posten wegen der sogenannten Trauzeugen-Affäre räumen. Er hatte eingeräumt, dass er seinem Trauzeugen zu einem Chefposten bei der staatseigenen Deutschen Energie-Agentur verholfen hatte.

© IMAGO/photothek/Nico Lepartz

In der Energie- und Klimabranche ist Nimmermann quasi ein unbeschriebenes Blatt. Im hessischen Landesverband der Umweltschutzorganisation BUND ist er kaum bekannt, teilte die Organisation auf Anfrage mit. Eine Anfrage beim Landesverband Windenergie in Hessen ergab, dass auch die Vertreter der Windlobby Habecks neuen Staatssekretär kaum kennen. „Wir sind sehr überrascht von der Wahl“, hieß es vonseiten des Verbands. Bislang aber laufe die Arbeit der schwarz-grünen Koalition in Hessen ziemlich gut – was allerdings auch an den relativ „progressiven“ Christdemokraten liege.

Die Wahl Nimmermanns könnte auch darauf hindeuten, dass Habeck die Tore öffnet für eine schwarz-grüne Koalition im Bund nach dem Vorbild Hessens. Die nächsten Bundestagswahlen finden im September 2025 statt, und die FDP hat sich für die Grünen bislang als schwieriger Koalitionspartner erwiesen. In entscheidenden klimapolitischen Fragen wie beim Gebäudeenergiegesetz, der Verkehrspolitik oder auch der Reform des Klimaschutzgesetzes streiten Grüne und Liberale regelmäßig und ausdauernd.

Nimmermann wird für das Heizungsgesetz zuständig sein

Bei der Wahl des neuen Staatssekretärs dürfte eine zentrale Rolle gespielt haben, wie fern Nimmermann dem Netzwerk seines Vorgängers Patrick Graichen steht. Habeck steht unter Druck, jeden weiteren Anschein der Vetternwirtschaft und Klüngelei in seinem Ministerium zu vermeiden.

Nimmermann wird als Nachfolger von Graichen der zentrale Ansprechpartner für das stark umstrittene Gebäudeenergiegesetz. Das neue Gesetz soll den Einbau von neuen Öl- und Gasheizungen ab 2024 faktisch untersagen und damit den Klimaschutz im Gebäudesektor vorantreiben. Die FDP drang zuletzt darauf, den Gesetzentwurf zu verschieben und stark zu überarbeiten, SPD und Grüne pochen auf eine Verabschiedung vor der parlamentarischen Sommerpause.

Früher war Nimmermann Chefvolkswirt der BHF-Bank und arbeitete dann mehrere Jahre lang als Finanzstaatssekretär in Schleswig-Holstein, auch als Habeck dort Vize-Ministerpräsident war. 2019 wechselte Nimmermann wieder zurück in seine hessische Heimat.

Grünen-Politiker verlässt Hessen kurz vor der Wahl

Zu seinen Aufgaben in Hessen gehört nach Angaben aus Ministeriumskreisen etwa die Börsenaufsicht und die Energieregulierung. Ein Schwerpunkt der Arbeit der vergangenen Jahre war neben den Corona-Hilfen die Organisation des Härtefallfonds im Zuge der Energiepreiskrise.

Nimmermann stehe so „im direkten Austausch mit vielen Unternehmen, Soloselbständigen, Verbänden und Kammern in Hessen, um gemeinsam Lösungen zu finden und die getroffenen Entscheidungen zu erklären“, heißt es aus Ministeriumskreisen. Durch seine Zuständigkeit für die Wirtschaftsförderung habe er auch Expertise im Beihilferecht.

Offen bleibt die Frage, warum Habeck einen wichtigen regierenden Grünen-Politiker aus Hessen abzieht, wo bereits im Oktober Landtagswahlen stattfinden. Es muss sich noch zeigen, ob die Wählerschaft ein solches Manöver nicht abstrafen wird. Das unmittelbare Risiko tragen in jedem Fall die Grünen in Hessen.

Der Bundeswirtschaftsminister hatte den Bundespräsidenten am vergangenen Mittwoch darum gebeten, Graichen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Graichen hatte Ende April eingeräumt, dass er seinem Trauzeugen zu einem Chefposten bei der staatseigenen Deutschen Energie-Agentur verholfen hatte. Im Zuge weiterer Untersuchungen war zudem ein von Graichen gebilligtes Klimaschutz-Projekt ans Licht gekommen. Beantragt hatte es der Berliner Landesverband der Umweltorganisation BUND – in dessen Vorstand Graichens Schwester sitzt. Für Kritik hatte auch Graichens enge familiäre Vernetzung mit dem Öko-Institut und der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende gesorgt. (mit AFP, dpa)

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