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Nächster Einsatz. Wenige Stunden nach den Razzien in Berlin rückte die Polizei im Vereinsheim der Hells Angels in Potsdam ein und durchsuchte die Räume. Die Botschaft: „Potsdam ist kein Rückzugsraum für Rocker aus Berlin“, sagte ein Beamter.

© dpa

Brandenburg: Leitende Beamte im Visier der Fahnder

LKA-Spezialisten suchen nach dem Verräter der Rocker-Razzien. Heftige Kritik an Chefermittlerin – die Verbotsverfügung war lange fertig

Berlin/Potsdam - Es lag nicht nur am Maulwurf in den Reihen der Polizei, der die Razzia und das Verbot gegen die Hells Angels in Berlin vorab verraten hat. Intern gibt es auch Kritik am Verhalten führender Beamter. Ihnen wird Mitschuld gegeben an dem beinahe verpatzten Schlag gegen die Rocker.

Bei den Ermittlern herrschte schon seit Wochen Unmut über die Führung beim Landeskriminalamt (LKA) und im Innensenat. Alle Fakten für ein Verbot gegen die Hells Angels waren lange zusammengetragen, die unterschriftsreife Verbotsverfügung lag schon einige Wochen vor. Und der Aufwand war groß: Personal war aus allen LKA-Abteilungen für Organisierte Kriminalität abgezogen worden, um Material zu sammeln, Razzien durchzuführen und Rockertreffen aufzureiben. „Alles war fertig, wir aber mussten weiter jedes Wochenende raus zu den Rockern und böse gucken, die haben uns überhaupt nicht mehr ernst genommen“, sagte ein Ermittler den PNN. „Aber da musste jemand erst einmal in den Urlaub fahren.“ Gemeint ist die Chefin des Dezernats für Rockerkriminalität, Heike Rudat. Sie soll – so ist intern zu hören – mit ihrem Verhalten dazu beigetragen haben, dass Informationen durchsickerten: sie habe die Razzia verzögert, weil sie angeblich das Clubschild persönlich abmontieren wollte.

Die Aufarbeitung des Einsatzes, der wegen des Verrates eiligst auf Dienstag, statt wie geplant am Mittwoch, vorgezogen werden musste, hat also begonnen. Polizeisprecher Stefan Redlich wollte sich aber zur Rolle der leitenden Beamtin nicht äußern. Die internen Ermittlungen wegen Geheimnisverrats hat die LKA-Spezialdienststelle für Beamten-Delikte übernommen. „Dass etwas auf Seite der Polizei verraten wurde, ist offenkundig. Wir müssen nun das Leck finden“, sagte Redlich. Noch sei nicht klar, in welche Richtung die Information über die Razzia gelaufen ist: Entweder ein Polizist hat die Pläne an Mitglieder der Hells Angels verraten oder vertrauliche Informationen an Journalisten gegeben – denkbar wäre auch beides. Ob es schon einen oder mehrere Verdächtige gibt, sagte Redlich nicht.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, Bodo Pfalzgraf, betonte, dass Polizeibeamte, die sich als „Maulwürfe“ betätigen, intensiv verfolgt und ihres Amtes enthoben werden müssten. Die einen täten es aus Wichtigtuerei und Geltungsdrang, andere nähmen dafür kleine oder größere Gefälligkeiten der „Gegenseite“ an. Die Planung eines solchen Einsatzes sei zunächst nur einem „kleinen Kreis an Führungskräften“ bekannt. Auch Informationen im Computer seien dann nur einer geschlossenen Nutzergruppe zugänglich. Erst später, wenn es um die Umsetzung der Razzia geht, würde eine größere Anzahl von Beamten eingebunden: Mitglieder der Hundertschaften, Funker oder Verantwortliche für die Logistik.

Redlich betonte, dass trotz Geheimnisverrats das Ziel, nämlich dass der Verein verboten und das Clubhaus geschlossen ist, erreicht worden sei. „Das war ein wichtiger Schritt für die Sicherheit der Stadt.“ Zudem habe die Verbotsverfügung Auswirkungen auf die anderen Rockerclubs der Stadt. Deren Mitglieder würden deutlich sehen, dass das Gesetz sehr wohl auch für sie gelte – auch wenn sie sich als „Outlaws“ bezeichnen. „Auch die anderen Rockerclubs haben wir sehr wohl im Auge“, hieß es. Tatsächlich durchsuchten 200 Beamte aus Berlin und Brandenburg wenige Stunden nach der Razzia in Reinickendorf am Mittwochabend die Hells Angels-Niederlassung in Potsdam – damit kriminelle Rocker aus Berlin nicht in das Umland ausweichen.

Dennoch gibt es Zweifel an dem Vorgehen und an Vorstößen für ein bundesweites Verbot krimineller Rockerclubs, das am Donnerstag Thema auf der Innenministerkonferenz in Mecklenburg-Vorpommern war. Polizeigewerkschafter Andreas Schuster sagte, Vereinsverbote lösten das Rockerproblem auch nicht grundsätzlich. Nach Auflösung eines Vereins könnten dessen Mitglieder in einen anderen wechseln. „Mit Verboten kann man allenfalls regional ein martialisches Auftreten von Rockern verhindern“, sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Brandenburg. Ein pauschales Verbot auf Bundesebene „ist rechtlich nicht umzusetzen“. Verbote könne man nur aussprechen, wenn Straftaten nachgewiesen würden. Dies sei im Fall der Rockerclubs ein Problem, weil sich die Szene in zahlreiche Vereine gliedere. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) dagegen sieht klare Hinweise auf bundesweite Vernetzungen krimineller Rockerclubs. „Die führenden Köpfe kennen sich von Präsidententreffen, bei denen Reviere untereinander aufgeteilt werden“, so BDK-Chef André Schulz. „Die Rocker kennen keine Landesgrenzen.“ Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte sich zurückhaltend. Auch das koordinierte Vorgehen mehrerer Länder könne effizient sein. Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) sagte zu Verboten: „Darüber diskutiert man nicht im Vorfeld, sondern die vollzieht man, wenn man das entsprechende Material hat.“ Die Länder seien dabei, das zu sammeln.

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