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Hühner waren vom tödlichen Vogelgrippe-Virus besonders stark betroffen.

© Uwe Zucchi/DPA/DPAWEB

Tausende Tiere getötet: Vogelgrippe-Ausbruch bei Geflügelschauen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern

Seltene Rassen sind wegen der Tötungen nun sogar vom Aussterben bedroht. Experten fordern ein generelles Verbot von Ausstellungen. Züchter hoffen auf einen Impfstoff.

Von Sandra Dassler

Fredi Rosenthal ist immer noch besorgt: „Zum Glück gab es in den vergangenen Tagen keine neuen Ausbrüche mehr“, sagt der Vorsitzende der Rassegeflügelzüchter in Meyenburg im Landkreis Prignitz: „Aber ich befürchte, dass sich einige Züchter von diesem Schlag nicht wieder erholen und aufgeben.“

Der „Schlag“ traf seine Kollegen, nachdem sich bei zwei Geflügel-Ausstellungen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg viele Tiere mit dem hoch ansteckenden Geflügelpest-Virus H5N1 infiziert hatten – vor allem Hühner. Allein in Mecklenburg-Vorpommern mussten deshalb in rund vier Dutzend Beständen tausende Tiere getötet werden. Auch aus Sachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wurden Ausbrüche gemeldet.

In Brandenburg gab es, wie ein Sprecher des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV) auf Anfrage des Tagesspiegels bestätigte, mindestens sieben Fälle, – davon vier im Landkreis Prignitz, zwei in Ostprignitz-Ruppin und einer in der Uckermark.

Was genau zu den Massen-Ansteckungen auf der Landesschau führte, lässt sich nach Angaben der Behörden nicht mehr herausfinden. Das Virus könnte unter anderem durch Besucher, über das Futter oder auch über die so genannte Einstreu für die Käfige übertragen worden sein. Alle ausgestellten Tiere seien jedenfalls begutachtet worden und augenscheinlich gesund gewesen, hieß es bei den Behörden.

„Das Tragische ist, dass in vielen Fällen auch andere Tiere wie Gänse und Enten, die gar nicht auf der Ausstellung waren, getötet werden müssen, damit sich die Geflügelpest nicht weiter verbreitet“, sagt Fredi Rosenthal: „Für die Betroffenen ist das oft ein echtes Drama. Mal abgesehen von den Kosten, die durchschnittlich zwischen 20 und 100 Euro pro Tier liegen – viele haben ihre Hühner, Gänse und Enten über Jahre hinweg Tag für Tag betreut, die Küken aufgezogen, die Tiere bei Krankheiten medizinisch versorgt.“

Hinzu komme, dass manche Züchter Jahrzehnte lang seltene Rassen herangezogen hätten: „Wenn die jetzt getötet werden müssen, kann das nicht nur ihr individuelles Ende, sondern das Ende ihrer gesamten Rasse bedeuten. Und das Ende des Lebenswerks des Züchters.“

Für die Betroffenen ist das ein echtes Drama.

Fredi Rosenthal, Vorsitzender der Rassegeflügelzüchter in Meyenburg

Das hört sich dramatisch an, ist aber tatsächlich Realität, sagt Mareike Fellmin, die wissenschaftliche Leiterin des Wissenschaftlichen Geflügelhofs des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter (BDRG): „Es gibt zwar insgesamt über 200 Hühnerrassen in Deutschland, aber manche sind inzwischen extrem selten.

So züchten etwa nur drei Menschen derzeit Hamburger Hühner in der Farbe Goldlack. Oft gibt es die Ausgangsrassen gar nicht mehr, so dass eine Reproduktion tatsächlich nicht möglich ist.“

200
Hühnerrassen gibt es in Deutschland.

Das sei der große Unterschied zu den Nutzgeflügelhaltern, sagt der erste BDGR-Vizepräsident Wolfram John: „Da müssen bei einem Vogelgrippe-Ausbruch zwar oft Hunderte, wenn nicht gar Tausende Tiere getötet werden, aber die Rasse stirbt deshalb nicht aus.“

Verbot von Ausstellungen gefordert

John selbst züchtet beispielsweise seit 56 Jahren eine bestimmte Hühnerrasse, er mag sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn er alle seine Tiere töten müsste. Trotzdem hält er wie viele Züchter Rassegeflügel-Ausstellungen generell für unverzichtbar. „Die sind sozusagen die Erntedankfeste des vergangenen Jahres“, erklärt er: „Dort kann man Erfahrungen austauschen, wertvolle Hinweise von anderen Züchtern bekommen und neue Tiere erwerben. In der gegenwärtigen Situation sollte man allerdings darauf verzichten.“

Das sieht auch Wissenschaftlerin Mareike Fellmin so: „Natürlich sind die Geflügel-Ausstellungen sehr wichtig, aber ich würde das Wohl meiner Tiere nicht riskieren, so lange niemand weiß, wie sich das Seuchengeschehen entwickelt.“

Ich würde das Wohl meiner Tiere nicht riskieren

Mareike Fellmin, Wissenschaftlicher Geflügelhofs des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter (BDRG)

Das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) wird noch deutlicher. „Wir fordern, dass ein bundesweites Verbot von Rassegeflügelschauen umgehend umgesetzt wird“, sagt FLI-Sprecherin Elke Reinking. Sie verweist darauf, dass in den vergangenen Wochen auch Geflügelschauen in anderen Bundesländern zum Hotspot für die Vogelgrippe wurden.

Hoffnung auf eine Impfung

Bislang sei Rassegeflügel nicht so stark betroffen gewesen, aber offensichtlich ändere sich das gerade, wie auch andere Ausbrüche wie etwa im Berliner Zoo zeigen: „Die derzeitige Variante von H5N1 ist endemisch geworden, das heißt, es kommt nicht mehr nur zu saisonalen Ausbrüchen, das Virus etabliert sich. Wir müssen lernen, damit umzugehen.“

Gerade Rassegeflügelzüchter halten ihre Tiere oft artgerecht im Freien. Das sei lobenswert, berge aber große Risiken, sagt Elke Reinking: „Da kann es schnell zu einem direkten oder indirekten Kontakt mit einem infizierten Wildvogel kommen.“

Ein Allheilmittel ist auch der Impfstoff nicht

Elke Reinking, Sprecherin Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit.

Viele Rasse- aber auch Nutzgeflügelzüchter hoffen angesichts des sich zuspitzenden Seuchengeschehens nun auf eine Impfung gegen die Vogelgrippe. Bislang ist zwar noch kein entsprechender Impfstoff in der EU zugelassen, aber das könnte sich bald ändern, wie Elke Reinking vom Friedrich-Loeffler-Institut bestätigt. „Mit Beginn dieses Jahres sind sogar schon entsprechende Studien geplant“, sagt sie, allerdings sei dabei einiges zu bedenken.

So gäbe es derzeit keinen sogenannten Marker-Impfstoff. Das heißt, wenn Tiere beprobt würden, könne man nicht unterscheiden, ob sie erkrankt oder geimpft seien.

Auch gelte ein Land, in dem gegen Vogelgrippe geimpft werde, nicht mehr als seuchenfrei, was vor allem für den Export von Nutzgeflügel schlimme Auswirkungen haben könnte. „Ein Allheilmittel“, sagt Elke Reinking: „ist also auch der Impfstoff nicht.“                                                                

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