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Machts vor: Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) auf Selbstpflücke in Ahrensfelde. Er appelliert: kauft regional, das kann auch mal etwas mehr kosten.

© ZB/Soeren Stache

In Brandenburg startet die Heidelbeerernte: Wer selbst pflückt, kann sich die besten rauspicken

Die Heidelbeere ist die wichtigste Strauchbeerenart in Brandenburg. Nun hat die Saison begonnen. Ein Besuch auf dem Feld in Ahrensfelde.

Einst sollte der Betrieb Pomona Gartenbau in Ahrensfelde (Kreis Barnim) die Berliner mit Obst versorgen. Damals, zu DDR-Zeiten, als er noch Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) war, mit knapp 500 Hektar, als sogenannter Obstbauspezialbetrieb. Heute wird nur noch auf 35 Hektar Obst angebaut, zur Selbstpflücke, wie man umgangssprachlich sagt.

Aus Sicht von Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel (Grüne) könnte zwar nicht Pomona in Ahrensfelde allein, wohl aber die gesamten Heidelbeeranbauer im Land die Region mit den blauen Kugeln versorgen. Auf 401 Hektar Anbaufläche wurden im vergangenen Jahr über 1800 Tonnen Heidelbeeren geerntet. Der Minister rechnet vor: „1800 Tonnen macht 1,8 Millionen Kilogramm.“

Verteilt auf handelsübliche 250-Gramm-Schälchen kommt man damit auf 7,2 Millionen Schälchen. Damit, so Vogel, könne man doch jede Menge Brandenburger erstmal versorgen. „Wenn Sie drei Schälchen nehmen, sind wir voll auf Wachstumskurs.“ Am Mittwoch ist auf dem Betrieb in Ahrensfelde offiziell die Heidelbeersaison eröffnet worden.

Anbaufläche verkleinert sich

Doch die Anbaufläche des Heidekrautgewächses ist laut dem Gartenbauverband Berlin-Brandenburg um 14 Prozent zurückgegangen – erstmals seit 2012. Es ist eine Entwicklung, die in Brandenburg viele Kulturen betrifft, sei es beim Spargel, bei der Erdbeere, beim Obstanbau insgesamt.

Und, es ist eine Bredouille: Der Wunsch nach regionaler Versorgung steigt. Die Bauern ziehen sich aber mehr und mehr aus dem Anbau zurück oder verkleinern ihre Flächen. Sie begründen das mit den engen Regularien, die ihnen der Gesetzgeber beim Anbau vorgebe, wie beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Steigende Produktionskosten und Erhöhungen beim Mindestlohn machten ihnen zusätzlich zu schaffen. Die gestiegenen Produktionskosten könnten sie nicht an den Verbraucher weitergeben. Der Handel lehne ab und begründe damit, dass die Kunden dann zu den um ein Vielfaches günstigeren Importprodukten greifen.

Nur jede zehnte Heidelbeere kommt aus Deutschland

Nur jede zehnte Heidelbeere im deutschen Supermarkt komme aus Deutschland, erklärt Agrarminister Vogel in Ahrensfelde. Es handele sich bei der Beere inzwischen überwiegend um ein Importprodukt aus China und dem südamerikanischem Raum. Sie werde also „quer durch die ganze Welt transportiert“, hinterlasse einen „hohen ökologischen Fußabdruck“.

Vogel sagt, die Brandenburger Betriebe seien wie bei anderen Obst- und Gemüsesorten auch bei der Heidelbeere in Konkurrenz mit ausländischer Ware, die häufig ganzjährig im Handel und oft zu niedrigen Preisen angeboten werde.

Pomona Gartenbau, rund 30 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegen, hat mit dem Handel wenig zu tun. Als reiner Selbstpflückbetrieb kommen die Kunden direkt zu ihnen, um sich die besten Beeren von den Sträuchern zu picken. Man habe so eine hohe Nachfrage, dass man manchmal den Betrieb für die Kundschaft schließen müsse, weil nicht genug Obst da sei.

Bei Pomona gibt es Heidelbeeren, Erdbeeren, Kirschen, Äpfel und vieles mehr zu pflücken. „Bei uns gibt es eigentlich nie nichts zum Pflücken“, sagt Reiner Matthes, Geschäftsführer des Betriebes.

Manch einer schlägt bei Pomona richtig zu: 450 Kilogramm Äpfel pflücke ein Kunde pro Saison, sagt Matthes Schwiegersohn Louis Heitmann. Der verarbeite die Äpfel weiter, nutze aber alles für sich selbst. Und bei den Erdbeeren kämen die „Profi-Pflückerinnen“, wie Heitmann sie nennt, die 20 Kilogramm mitnähmen, um daraus Marmelade zu kochen. 90 Prozent der Gäste seien Familien, die meisten kämen aus Berlin.

Heidelbeeren als „Snack vor dem Fernseher“

Mit dem RE3 geht es nach Bernau, von dort verkehren Busse. Auf dem Betrieb gibt es Körbchen, die man mit den schönsten Kugeln füllen kann – anders als im Supermarkt, wo man schräg von der Seite angeschaut wird, wenn man beginnt, die besten Beeren aus anderen ins eigene Schälchen zu sortieren.

Die Infrastruktur könnte etwas besser sein, sagt Bürgermeister von Ahrensfelde, Wilfried Gehrke (CDU). „Da fehlt uns ein Radweg hier und da“, sagt er und blickt erwartungsvoll zu Landrat Daniel Kurth (SPD). Der gibt zu, dass er an diesem Tag zum ersten Mal vor Ort sei.

Gehrke hingegen, selbst Diplom-Agrar-Ingenieur, kennt den Betrieb gut. Als Kind habe er selbst hier Beeren gepflückt. Am liebsten möge er Heidelbeeren pur, frisch aus dem Kühlschrank. Oder als Kuchen „mit dick Butterstreusel“ – die Umstehenden lachen. Neben ihnen steht frischer Heidelbeerkuchen auf Blechen von Matthes Frau. Gartenbauverbands-Präsident Klaus Henschel isst gern 30 Schalen. In welchem Zeitraum lässt er offen.

Eine, die auch viel pflückt, ist Petra Böhm. Drei 250-Gramm-Schälchen esse sie pro Woche. Gern auch „abends, als Snack vor dem Fernseher“. Häufig pflücke sie auf dem Betrieb, der in fußläufiger Entfernung ihres Wohnorts liegt. Die Ahrensfelderin isst Heidelbeeren aber auch im Winter, gibt sie zu. Sie könne einfach nicht darauf verzichten.

Agrarminister Vogel wäre es lieber, die Leute würden regional kaufen und warten, bis die Beeren hier im Land reif seien, um sie sich dann „mit steigender Vorfreude auf die Saisoneröffnung“ schmecken zu lassen.

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